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Red Bulls Segelflieger-Aktion “Peloton Take Off“

Von Felix Mattis aus Palma de Mallorca

Foto zu dem Text "Red Bulls Segelflieger-Aktion “Peloton Take Off“ "
“Peloton Take Off“ - Red-Bull-Fahrer hieven einen Segelflieger in die Lüfte. | Foto: Cor Vos

10.12.2025  |  (rsn) – "Peloton Take Off" – unter diesem Namen hat Red Bull in Binissalem auf Mallorca am Dienstagabend eine Aktion vorgestellt, mit der man sich im Hintergrund seit einem Jahr und gemeinsam mit den Radprofis von Red Bull – Bora – hansgrohe seit dem Salzburger Teamcamp im Oktober vorbereitet hatte: Nur durch die Kraft von Radprofis zog man auf dem Flugplatz von Son Bonet, am Stadtrand von Palma de Mallorca gelegen, ein Segelflugzeug in die Luft – und letztlich bis auf über 100 Meter hinauf.

Wie Huskys vor einen Schlitten gespannt, so formierten sich die neun Red-Bull-Radprofis und -Nachwuchsfahrer Nico Denz, Florian Lipowitz, Davide Donati, Jordi Meeus, Tim van Dike, Laurence Pithie, Adrien Boichis, Gijs Schoonvelde und Callum Thornley in einem von den Red-Bull-Ingenieuren entwickelten Zugkäfig und zogen den Segelflieger von Pilot Andy Hediger, der seit 1991 für Red Bull Flugzeuge bewegt, mit bis zu 54 km/h an einem 150 Meter langen Zugseil über die 1.500 Meter lange Start- und Landebahn von San Bonet, mit einer Maximalleistung von zusammen 6.500 Watt. ___STEADY_PAYWALL___

"Der erste Gedanke war: Wie soll das funktionieren?", erzählte der an der Aktion beteiligte Denz radsport-news.com von dem Moment, als Team-Aerodynamikspezialist Dan Bigham und Red Bull das Vorhaben den Radprofis im Hangar-7 in Salzburg im Oktober vorgestellt hatten.

Die neun Fahrer von Red Bull vor der gewagten Aktion "Peloton Take Off" | Foto: Cor Vos

"Natürlich wirkte es auch auf mich erstmal gefährlich. Aber je mehr sie uns darüber erzählt haben, desto klarer wurde, dass sie sich schon ganz schön viele Gedanken gemacht haben und dass es funktionieren könnte. Ab da war das vorherrschende Gefühl dann eher Aufregung. Es waren nicht alle begeistert, mitzumachen – aber das hat man ja immer bei allem. Die meisten waren schon Feuer und Flamme."

Elf Fahrer wurden aus den Kadern des WorldTour- und des Kontinental-Teams sowie der Junioren-Mannschaft Grenke – Auto Eder ausgewählt. Alle mussten physiologisch die Voraussetzungen erfüllen: eine möglichst hohe Dauerleistung über 90 Sekunden und nicht zu wenig Körpergewicht.

"90 Sekunden bei etwa 650 Watt, die Peakpower lag ein Stück über 750 Watt – über 30 Sekunden bis eine Minute waren es zusammengerechnet als Kollektiv konstant also über 6.000 Watt, die wir produziert haben – ziemlich großartig", erklärte Bigham gegenüber RSN. Bei der Aktion kam es sportlich aber nicht nur auf die reine Power der einzelnen Fahrer an, sondern vor allem auf deren Zusammenspiel und auch die Kommunikation mit Pilot Hediger im Flugzeug.

Die Radprofis nehmen mit dem Segelflugzeug im Schlepptau Tempo auf. | Foto: Red Bull

"Es ist wie im Mannschaftszeitfahren, dass man die Leistung gut miteinander abstimmen musste. Vor allem mit dem direkten Nebenmann musste man immer auf gleicher Höhe fahren, damit man das System nicht aus dem Gleichgewicht bringt. Und dann durfte man hinten natürlich auch nicht schneller fahren als vorne. Grundsätzlich musste man vorne am meisten Power aufbringen, auf der anderen Seite merkte man den kritischen Moment, wenn das Flugzeug abhebt und sich dann am Ende abkapselt, hinten am meisten", erzählte Denz und fügte an:

"Man merkt, wenn er aufsteigt und das Flugzeug im Wind aufstellt, das merkt man – da zieht es hinten. Wenn er dann aber nicht mehr weiter hochkommt, stellt er das Flugzeug gerade, um nochmal schneller zu werden, und das hat man vorne auf dem Rad richtig wieder gespürt."

