Rückblick auf die Karriere des Luxemburgers

Andy Schleck: Hoch talentiert, aber unvollendet

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Eine der wohl beeindruckendsten Leistungen in der Karriere des Andy Schleck: Sieg am Col du Galibier 2012 nach einem mutigen, frühen Angriff und langem Solo. | Foto: Cor Vos

09.10.2014  |  (rsn) – Mit gerade mal 29 Jahren beendet Andy Schleck seine Karriere – das ist ein Alter, in dem die meisten Radprofis erst ihr volles Leistungspotenzial abrufen können. Der Luxemburger Tour de France-Gewinner von 2010 war jedoch schon in jungen Jahren einer der besten und erfolgreichsten Rundfahrtspezialisten der Welt und hat deshalb auch ein beeindruckendes Palmares vorzuweisen.

Der jüngste von drei Söhnen des Radprofis Johnny Schleck wurde Anfang 2005 mit nicht einmal 20 Jahren Profi beim dänischen CSC-Rennstall und folgte damit seinem fünf Jahre älteren Bruder Fränk, der bereits seit 2002 für das Team von Bjarne Riis fuhr. Bereits in seinem dritten Profijahr sorgte der Mondorfer für Furore, als er völlig überraschend den Giro d’Italia 2007 auf Platz zwei hinter Danilo Di Luca beendete – und das praktisch ohne Berghelfer an seiner Seite. Dazu wurde der knapp 22-Jährige mit dem Trikot des besten Jungprofis der Rundfahrt ausgezeichnet.

Im Jahr darauf bestätigte Schleck dieses Ergebnis, als er bei seinem Tour de France-Debüt gleich den elften Platz belegte und erneut das Weiße Trikot gewann. Der Gesamtsieg ging übrigens an seinen Teamkollegen Carlos Sastre, Fünfter wurde Fränk Schleck. Schon damals wurde der Mondorfer als kommender Tour-Sieger gehandelt, vor allem seiner herausragenden Kletterfähigkeiten wegen - wogegen das Zeitfahren immer sein großer Schwachpunkt blieb.

Das spielte bei der Tour 2009 allerdings noch keine entscheidende Rolle. Andy Schleck musste sich in der Endabrechnung lediglich Alberto Contador – allerdings deutlich - geschlagen geben. Das Duell der beiden weltbesten Kletterer dominierte auch die Tour 2010, die der Spanier mit knappem Vorsprung von 39 Sekunden erneut vor Schleck gewann, der sein Gelbes Trikot auf der dramatischen 15. Etappe nach einem technischen Defekt – dem Gesamtführenden sprang die Kette vom Blatt – an Contador abgeben musste, auf den er an jenem Tag 39 Sekunden einbüßte. Das war genau die Differenz, die nach 21 Etappen zwischen den beiden lag.

Doch nachdem Contador kurz darauf positiv auf Clenbuterol getestet und ihm der Tour-Sieg schließlich aberkannt worden war, rückte Schleck doch noch auf Rang eins vor. Darüber freuen konnte er sich aber nicht. „Ich will in Paris als Erster ins Ziel kommen. Wenn ich als Zweiter ankomme, habe ich die Tour verloren“, erklärte er bei der nachträglichen Überreichung des Gelben Trikots. Im Jahr darauf wurde die Tour wieder auf sportliche Art entscheiden – und diesmal musste sich der Titelverteidiger dem bereits 34 Jahre alten Australier Cadel Evans geschlagen geben.

Neben den dreiwöchigen Rundfahrten waren vor allem die bergigen Klassiker Schlecks Domäne. Sein größter Erfolg blieb der Sieg bei Lüttich-Bastogne-Lüttich 2009, wo er zwei Jahre darauf nochmals Dritter wurde, sowie Rang zwei beim Flèche Wallonne 2009.

Mit Beginn der Saison 2012 ging es bei Andy Schleck sukzessive bergab. In der Vorbereitung auf die Frankreich-Rundfahrt lief nicht viel zusammen und schließlich musste er wegen einer Verletzung, die er sich beim einem Sturz im Zeitfahren des Critérium du Dauphiné zugezogen hatte, zu Hause bleiben. 2013 lief es zumindest bei der Tour wieder etwas besser, die er nach ansprechender Leistung auf Rang 20 beendete.

Zwischenzeitlich musste er sich allerdings auch kritische Worte gefallen lassen wegen seiner angeblich zu laxen Einstellung und weil er sich zu sehr auf sein Talent verlasse. Deutlich wurde etwa der luxemburgische Verbandspräsident, der seinem Star Anfang 2013 vorwarf, „dass Andy in den vergangenen beiden Jahren im Training die Zügel hat schleifen lassen.“

Tatsächlich war auch der bei der Tour 2013 sich andeutende Höhenflug nur von kurzer Dauer und 2014 setzte sich die Verletzungsmisere fort. Den Tiefpunkt markierte der Sturz auf der 3. Etappe: Kreuzbandriss und ein Knorpelschaden, so lautete die niederschmetternde Diagnose, die auch mehrere Operationen in Basel erforderlich machte.

Die Probleme, die Schleck seitdem plagen, waren letztlich der ausschlaggebende Grund für das Karriereende, das er am 9. Oktober bei einer Pressekonferenz mit zittriger Stimme ankündigte. „Also habe ich die Entscheidung getroffen, dass der Radsport für mich vorbei ist – zumindest auf professioneller Ebene“, so Schleck, der sich aber nicht auf sentimentale Reminiszensen beschränkte, sondern sich bemühte vorauszublicken. „Es gibt mehr als den Radsport. Ich liebe ihn, aber das Leben ist mehr als das. Das habe ich realisiert, als mein Sohn Theo geboren wurde. Das war der schönste Moment in meinem Leben. Da kommt das Podium in Paris nicht mal nahe heran“, fügte er an.

Auch wenn Andy Schleck die teilweise ausufernden Erwartungen – ähnlich übrigens wie Jan Ullrich – aus verschiedenen Gründen nicht erfüllen konnte, so war er doch einer der begnadetsten Rundfahrer und vor allem Kletterspezialisten seiner Generation. Das sah auch sein langjähriger Sportlicher Leiter und Mentor Kim Andersen so. „Er kann stolz darauf sein, was er erreicht hat“, meinte der Däne, der ebenfalls bei der Pressekonferenz dabei war. „Alles hat ein Ende, und das hier kommt deutlich früher als jeder erwartet hätte. Aber so ist das manchmal.“

Im Fall von Andy Schleck traf es einen hoch talentierten, aber letztlich unvollendeten Fahrer.

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