Interview mit dem Sportdirektor von Bora - hansgrohe

Poitschke: “Für das Tour-Podium braucht Buchmann 3, 4 Helfer“

Von Joachim Logisch

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Enrico Poitschke beim Giro d´Italia 2019 | Foto: Cor Vos

04.12.2019  |  (rsn) - Nach dem bisher erfolgreichsten Jahr der Teamgeschichte will Bora - hansgrohe in der kommenden Saison noch einen draufsetzen. Im Interview mit radsport-news.com sprach Sportdirektor Enrico Poitschke in Kolbermoor über die abgelaufene Saison, die Verbesserungspotenziale seiner Fahrer und über die mögliche Zusammensetzung des Tour-Teams.

Herr Poitschke, haben Sie und Ihre Fahrer sich in der Pause erholen können? Enrico Poitschke: So eine Pause ist nie lang. Die Rennen gehen bis Ende Oktober, kurz darauf hat man schon wieder Teamtreffen für das nächste Jahr und die Vorbereitung für die kommende Saison beginnt. Manche Rennfahrer sind schon wieder im Training, andere haben noch eine Pause. Es ist schon eine enorme Belastung.

Die Ziele von Bora - hansgrohe sind hoch. Ralph Denk sagte, dass Bora - hansgrohe die Nummer 1 der Welt werden will - belastet so etwas?
Poitschke: Eigentlich ist das eine logische Konsequenz. Wir haben uns die letzten Jahre immer verbessert. Und in diesem Jahr war es ja nicht so, dass alles optimal war. Wir waren sehr, sehr gut, aber wir sehen immer noch Potenzial, uns zu verbessern. Und deswegen ist es auch ganz normal, dass man sich neue Ziele setzt. Und wenn man Zweiter war, ist es einfach das neue Ziel, Erster zu werden. Und das wollen wir erreichen.

Wo ist es in diesem Jahr noch nicht optimal gelaufen?
Poitschke: Wir haben mit Peter (Sagan) verhältnismäßig viel Pech in der Vorbereitung gehabt. Er ist in der entscheidenden Phase krank geworden, und das hat man bei den Klassikern dann auch gemerkt. Er war nicht auf dem Level, auf dem er hätte sein können. Wir haben sehr viel Pech mit Stürzen von Jempy Drucker und Oscar Gatto gehabt, die wir extra als Verstärkung geholt haben, und die dann die Klassiker gar nicht fahren konnten.

Wir können uns aber auch mit den anderen Fahrern verbessern, um die nochmal auf ein anderes Niveau zu bringen. Wir haben viele junge Rennfahrer, die noch nicht am Ende ihrer Entwicklung sind. Wenn man das alles zusammenfasst, dann können wir noch besser werden.

Emanuel Buchmann hat mit Geschick und Glück Platz vier bei der Tour belegt - gibt es auch bei ihm noch Verbesserungspotenzial?
Poitschke: Wir sind eine sehr solide Tour gefahren, und ich würde da nicht von Glück reden. Es war eine absolut super Leistung, wir sind nicht offensiv, sondern eher defensiv gefahren und haben keinen Fehler gemacht. Wir hatten vielleicht das Glück, dass andere Rennfahrer ausgeschieden sind, die möglicherweise besseres Potenzial haben, aber im Rennen selber haben wir kein Glück gehabt. Wir haben einfach unsere Leistung abgerufen und hatten sogar eher Pech, dass das Rennen verkürzt wurde (die 19. Etappe wegen schlechter Wetterbedingungen, d. Red.) - und deshalb können wir uns sogar da verbessern.

