Die große Lüttich-Bastogne-Lüttich-Nachlese

106. La Doyenne im Zeichen von Slowenen und Schweizern

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Zielsprint des 106. Lüttich-Bastogne-Lüttich | Foto: Cor Vos

04.10.2020  |  (rsn) - Drei Slowenen unter den ersten vier bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, eine solche Bilanz hat beim ältesten Eintagesrennen der Welt schon lange keine Nation mehr geschafft. Dabei sicherte sich nach 257 Kilometern des Ardennenklassikers der Tour-Zweite Primoz Roglic (Jumbo - Visma) das erste Monument seiner Karriere.

Tour-Sieger Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) wurde Dritter, gefolgt vom ehemaligen U23-Weltmeister Matej Mohoric (Bahrain - McLaren), der nach einer späten Aufholjagd das Finale eröffnet hatte und Vierter wurde vor Weltmeister Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step), der als vermeintlicher Sieger wegen einer Welle gegen Marc Hirschi (Sunweb) auf den fünften Platz zurückgesetzt wurde. Im Sprint hatte der 30-jährige Roglic den zu früh jubelnden Franzosen noch abgefangen und sich damit für den entgangenen Tour-Sieg entschädigt.

“Es ist ein unglaubliches Gefühl. Die letzten Monate waren lang für mich, seit drei Monaten war ich nicht mehr zu Hause. Ich bin extrem glücklich und stolz auf mein Team. Endlich habe ich jetzt doch einmal was gewonnen“, freute sich Lüttich-Debütant Roglic über seinen Coup, den er auch seinem starken Team verdankte. “Tom (Dumoulin) war super stark am Ende. Aber es war nicht nur er, sondern das gesamte Team hat einen tollen Job abgeliefert. Ich war über das ganze Rennen gut beschützt und gut positioniert.“

Mit gemischten Gefühlen kommentierte Pogacar seinen zweiten Start - beim Debüt 2019 wurde er Achtzehnter - in Lüttich. “Den ganzen Tag ging es mir gut und das Team hat alles für mich gemacht. Dann wollte ich den Sprint eröffnen, war in guter Position und dachte, meine Linie ist frei und ich kann gewinnen. Dann kam er Moment, der alles veränderte. Ich dachte, ich würde stürzen“, sagte der 22-Jährige, der wegen Alaphilippes Aktion aus dem Rhythmus gebracht und schließlich als Dritter gewertet wurde. “Es ist schön, hier im Finale um den Sieg zu kämpfen und ich werde sicher zurückkommen, um das wieder zu machen“, kündigte Pogacar an, es im kommenden Jahr wieder zu probieren.

Schweizer drücken “La Doyenne“ den Stempel auf

Die beiden WM-Medaillen durch Stefan Küng (Groupama – FDJ) und Marc Hirschi (Sunweb) und sowie der Sieg des jungen Berners beim Flèche Wallonne scheinen auch die weiteren Schweizer Profis motiviert zu haben. So bestimmten Gino Mäder (NTT) und Michael Schär (CCC) das Rennen zunächst als Mitglieder der Ausreißergruppe des Tages und schließlich noch als Duo.

Als der routinierte Schär dann schlussendlich als letzter aus der Fluchtgruppe noch eingeholt wurde, setzte sich Michael Albasini (Mitchelton – Scott) in seinem letzten Profirennen noch einmal von der Favoritengruppe ab und beschäftigte diese für etliche Kilometer. “Er ist nochmal ganz vorne gefahren“, freute sich sein Sportlicher Leiter Matthew Hayman mit dem 39-Jährigen und lobte Albasini: “Aber nicht nur seine Attacke war großartig, im Finale hat er Nick Schultz dann noch perfekt platziert.“

Alle seine Landsleute überragte aber erneut Jungstar Hirschi. “Ich hätte das nie erwartet“, erklärte der 22-Jährige im Zielinterview und fügte an: “Ich bin ja erst zum zweiten Mal hier. Meine Form war gut nach der Tour und war klar, wir sind hierhergekommen, um zu gewinnen.“ Und wäre ihm Alaphilippe nicht in die Quere gekommen, so hätte es womöglich zum Sieg gelangt. “Er hat mein Rad berührt, ich war knapp an seinem Hinterrad. Es kann passieren“, zeigte sich Hirschi als fairer Sportsmann.

