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05.06.2011 | (rsn) - Sehr offen spricht Leopard-Profi Thomas Rohregger im Exklusiv-Interview mit Eurosport über den tragischen Tod seines Team-Mitglieds Wouter Weylandt. Der Österreicher äußert sich zu neuen Zielen und seinen Ambitionen bei der Dauphiné, über den Radsport in Österreich und Ängste bei Abfahrten.
Wie sind Sie und die Teamkollegen mit der schrecklichen Situation beim Giro umgegangen?
Rohregger: Die Truppe von Leopard, die beim Giro war, wird immer eine ganz spezielle Verbundenheit haben. Wir haben zusammen geweint und geredet. Es war sehr, sehr schwer damit umzugehen, aber wir hatten wirklich gute Leute vor Ort. Wir sind ganz bewusst nicht sofort abgereist, sondern noch gemeinsam in Italien geblieben. Und Erfahrungen, wie sie etwa unser Teamarzt in Kriegsgebieten gesammelt hat, waren sehr hilfreich.
Jeder von uns hat seine eigene Geschichte erlebt, und wir saßen in einem großen Raum zusammen, wo jeder seine Erlebnisse geschildert hat. Andere Fahrer haben wie Wouter eine schwangere Partnerin daheim, waren besonders geschockt. Doch gerade durch die gemeinsame Aussprache konnten wir mit der Tragödie abschließen: Das war besser als ins heimische Nest zu flüchten und dort von den Gedanken eingeholt zu werden.
Wie ist die Presse mit Ihnen umgegangen?
Rohregger: Ich fand das teilweise wirklich pietätlos. An dem Tag, an dem Wouter gestorben ist, hatte ich bis nach Mitternacht 25 Anrufe von Journalisten. Das war ganz furchtbar und da sollten sich manche Leute wirklich Gedanken machen. Wir wussten selber kaum mit der Sache umzugehen. Wir haben am nächsten Tag die Familie getroffen und wussten auch nicht, wie wir uns verhalten sollten, aber es war dann doch auf eigene Art schön. Wir brauchten keine Worte, wir lagen uns einfach alle in den Armen. Ich muss sagen, menschlich bringt einen solch eine Situation weiter, auch wenn ich sie niemanden wünsche.
War das Begräbnis dann eine Art Endpunkt, um sich danach wieder auf die Arbeit zu konzentrieren?
Rohregger: Trauer ist gut, aber man muss auch wieder nach vorne blicken können. Auf einem der Kränze am Sarg stand ein Spruch von Wouter, der mir in Erinnerung geblieben ist: "Think less, live more". Das ist kurz, aber prägnant. Man vergisst manchmal den Blick auf das Wesentliche. Das Begräbnis war für uns mental und psychologisch gesehen ein Einschnitt und wir müssen jetzt neue Ziele fassen. Gerade auch das Treffen mit Wouters Vater war extrem wichtig für uns: Er hat uns bestärkt, wieder aufs Rad zu steigen.
Denkt man jetzt auf Abfahrten besonders an das Sturzrisko, oder blendet man das aus?
Rohregger: Das Restrisiko bleibt immer, aber man muss sich dessen bewusst sein. Man muss sich zu 100 Prozent konzentrieren und darf seine Gedanken nicht irgendwo abschweifen lassen.
Ist die Dauphiné nun plötzlich für Sie ins Programm gerückt oder stand das Rennen schon vor der Saison im Kalender?
Rohregger: Eigentlich war der Plan gewesen, den Giro zu fahren und danach zu schauen, ob die Dauphiné kräftemäßig drin ist. Aber wenn ich die schwere Italien-Rundfahrt beendet hätte, wäre diese Rundfahrt wohl nicht mehr machbar gewesen.
Bedeutet dies nun auch eine ganz neue Planung für den Rest der Saison?
Rohregger: Ich fahre zunächst die Dauphiné und danach schauen wir mal wie es weitergeht. Vielleicht geht es auch noch zur Vuelta oder ich fahre einige Eintagesrennen.
Haben Sie sich die Strecke für die Dauphiné schon genauer angeschaut?
Rohregger: Die Rundfahrt sieht sehr schwer aus, mit vier Bergankünften. Auch das Zeitfahren ist nicht einfach, aber ich habe die letzten Tage gut trainiert und ich bin sehr motiviert.
Also gehen Sie auch mit Ambitionen für die Gesamtwertung in die Rundfahrt?
Rohregger: Ich denke ich werde einfach "relaxed" und ein bisschen planlos an die Sache herangehen. Wenn man einen Masterplan hat, scheitert der meistens.
Wer wird bei Leopard noch am Start stehen?
Rohregger: Die Schleck-Brüder werden nicht am Start stehen. Die waren im Trainingslager für die Tour und starten nun während der Dauphiné bei der Luxemburg-Rundfahrt bzw. Tour de Suisse.
Das ist eigentlich eine gute Konstellation für Sie, oder?
Rohregger: Ich werde so mit Sicherheit meine Chancen bekommen. Zu mir wurde gesagt, dass ich topfit am Start stehen soll. Ich habe einen Trainingsplan bekommen, der sehr weh tut. In vier Tagen habe ich zuletzt z.B. einmal knapp 13.000 Höhenmeter absolviert.
Wie kann Leopard als Mannschaft mit ihrem letzen Team Milram verglichen werden?
Rohregger: Bei Milram war es ein toller Einstieg in die Szene. Leopard strebt überall das Top-Level an. Das Team ist innovativ und möchte überall das Beste bieten. Aber dennoch sind wir wie eine große Familie und der Spaß steht an oberster Stelle. Wir verstehen uns untereinander sehr gut. Unstimmigkeiten soll es nicht geben. Man muss nicht immer gewinnen, aber ich muss am Ende des Tages sagen können, dass ich mit mir zufrieden bin und den Sponsor gut repräsentiert habe.
Wie sieht es um dem Radsport in Österreich aus?
Rohregger: Es sind sehr viele gute Talente am Start. Gerade das Team Radland Tirol hat einige gute Jungs. Die können bei internationalen Rennen Erfahrungen sammeln. Leider ist der Stellenwert des Radsports nach der Dopingaffäre um Bernhard Kohl gesunken und in Österreich gibt es das gleiche Problem wie in Deutschland: Die junge Generation trägt jetzt die Last, aber sie sollte ihre Chance bekommen.
Wie gehen Sie mit den Fragen zum Thema Doping um?
Rohregger: Ich bin bei diesem Thema schon ein bisschen sensibilisiert. Wenn mir jemand sagt, dass man die Tour de France nicht ohne Doping fahren kann, werde ich schon ein wenig aggressiv. Ich quäle mich drei Wochen durch die Gegend, kann teilweise nicht schlafen, bin psychisch am Ende und dann muss man sich solche Kommentare anhören. Das tut einfach menschlich weh. Die Verallgemeinerung geht einfach nicht. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe, aber es gibt viele, die den richtigen, den sauberen Weg gehen und die sollte man nicht in Sippenhaft nehmen.
Mit Thomas Rohregger sprach Andreas Schulz.
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