Wer könnte denn zum Tour-Team 2020 gehören?
Poitschke: Wir haben in diesem Jahr gesehen, dass Gregor Mühlberger eine wahnsinnig starke Tour gefahren ist und in der dritten Woche einer der stärksten war. Deshalb ist er jemand, den wir auch bei der kommenden Tour dabei haben wollen. Wir haben auch gesehen, dass Patrick Konrad aus verschiedenen Gründen nicht ganz den Level erreichen konnte, den wir uns vorgestellt haben. Da werden wir uns überlegen, ob wir ihn nochmal fahren lassen oder versuchen wir vielleicht, Emu mit einem anderen Fahrer besser zu unterstützen. Wir brauchen sicherlich zwei oder drei sehr gute Bergfahrer, und wir wollen natürlich wieder versuchen, mit Peter (Sagan) Etappen und das Grüne Trikot zu gewinnen. Auch da brauchen wir Helfer und das zusammen wird ein sehr, sehr starkes Tour-de-France-Team.

Würde es aber Buchmann die Angelegenheit nicht erleichtern, wenn er sieben statt nur drei Helfer an seiner Seite hätte?
Poitschke: Wenn man die Tour gewinnen will, braucht man sieben starke Helfer. Wenn man auf das Podium fahren will, dann reichen auch drei oder vier. Aber die anderen, die noch im Tour-Team sind, und das haben wir in diesem Jahr gesehen, können auf Etappen, die nicht so im Fokus stehen, den Unterschied machen. Wir haben 2019 gegenüber Thibaut Pinot auf einer Flachetappe 1:40 Minuten gewonnen, das hätten wir auf einer Bergetappe nie geschafft. Das war nur möglich, weil wir ein sehr starkes Team haben, auch bei flachen oder windanfälligen Etappen. Und auch das gilt es zu beachten.

Schließen sich Pascal Ackermann und Peter Sagan in einem Tour-Team aus?
Poitsche: Die schließen sich nicht aus. Man muss beachten, dass Pascal trotz seiner Erfolge noch ein sehr junger Rennfahrer ist, und die Entwicklung der vergangenen Jahre war einfach enorm und vielleicht auch ein wenig überraschend. Deshalb muss man immer aufpassen, dass man einen so jungen Fahrer nicht überfordert. Pascal soll sich natürlich weiterentwickeln, aber wir wollen ihn nicht überfordern, und deshalb werden wir uns das genau überlegen. Angesichts des Profils der nächsten Tour de France und bei den Ansprüchen, die wir an die Fahrer haben, wäre das nicht der richtige Weg für ihn.

Wird Maximilian Schachmann nach seinem unglücklichen Tour-Debüt 2020 aussetzen?
Poitschke: Maximilian hat durch seinen Sturz die Weiterentwicklung bei einer GrandTour verpasst, ihn werden wir nächstes Jahr auf die Ardennenklassiker fahren lassen. Er hat bewiesen, dass er dort um den Sieg mitfahren kann. Er fährt aber auch Minium eine GrandTour, vielleicht zwei, aber das werden wir entscheiden, und das muss nicht unbedingt die Tour sein.

Gehört Neuzugang Lennard Kämna zum erweiterten Aufgebot?
Poitschke: Ja.

Sagan bestreitet erstmals den Giro, der sehr schwer ist. Ist das für ihn als Sprinter möglich, ihn bis zum Schluss durchzufahren?
Poitschke: Für Peter ist das definitiv möglich. Er hat nachgewiesen, dass er in einer GrandTour in der zweiten oder dritten Woche sogar mit den Bergfahrern mithalten kann. Er wird einer der ganz, ganz wenigen Sprinter sein, die in den Bergen keine Probleme haben werden. Deshalb ist der Giro für ihn optimal.

Aber danach kommt noch die Tour…
Poitschke: Er ist jetzt in einem Alter, in dem zwei GrandTours möglich sind. Sicherlich braucht er neue Ziele und Herausforderungen und deshalb versucht es.

Kam Sagan auf das Team zu und sagte: Ich will beide Rennen fahren?
Poitschke: Man hat als Team natürlich eine Idee, was man gern mit seinen Kapitänen fahren will. Und auch er hat seine Vorstellungen und es war relativ leicht, zueinander zu kommen.

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