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23.02.2024 | (rsn) - Trainingslager zahlen sich aus. Das bestätigte sich auch bei der Tour du Rwanda (2.1). Den größten Teil des Monats Januar verbrachte Pierre Latour im Norden Ruandas, im Schatten der gewaltigen Vulkankegel des dortigen Nationalparks. Recht überlegen gestaltete der Profi vom Team TotalEnergies auch das Bergzeitfahren, das auf den Straßen ausgetragen wurde, die zum Trainingsparcours gehörten. 34 Sekunden nahm er auf nur 13 Kilometern dem belgischen Jungtalent William Junior Lecerf (Soudal – Quick-Step) ab.
"Ich habe mich gut an die Höhe akklimatisieren können. Das Trainingslager hier hat sich ausgezahlt", frohlockte der mit Siegen ansonsten nicht sonderlich gesegnete Kletterkünstler. Sein Sportlicher Leiter Lylian Lebreton war schon zuvor vom Wert des Trainingsaufenthalts in Afrika überzeugt.
"Man hat hier alles, was man braucht. Man kann in der Höhe schlafen. Das Wetter ist gut, die Straßen sind in Ordnung und auch die Infrastruktur mit den Unterkünften ist passabel. Man wohnt zwar nicht wie in einem 5-Sterne-Hotel in Spanien. Aber es gibt den Reiz des Neuen. Und den wollten wir bei Latour mit der veränderten Saisonvorbereitung auch setzen", sagte Lebreton radsport-news.com. ___STEADY_PAYWALL___
Der Ex-Profi, unter anderem in den 1990er Jahren bei Festina und BigMat unter Vertrag, ließ sich sogar zu der Prognose hinreißen, der bergige Norden Ruandas mit dem Nationalpark, in dem die Berggorillas leben, habe das Zeug zum neuen Teide, zum zumindest im europäischen Winter attraktiven Trainingsgelände.
Pierre Latour (TotalEnergies) gewann am Donnerstag mit großem Vorsprung das Bergzeitfahren der Tour du Rwanda in 2.313 Metern Höhe in Kinigi. | Foto: Tour du Rwanda
"Zwar muss man das Training etwas umstellen, weil wir hier auch in der Höhe, auf etwa 2.000 Metern, trainieren. Aber dafür haben wir unsere Experten, die das Training gut anpassen können", meinte er. Die erhöhte Retikulozytenproduktion, die die Höhenluft mit sich bringt, nimmt jeder Radprofi natürlich gerne an. TotalEnergies ist das erste europäische ProTeam, das ein längeres Trainingslager in Ruanda ausrichtete.
Vorerfahrungen gibt es aber einige. Der Este Rein Taaramae, heute für Intermarché – Wanty unterwegs, entdeckte bereits 2019, als er bei seiner ersten Tour du Rwanda-Teilnahme Gesamtzweiter hinter Merhawi Kudus wurde, die Bergwelten des Landes und erkor sie sie zum Trainingsgelände aus.
Auch die erste Blüte des ruandischen Radsports ist mit dem Städtchen Musanze und dem dort in der Nähe gelegenen Trainingszentrum vom Team Africa Rising unter Jonathan Boyer und Kimberly Coats verbunden. Boyer und Coats haben zwar mittlerweile das Land verlassen, im Streit mit dem ruandischen Verband und Korruptionsvorwürfen an die Adresse der früheren Präsidenten. Aber die Gebäude werden weiter vom ruandischen Nationalteam genutzt.
Das Peloton bei der Tour du Rwanda. | Foto: Tour du Rwanda
"Das passt einfach. Und auch für Profiteams aus Europa ist der Standort interessant", unterstreicht David Louvet, ein französischer Nachwuchscoach, der seit letztem Jahr für Ruandas Nationalteam verantwortlich ist. Seine Fahrer konnten sich zwar nicht ganz vorn platzieren beim Bergzeitfahren in der Heimat. Dazu sind die individuellen Niveauunterschiede im Vergleich mit den europäischen Profis doch noch zu krass. Aber Louvet sieht das Gastgeberland des kommenden WM-Jahres schwer im Kommen.
