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01.09.2024 | (rsn) - Job erledigt, Ruhetag verdient – so endete der Sonntag für Enric Mas. Auf dem für Radfahrende ziemlich schrecklich steilen Cuitu Negru konterte der Spanier zunächst eine mustergültig von Florian Lipowitz vorbereitete Attacke von dessen Kapitän Primoz Roglic. Dann setzte er sich noch von dem Slowenen ab und schien einem beachtlichen Triumph entgegenzufahren. Kurz vor dem Zielstrich schloss Roglic mit seiner allseits gefürchteten Endbeschleunigung zwar die Lücke. Mas konnte sich aber dennoch freuen. Er hatte die Rampe, die ihm Red Bull – Bora – hansgrohe baute, toll genutzt und Zeit auf alle anderen herausgefahren.
„Es war eine gute Etappe. Ich hole Zeit auf und komme Schritt für Schritt weiter nach vorn“, bilanzierte er im Ziel. Der gebürtige Mallorquiner ist zwar immer noch Dritter mit insgesamt 2:23 Minuten Rückstand auf den Gesamtführenden Ben O’Connor und 1:20 Minuten auf Roglic. Aber an den Australier pirscht er sich Tag für Tag näher heran. ___STEADY_PAYWALL___ Und dem Slowenen hat er nicht nur gezeigt, dass der Zeitverlust auf der 13. Etappe ein Ausrutscher war, der von einem eher grauen als schwarzen Tag herrührte. Mas hat vor allem demonstriert, dass er auf den langen Kanten der wohl stärkste Fahrer des aktuellen Vuelta-Pelotons ist.
Mas (links) ließ sich auch in den steilsten Passagen nicht abhängen. Nachdem er Roglic eingeholt hatte, griff er selbst an. | Foto: Cor Vos
Dass er ein famoser Kletterer ist, ist spätestens seit 2018 bekannt, als er erstmals Gesamtzweiter der Vuelta wurde, damals hinter dem Briten Simon Yates. Diesen Erfolg verdankte er seiner Konsistenz. Auch die weiteren Podiumsplätze bei der Vuelta 2021 und 2022 erreichte er vor allem wegen seiner Fähigkeiten als Bergdiesel: Zäh ist er, kaum abzuschütteln, nicht besonders explosiv, aber eine echte Klette und vor allem unkaputtbar.
Diesen hinlänglich bekannten – wenn auch ein wenig langweiligen – Qualitäten fügt er in diesem Jahr Lust auf Attacken hinzu. Schon auf der 9. Etappe hängte er zwischenzeitlich Roglic ab. Er meisterte dabei auch einen kritischen Moment in der Abfahrt, als ihn eine Windböe aus einer Linkskurve herausdrückte und er ein benachbartes Schotterstück als Ausweichzone nutzen musste. Spanische Fans erklärten das sogleich zum Sturzvermeidungsmanöver des Jahres. Das ist ein wenig übertrieben. Aber Mas, der vor allem bei der Tour immer mal wieder Sturzpech hatte, ist vom Crashpiloten zum Beherrscher seines Arbeitsgeräts gereift.
Vor allem aber hat er bei der letzten Tour de France, als er früh aus dem Rennen ums Gesamtklassement geriet, die Lust am Attackieren für sich entdeckt. In den Pyrenäen und den Alpen versuchte er sich als Ausreißer. Das war pures Neuland für den Profi, dessen Geschäft bislang darin bestand, beim Ausscheidungsfahren der Klassementfahrer so lange wie möglich vorn zu bleiben.
Völlig verausgabt wird Mas behandelt. | Foto: Cor Vos
Viel Zählbares kam bei seinen ungewöhnlichen Ausflügen in Frankreich zwar nicht heraus. Das Beste war ein 5. Platz am Col de la Couillole. Aber er erweiterte eben sein taktisches Arsenal um längere Fluchten. Bis auf einen Ausreißversuch bei der Katalonien-Rundfahrt in diesem Jahr geben die Radsportdatenbanken keinerlei Hinweis auf weitere Fluchtversuche des mittlerweile 29-Jährigen her. Ihn jetzt attackieren zu sehen, bedeutet daher einen wahren Charakterwandel im mutmaßlichen Zenit der Karriere.
Mas versprach sogar noch mehr davon. „Wir haben schon viel Vuelta-Strecke absolviert. Aber es ist auch noch eine Menge übrig. Das will ich genießen. Mein Selbstvertrauen liegt bei 100%. Und in den Tagen, die kommen, will ich attackieren. Denn ich möchte diese Vuelta gern gewinnen“, sagte er spanischen Medien am Cuitu Negru.
In diesem Jahr ist ihm das durchaus zuzutrauen. Sein spanisches Movistar-Team hat keine andere Aufgabe, als ihn zu schützen. Sogar aus den vielen Fluchtgruppen dieser Rundfahrt halten sich die Mas-Helfer weitgehend heraus. Und der Kapitän hat gelernt, sich nicht auf die in der Vergangenheit teils vogelwilde Vorarbeit seiner Mannschaftskollegen zu verlassen. Er liest vielmehr die Rennen gut und nutzt die Vorarbeit der Konkurrenz aus, wie am Cuiti Negru etwa die von Red Bull – Bora – hansgrohe.
Wie weit kommt Mas noch bei dieser Vuelta? | Foto: Cor Vos
Im Schatten von Superstars wie Tadej Pogacar oder Jonas Vingegaard ist Mas fast im Verborgenen zu einem taktisch versierten und athletisch ausdauernden Rundfahrer gereift. Und wenn der Slowene und der Däne fehlen wie eben jetzt bei der Vuelta, rückt der Moment, in dem Enric Mas alle Blicke auf sich lenkt, immer näher. Als Roglic‘ härtester Rivale beim Unternehmen vierter Vuelta-Sieg schält sich zum Ende der zweiten Woche nicht mehr der tapfer verteidigende O’Connor heraus, auch niemand aus der zerbröckelnden UAE-Armada, sondern der ewige Schattenmann Mas.
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