Ungefährlich war es nicht: Ersatzfahrer waren nominiert

Im Video zum "Peloton Take Off" zeigt Red Bull auch zwei Szenen vom Test in der Nähe von Salzburg, bei denen es schiefging: Die Querstreben des Zugkäfigs gerieten in die Speichen der an hinterster Position fahrenden Profis und zerstörten deren Laufräder völlig. Wie durch ein Wunder konnten sich im Video alle Fahrer auf ihren Rädern halten – ob bei anderen Testversuchen auch jemand zu Fall kam, das verriet so konkret niemand. Fakt ist aber: Man wusste, dass es nicht ungefährlich sein würde und hatte auch Ersatzfahrer dabei.

Tim van Dijke wird auch im Video gezeigt, wie er sich zu Wort meldet und sagt, dass er nicht an letzter Position fahren will. Und Emil Herzog musste, nachdem er bei den Tests in Salzburg noch dabei war, vor dem Camp auf Mallorca tatsächlich ausgetauscht werden. Er brach sich sein Schlüsselbein, laut Bigham aber nicht beim Versuch ein Flugzeug in die Luft zu befördern, sondern bei einem Trainingsunfall Ende November. "Aber er ist okay. Er hat jetzt eine Platte drin, hat sich erholt und trainiert auch schon wieder", so Bigham.

Als Pilot im Segelflieger am Steuer: Andy Hediger | Foto: Red Bull

Der Brite berichtete RSN in Binissalem mit einem Dauergrinsen im Gesicht auch über die Entstehung der Aktion, die eines der Ur-Sportfelder von Red Bull, die Fliegerei, mit dem neuen Tätigkeitsfeld Radsport verbinden sollte.

"Die Idee ist bei Red Bull genau hier im Dezember-Camp vor einem Jahr entstanden. Sie kamen zu mir und haben gefragt: Dan, ist das möglich? Ich bin auf mein Zimmer gegangen an dem Abend, habe ein paar Berechnungen angestellt und kalkuliert und bin zu dem Schluss gekommen: Es ist cool, wir können das machen – auch wenn es schwer sein wird. Wir mussten die Jungs physiologisch für 90 Sekunden an die Grenze bringen, brauchten aber auch ein Flugzeug, das möglichst gut und bei möglichst geringer Geschwindigkeit abheben kann. Denn die meisten brauchen dafür mindestens 70 oder 80 km/h", so Bigham.

Planung und Umsetzung dauerten mehr als ein Jahr

Die Planung und der Bau erster Prototypen erstreckte sich dann über fast ein Jahr. "Das Zugsystem ist ein Prototyp, den wir hergestellt haben bei Red Bull. Sowas kann man ja nicht einfach kaufen. Deshalb mussten wir das natürlich viel testen, auch schon ohne die Fahrer. Zum Beispiel vor dem Vuelta-Teamzeitfahren in Figueres im Sommer, da haben Johnny und ich mit einem Prototypen des Systems einen Golf-Caddy gezogen, um etwas auszuprobieren."

Doch nicht nur auf technischer, sondern auch auf sportlicher Seite wurden genaue Überlegungen von Bigham & Co. angestellt. "Es war zunächst auch ein Gedanke, wie im Teamzeitfahren hintereinander zu fahren. Denn das ist natürlich aerodynamisch am effizientesten. Aber die Frage war: Wie überträgt man die Kraft am besten. Da wurde klar, dass wir quasi eine Box rund um die Fahrer brauchen. Die Husky-Formation bei Schlittenhunden kennt man ja gut, also haben wir uns das angeschaut."

Florian Lipowitz führte das “Gespann“ an. | Foto: Red Bull

Im Oktober bei der ersten Teamzusammenkunft für die Saison 2026 in Salzburg stellte man das Vorhaben dann also den Fahrern vor und die ersten Testläufe wurden auch noch in Österreich durchgeführt – mit den im Video zu sehenden Vorfällen als Konsequenz, aber auch einem ersten kleinen Erfolg: Die Fahrer schafften es auf der kürzeren Startbahn in Österreich bereits, das Flugzeug in etwa einen Meter Höhe zu bringen. Anschließend wurde alles nochmal überarbeitet, der Zugkäfig verstärkt, Scheibenräder kamen zum Einsatz und viele weitere Detailverbesserungen, bevor auf Mallorca dann der große Tag anstand.

