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20.01.2024 | (rsn) – In der ersten Reaktion nach Überquerung des Zielstrichs war Stephen Williams (Israel – Premier Tech) frustriert. Der Waliser schlug auf den Lenker, weil er den Etappensieg am Willunga Hill als Tageszweiter hinter dem Schotten Oscar Onley (dsm-firmenich – PostNL) knapp verpasst hatte und einen eigenen Fehler dafür als Grund ausgemacht hatte.
"Es war wie erwartet ein Ausscheidungsfahren bis zur Linie und ich war mit guten Beinen 500 Meter vor Schluss noch perfekt positioniert. Dann aber habe ich mich etwas verschätzt, wie weit es von der letzten Kurve bis zum Ziel ist. Idealerweise hätte ich da an erster Stelle sein sollen, dann hätte ich vielleicht gewonnen", erklärte Williams im ersten Ziel-Interview kurz nach der Ankunft. Die nur 75 Meter lange Zielgerade war nicht lang genug gewesen, um noch an Onley vorbei zu sprinten.
Wenige Momente später aber konnte der 27-Jährige doch strahlen. Denn ihm wurde mitgeteilt, dass er zur Podiumszeremonie kommen sollte, um das ockerfarbene Trikot des Spitzenreiters der Tour Down Under (2.UWT) anzuziehen.
Denn auch wenn Williams und Onley zeitgleich sind und Onley dem Waliser einen Etappensieg voraus ist, was bei anderen Rennen ausschlaggebend wäre, so besagt das Regelwerk in Australien etwas anderes: Bei Gleichstand entscheidet zunächst die Addition der Einzelergebnisse auf allen Etappen darüber, wer vorne ist. Je niedriger die Summe, desto besser.
Williams kommt nach Etappe 5 auf die Zahl 111, Onley auf 140. Deshalb liegt auch Jhonatan Narvaez (Ineos Grenadiers) mit fünf Sekunden Rückstand auf Williams und Onley auf Gesamtrang drei und nicht Isaac del Toro (UAE Team Emirates), der ebenfalls fünf Sekunden Rückstand hat und die 2. Etappe gewann. Narvaez steht bei einer Platzierungssumme von 58, del Toro bei 126.
"Ich war überglücklich, als ich das gehört habe. Ich wusste, es würde eng sein und wir sind ja sogar zeitgleich. Also habe ich das Trikot jetzt aufgrund des Zurückzählens bekommen", erzählte Williams später in der Mixed Zone am Willunga Hill und betonte: "Der Sprint auf der 2. Etappe war jetzt doch recht hilfreich."
In Lobethal am Ende des zweiten Teilstücks nämlich war Williams Seite an Seite mit Teamkollege Corbin Strong über den Zielstrich gerauscht – hinter Tagessieger del Toro. Williams wurde als Dritter gewertet und bekam vier Bonussekunden, die ihn nun zeitgleich mit Onley setzen. Die am Ziel montierte TV-Kamera suggerierte sogar, dass der Waliser Zweiter war und Strong Dritter, das Zielfoto der UCI-Jury aber zeigte das Gegenteil. Es war einmal mehr ein Beispiel dafür, wie wichtig Kamera-Objektive, Perspektiven und vor allem Montagepunkte sind. In Lobethal sorgte das lediglich via Social Media für einige Diskussionen, weil es eben nicht um den Sieg ging.
That’s not the photo finish though, this is pic.twitter.com/oaKNL1cVIP
— Niels van Antwerpen (@thatcyclingkid) January 18, 2024
Nun aber könnten die zwei Sekunden weniger, die Williams in Lobethal bekam, weil Teamkollege Strong noch sein Vorderrad neben ihn schob, am Ende sogar die Rundfahrt entscheiden. Dass Strong das in Lobethal tat, war übrigens kein Affront gegenüber Williams. Zu diesem Zeitpunkt galt der Neuseeländer selbst noch als aussichtsreicher Kandidat, erst auf der 5. Etappe stieg er krankheitsbedingt ausgestiegen aus der Tour Down Under aus. "Es ist schade, dass Corbin raus ist, denn auch er hätte heute ein gutes Ergebnis holen können", sagte Williams am Willunga Hill im Ziel.
Nun also liegen er und Onley gleichauf, Narvaez und del Toro jeweils nur fünf Sekunden zurück. Die schwere 6. Etappe zum Mount Lofty verspricht daher Hochspannung. "Wir haben uns die Schlussetappe letzte Woche angeschaut. Es ist ein harter, fordernder Kurs – und es scheint wieder heiß zu werden", blickte Williams auf das 128 Kilometer lange Teilstück voraus, auf dem es dreimal via Stirling auf den Mount Lofty hinaufgeht.
Die Steigung zieht sich über mehrere Kilometer dahin, auch wenn sie im Kern offiziell nur 1,6 Kilometer lang und 6,5 Prozent steil ist. Und auch vor den Schlussrunden geht es durch die Adelaide Hills immer auf und ab. Für die Gesamtwertung werden vor der Ankunft am Mount Lofty, wo es zehn, sechs und vier Bonussekunden für die Top 3 gibt, auch die zwei Zwischensprints mit jeweils drei, zwei und einer Bonussekunde für die Top 3 wichtig. Sie warten bei Kilometer 56 in Mylor am Fuß des ersten Anstiegs zum Mount Lofty und bei Kilometer 80 in Uraidla nach der Abfahrt vom Berg.
Luke Roberts, Sportlicher Leiter von Onley bei dsm-firmenich – PostNL, hat am Samstag jedenfalls schon mal zum Kampf um jede Sekunde geblasen. Und auch Narvaez und del Toro sind mit ihren fünf Sekunden Rückstand noch sehr nach an der Gesamtführung. Beide sind ebenfalls endschnell und haben im Verlauf der Woche schon um Zwischensprints gekämpft. Das werden auch sie wohl am Sonntag zu wiederholen versuchen, so dass das Rennen von ihren Teams sicher sehr schwer gemacht wird, damit keine Ausreißergruppen die Bonifikationen abgreifen.
"Das Zusammenzählen der Etappenergebnisse ist eine komplizierte Sache, war aber schon immer hier so. Oscar war auf der 1. Etappe 60., was natürlich kein guter Start war. Die letzten Tage waren dann besser, aber jetzt hat er Stephie Williams vor sich und sie werden auch morgen sicher eng beisammen ins Ziel kommen, so dass sich am Unterschied in der Platzierungssumme nicht viel ändert. Von daher müssen wir auf den Etappensieg und die Bonifikationen fahren", meinte Roberts am Willunga Hill.
Williams ist also gewarnt. Um die Tour Down Under zu gewinnen, reicht es am Sonntag nicht, einfach nur mit den Besten ins Ziel zu kommen. "Es wird eine harte, schwer zu kontrollierende Etappe. Alle sind noch sehr nah beisammen im GC, die Top 5 oder 6 sind innerhalb einer Handvoll Sekunden. Ich erwarte deshalb einen ziemlich stressigen Tag. Wir müssen auf der Hut sein. Schlussetappen sind immer schwer zu kontrollieren, wenn man führt. Aber die Jungs, die ich hier habe, sind sehr erfahren und haben Klasse. Wir werden alles geben, das Trikot zu verteidigen", kündigte der Mann in Ocker an.
Strong jedenfalls wird ihm am Sonntag sehr fehlen. Der Neuseeländer wäre eine sehr gute Karte gewesen, um der Konkurrenz an den Zwischensprints die Bonifikationen wegzunehmen.
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