Weltmeister Alaphilippe entschuldigt sich bei Hirschi

Dass es nur zu Platz zwei reichte, dafür war Alaphilippe maßgeblich verantwortlich. Seine Welle im Sprint ließ Hirschi aus dem Pedal rutschen und brachte auch Pogacar um seine Möglichkeiten. “Ich habe mir das Filmmaterial angesehen und hatte im Rennen nicht gemerkt, dass ich so eine schwere Welle gefahren bin. Das war mein erster Fehler“, erklärte der 28-Jährige, der sich schon im Ziel bei Hirschi für seine Aktion entschuldigte.

Als zweiten Fehler bezeichnete Alaphilippe seinen frühen Zieljubel, der den späteren Sieger Primoz Roglic (Jumbo – Visma) noch auf den letzten Metern am Franzosen vorbeijagen ließ. “Das passiert mal in einer Karriere, bitter natürlich, wenn es bei einem Monument ist“, erklärte Alaphilippe, der dem vergebenen Sieg aber nicht nachtrauerte: “Es wäre egal gewesen, ob ich Erster oder Zweiter geworden wäre, denn distanziert wäre ich so oder so geworden.“

Kämna mit Debüt zufrieden

Als einer von 69 Neulingen stand Tour-Etappensieger Lennard Kämna (Bora - hansgrohe) erstmals am Start des ältesten Monuments. “Ich muss ehrlich sagen, ich mag das Rennen. Das Profil ist mir nicht auf den Leib geschneidert, aber es hat mir Spaß gemacht“, erklärte der 24-Jährige, der am Sonntag als bester Deutscher auf Platz 21 landete.

Kämna fuhr etwas überraschend das Topergebnis für die Raublinger ein. Denn Kapitän Maximilian Schachmann verabschiedete sich an der Côte de la Redoute aus dem Feld der Favoriten und beendete sein Rennen dort auch vorzeitig. Dafür sprang Kämna in die Bresche. “An der einen oder anderen Stelle habe ich sicher noch Fehler gemacht, aber ich bin zufrieden. Ich kann mir nichts vorwerfen“, so Kämna, der nach dem Pfeil von Brabant am Mittwoch seine Saison beenden wird.

Geschke so weit vorn wie nie, aber im Pech

250 von 257 Kilometer liefen für Simon Geschke (CCC) alles nach Wunsch. Doch rund sieben Kilometer vor dem Ziel verhinderte ein Vorderraddefekt ein Topergebnis des Freiburgers. "Mein Herz ist gebrochen in dem Moment. So eine Chance bekommt man nicht oft. Bei Lüttich war ich noch nie so weit vorne", erzählte Geschke im Interview mit cyclingmagazine.de. "Wenn es ein wenig weiter vor dem Finale gewesen wäre, hätte man vielleicht noch einmal zurückkommen können. Aber da wo mir das passiert ist, war das Rennen gelaufen“, fügte der 34-Jährige an.

Geschkes Pech passte in das unglückliche Bild, das CCC abgab. Zwar waren bis zur Côte de la Redoute mit dem gebürtigen Berliner, Jan Hirt und Alessandro de Marchi noch drei Fahrer des Teams in der Gruppe der Favoriten dabei, doch verlor die Mannschaft mit Greg Van Avermaet ihren Kapitän durch einen Sturz. Und nachdem beim Belgier sich einen Bänderriss in der Schulter zuzog, drei Rippen und einen Rückenwirbel brach, scheint Van Avermaets Saison beendet zu sein.

Van der Poel gelingt kein Amstel 2.0

Ein wenig roch es im Finale dann nach einem Zusammenschluss der beiden Favoritengruppen, doch am Ende kam es doch nicht dazu. Sonst wäre womöglich Mathieu van der Poel (Alpecin – Fenix) ein ähnliches Kunststück wie beim Amstel Gold Race 2019 gelungen, als sich die Spitze vor dem Sprint gegenseitig belauerte, um dann auf den letzten Metern vom niederländischen Überflieger noch überholt zu werden.

Seine Flügel hatte van der Poel schon am Vortag beim Finale der BinckBank-Tour weit ausgestreckt. Wohl auch deshalb reichte es am Ende nicht ganz. “Ich kann sehr zufrieden sein, wenn ich bei meinem ersten Auftritt Sechster werde. Aber ich habe die Anstrengungen des Vortages gespürt“, erklärte der 25-Jährige, der in seiner aktuellen Form auch bei den kommenden Kopfsteinpflasterrennen zu den Favoriten zählen wird.

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