"Die erste Konstruktion war schon sehr abenteuerlich, aber mit der zweiten, überarbeiteten Variante, die wir hier auf Mallorca dann hatten, habe ich mich sicher gefühlt", meinte Denz und auch Bigham unterstrich den Sicherheitsaspekt: "Es wäre das Schlimmste gewesen, wenn wir einen der Fahrer dabei verletzt hätten. Und die Fahrer mussten sich ja auch sicher fühlen, um die Leistung überhaupt zu erbringen. Man sieht es ja auch im Video, dass Tim (van Dijke) gesagt hat: Ich will nicht ganz hinten fahren. Wir wollten etwas Großartiges schaffen, aber natürlich stand dabei die Gesundheit und Sicherheit der Fahrer immer im Vordergrund, denn natürlich ist das gefährlich. Das sieht man ja daran, was aus einigen Rädern geworden ist."

Besonders problematisch: Der Moment der Abkoppelung

Besonders problematisch war der Moment, als das Segelflugzeug durch Pilot Hediger von seinem "Radprofi-Husky-Zug" abgekoppelt wurde, in dem er das Seil vom Flieger trennte. "Solange Zug auf dem System ist, ist alles in Ordnung. Aber in dem Moment, wo der Pilot das Flugzeug von der Leine abkoppelt – weil er das natürlich muss, sonst zieht er die Fahrer auch etwas hoch, was auch ein wenig passiert ist beim Test – da geht auf einen Schlag die Spannung raus und das ist der gefährliche Moment", erklärte Bigham.

Genau dabei gerieten in Österreich auch die Querstreben in die Hinterräder einiger Fahrer – und zwar vor allem bei den hinteren Positionen. Dem wirkte man auf Mallorca durch weitere Verbesserungen entgegen, wie Denz erklärte: "Mit der Schutzblechkonstruktion, die wir dann am Ende hatten mit weniger Spiel, so dass der Querbalken nachher nicht frei rumgefuchtelt ist, sondern hinten eigentlich nur noch angedockt hatte, hat man sich sicher gefühlt. Auch die Streben an sich sind stabiler und dicker geworden."

Es ist geschafft: Der Segelflieger schwebt davon. | Foto: Red Bull

Bigham erklärte außerdem: "Die vorderste Position, wo Lipo (Florian Lipowitz) gefahren ist, ist sicher die risikoärmste und die hinteren beiden die gefährlichsten – auch schon vor der Bremsphase. Denn wenn das Flugzeug höher steigt, wird das Zugseil ja auch steiler und das Aufsteigen des Fliegers zieht die Fahrer von hinten regelrecht etwas hoch. Das ist schon etwas beängstigend, wenn man 600 Watt tritt und das Hinterrad ein kleines bisschen angehoben wird", so der Brite.

"Mit Lipo sind wir auf Nummer sicher gegangen, indem er ganz vorne fuhr – aber er ist auch der Leader mit der großen Power. Er hält den Zug auf dem mittleren Seil, was einer der wichtigen Schlüssel ist. Denn die Spannung kann etwas variieren, die Paare müssen sich genau aufeinander ausrichten. Wenn einer der beiden nebeneinander etwas nachlässt, fährt der andere vor und das ganze Konstrukt wird schief. Das ist gefährlich. In solchen Momenten ist es wichtig, dass Lipo mit seiner Kraft vorne im Zentrum den Zug draufhält, um das auszubalancieren."

Red Bull nutzt seine Radprofis für einen PR-Stunt

Red Bull hat seine Radprofis für einen PR-Stunt genutzt, wie der Konzern es auch mit seinen anderen Athleten immer wieder tut. Das ist aufgrund des Verletzungsrisikos durchaus kritisch zu betrachten. Während andere Teams ihren Fahrern den Alpin-Skilauf im Winter verbieten, damit sie sich bloß nicht verletzen, setzt hier der Titelsponsor seine Athleten bewusst der Werbewirksamkeit wegen Risiken aus.

Gleichzeitig aber sorgte die Aktion bei den Teilnehmenden für Begeisterung. Das konnte man vor Ort in Binissalem spüren, sowohl bei den Fahrern als auch vor allem bei Bigham: "Es ist eines der großartigsten Projekte, an denen ich als Ingenieur mitgewirkt habe", meinte der Brite noch immer strahlend.

"Ich liebe es immer schon auf der Seite des Teams den Status Quo zu untersuchen und zu schauen, was man verbessern und noch erreichen kann. Aber es war auch immer spannend, wie man den Radsport spektakulär in Szene setzen und Adrenalin reinbringen kann. Und dieses Projekt hat genau das gemacht. Es war toll, mit den Ingenieuren zusammenzuarbeiten, die für Dinge wie den Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner damals verantwortlich waren. Man ermöglicht neue Dinge, die noch nicht da waren, das ist ein tolles Gefühl. Ingenieure bauen Brücken, Autos, Flugzeuge – und hier sind wir und kreieren etwas, was noch nie gemacht wurde. Das macht einfach riesigen Spaß!"

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