Treiber ist das Rwanda Develepment Board (RDB), eine Megabehörde, die für Tourismus und Auslandsinvestitionen verantwortlich zeichnet und auch die treibende Kraft der WM-Ausrichtung ist. RDB lancierte auch die Visit Rwanda-Kampagne, Sponsoringverträge mit den Fußballklubs Arsenal London, Paris St. Germain und Bayern München.
Die sind in den Fanszenen der Vereine schwer umstritten, weil die Fußballmillionäre eben nicht nur Werbung für ein Land machen, das über schöne Bergwelten und dort ansässige Gorilla-Populationen verfügt, sondern deren Regierung auch sehr unbarmherzig Kritiker verfolgt. Bis hin zu Todeskommandos, die ins Ausland geschickt werden, geht die Repression. Und eigentlich müsste es auch jeden Radprofi zum Erschauern bringen, der das Führungstrikot der Rundfahrt mit der Werbebotschaft "Visit Rwanda" überstreift.
Das Peloton wird bei der Tour du Rwanda von großen Menschenmassen beobachtet. | Foto: Tour du Rwanda
Aber die Lage ist eben auch komplexer. Michaella Rugwizangoga, Tourismus-Chefin des Rwanda Development Boards, betonte gegenüber RSN, dass die Werbekampagnen schon jetzt für gesteigertes Tourismusaufkommen auch aus Europa sorgten und ein Teil der Gelder für die Entwicklung des lokalen Sports eingesetzt würde. Von der Rad-WM erhofft sie sich weitere Abstrahleffekte, sowohl für den Tourismus als auch den lokalen Radsport.
Trainingscamps von WorldTour-Profis passen da ebenfalls gut ins Bild. Und besonderer Werbeträger ist natürlich der gebürtige Kenianer Chris Froome. "Afrika ist ein Kontinent im Kommen, ganz so wie vor etwa zwei Jahrzehnten Südamerika. Und dass die WM 2025 nach Ruanda kommt, wird ganz Afrika einen weiteren Schub verleihen", prognostizierte der vierfache Tour-de-France-Sieger gegenüber RSN.
Das Team Israel – Premier Tech ist nicht nur zum Rennen fahren in Ruanda: Der Rennstall beteiligte sich auch an der Erschaffung eines Radsport-Zentrums in Bugesera, dem sogenannten 'Field of Dreams'. | Foto: Israel – Premier Tech
Kritikern, die ins Feld werfen, dass Ruanda zusätzlich zu allen Demokratiedefiziten auch kein traditionelles Radsportland ist, hält er entgegen: "Wenn man immer an den Traditionen festhalten und sich gar nicht bewegen will, dann bitte. Aber dann ändert sich auch nichts."
Pikant für ihn als Galionsfigur des afrikanischen Radsports ist allerdings, dass ihm auf einst heimischem Terrain sportlich recht wenig gelingen will. Bei der letzten Tour du Rwanda versuchte er sich an einem gewaltigen Soloritt. 75 Kilometer hielt er sich auch an der Spitze. Dann bremsten ihn aber zwei Defekte und ein Sturz aus. Auch in diese Ausgabe der Rundfahrt ging er unglücklich hinein: Beim Teamzeitfahren musste der 38-Jährige schnell abreißen lassen.
Chris Froome (Israel – Premier Tech) fuhr im Einzelzeitfahren am Donnerstag auf den 58. Platz von noch 79 im Rennen verbliebenen Startern. | Foto: Israel – Premier Tech
"Schuld war unsere allzu forsche Fahrt bei der Besichtigung des Kurses. Da haben wir einfach übertrieben und Chris hat das bezahlen müssen", meinte Teamkollege Itamar Einhorn zu RSN. Aber weder auf den Etappen danach noch beim Bergzeitfahren in Musanze konnte sich Froome in Szene setzen. Während der Radsportkontinent Afrika tatsächlich im Aufsteigen begriffen ist, geht der Abstieg des immer noch erfolgreichsten Radprofis aus dieser Region in immer tiefere Regionen. Bei Froome reicht es nicht einmal mehr zu Trostpreisen im Radsport made in Africa. Auch das ist eine Erkenntnis.
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