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23.07.2017 | (rsn) - Nach dem Giro-Sieg durch Tom Dumoulin hatte das deutsche Team Sunweb auch bei der 104. Tour de France einiges zu feiern. Die Mannschaft holte durch Michael Matthews das Punkte- und durch Warren Barguil das Bergtrikot. Die beiden entschieden auch jeweils zwei Etappen für sich. Damit ist Sunweb die Equipe, die in Frankreich am meisten überraschte. Sogar Teamchef Iwan Spekenbrink hatte mit diesem Erfolg nicht gerechnet.
"Wir haben nicht geplant, die beiden Trikots zu holen. Im Giro fuhren wir auf Gesamtwertung, hier bei der Tour de France wollten wir auf Etappensiege gehen. Da ist Grün schon im Bereich der Möglichkeiten. Das Berg- und das Punktetrikot zu gewinnen ist aber mehr, als wir erwartet haben. Was wir hier geschafft haben, reicht für drei Tour de France. Das ist nicht unser Standard, das ist nicht normal, das sind drei Tour de France in einer", erklärte der Niederländer, der sein Glück kaum fassen kann.
"Viele Leute sagen, die Tour sei anstrengend. Uns macht sie im Moment Spaß", sagte er augenzwinkernd, um dann ernster fortzufahren: "Wir werden vielleicht nie wieder erleben, dass wir zwei Trikots, vier Etappensiege und einen in der Gesamtwertung unter den besten Zehn (Warren Barguil, d.Red.) haben. Für uns wichtig ist aber auch, ist dass alle neun Fahrer noch dabei sind."
Sunweb musste keine verletzungs- oder gesundheitsbedingte Aufgaben vermelden, alle Fahrer blieben immer im Zeitlimit. Bedeutungsvoll ist für Spekenbrink auch der zweite Etappensieg von Matthews, weil er so erabeitet wurde, wie es sich der Manager wünscht. Spekenbrink: "Die ganze Mannschaft hat von Beginn an die Führung übernommen. So einen Tag kann man nur mit einer ganzen Mannschaft bestreiten. Das war vielleicht unser schönster Etappensieg in einer GrandTour. Das war unglaublich!"
Fast schwerer als die Erfolge einzufahren, scheint es zu sein, als deutsches Team wahrgenommen zu werden - etwas, worauf der gut deusch sprechende Niederländer auch wegen seines Sponsors, einem Reiseveranstalter aus der Schweiz, großen Wert legt. "Wir wissen, dass wir dafür Zeit brauchen", erklärte Spekenbrink. "Ich glaube, wir haben einen guten Plan, um einen wichtigen Beitrag liefern zu können, damit die deutschen Fans wieder vom Radsport und unserem Team begeistert sind. Das geht nur Schritt für Schritt."
So investiere die Mannschaft viel in die junge Generation. "Unsere Philosophie ist nicht: Wir haben einen deutschen Fahrer und bauen eine Mannschaft um ihn herum. Wir denken, je stärker die Mannschaft ist, desto mehr Unterstützung hat der Star des Teams. Wir machen viel, um die Mannschaft stärker zu machen. Deshalb haben wir viel in die Zukunft investiert, mit deutschen Talenten und dem Development-Team. Darum glauben wir, dass wir diesen Konflikt (nicht als deutsches Team wahrgenommen zu werden) in Zukunft lösen können", sagte Spekenbrink.
Sunweb hat einige der größten deutschen Talente unter Vertrag. So überzeugte der Kölner Nikias Arndt (25), am Freitag Etappenzweiter in Salon-De-Provence, bei dieser Tour als wichtigster Helfer von Matthews im Kampf um Etappensiege und das Grüne Trikot. (Noch) nicht zum Tour-Kader gehören hoffnungsvolle Nachwuchsfahrer wie die Sprinter Phil Bauhaus (23) und Max Walscheid (24) sowie der Junioren-Weltmeister im Zeitfahren von 2014, Lennard Kämna (20), der 2015 WM-Silber im Zeitfahren bei der U23 holte und im letzten Jahr die Europameisterschft in dieser Disziplin gewann.
Diese jungen Fahrer werden im nächsten Jahr bei der Tour wohl noch keine tragende Rolle übernehmen können. Was ist jedoch, wenn Giro-Gewinner Tom Dumoulin oder Warren Barguil, der diesjährige Bergkönig, 2018 um den Toursieg kämpfen wollen? Diese Frage wurde am vorletzten Tag der Tour gestellt. Einer Antwort wich Spekenbrink aus: "Zuerst müssen wir diese Tour zu Ende fahren. Wenn Sie so fragen, muss ich politisch antworten. Ganz wichtig in einer GrandTour ist, dass man den Moment lebt. Danach müssen wir uns erholen und Abstand gewinnen, um neue, gute Pläne zu machen. Wir haben viele gute Fahrer. Wir müssen gute Pläne machen und das Puzzle zusammensetzen. Das ist eine Herausforderung."
Spekenbrink will sich nicht auf den Erfolgen dieses Jahres ausruhen. Dabei weiß er, dass er sich in keinem einfachen Umfeld bewegt. "Radsport ist ein zerbrechliches Geschäft. An der Spitze müssen jedes Jahr ein bis zwei Teams dichtmachen. Das zeigt, dass das Model im Radsport nicht funktioniert. Das letztjährige Team des Weltmeisters hat einfach dichtgemacht, ist pleite gegangen", sagte er mit Blick auf die Tinkoff-Mannschaft des bizarren russischen Unternehmers Oleg Tinkov. "Da ist etwas falsch. Innerhalb dieses Rahmens versuchen wir, ein nachhaltiges Team aufzubauen, das 20 Jahre Bestand hat. Unser Motto ist 'Keep Challenging' und wir versuchen uns immer weiter zu fordern, weiter zu wachsen, versuchen das bestmögliche Team zu sein, das wir sein können. Wir haben ein langfristiges Ziel und das ist nicht, irgendwann das beste Team der Welt zu sein und dann zu schließen."
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