RSNplusEvenepoel, Van Aert und Philipsen Siegkandidaten

Belgiens Dreierspitze für die WM: Fluch oder Segen?

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "Belgiens Dreierspitze für die WM: Fluch oder Segen?"
Belgiens Dreierspitze: Wout Van Aert, Remco Evenepoel und Jasper Philipsen (v.l.n.r) | Foto: Cor Vos

06.08.2023  |  (rsn) - Dass die Belgier bei Straßenweltmeisterschaften mit Doppelspitzen antreten, ist aufgrund der Großzahl an Klassefahrern nichts Ungewöhnliches. Doch ging diese Taktik in der Vergangenheit nicht immer so gut auf wie im Vorjahr, als Remco Evenepoel den Titel holte.

Bei der Heim-WM vor zwei Jahren etwa harmonierten die Belgier nicht wirklich und gingen am Ende leer aus. Bei der WM in Glasgow tritt man am Sonntag sogar mit einer Dreierspitze an, denn neben Titelverteidiger Evenepoel und Wout Van Aert wurde auch noch Jasper Philipsen und das neunköpfige Aufgebot berufen. Da stellt sich die Frage, ob drei Kapitäne für die Belgier eher Fluch oder Segen sein werden?

Für Ex-Weltmeister Tom Boonen ist die Antwort klar. Er geht davon aus, dass dies keine sinnvolle Auswahl gewesen sei. So hätte er entweder Van Aert oder Philipsen mitgenommen, nicht aber beide. Seine Begründung: Beide seien sich vom Fahrertyp her zu ähnlich.

___STEADY_PAYWALL___

"Sie haben es beide verdient, dabei zu sein. Das ist nicht die Frage. Aber es wird so taktisch eher schwierig. Die Aufgabe bei der Zusammenstellung des Kaders ist es, im Vorfeld Konflikte zu beseitigen. Und ich bin mir sicher, dass es diese Konflikte jetzt geben wird", sagte Boonen im Podcast Wielerclub Wattage.

Vor allem im Finale könnte es schwierig werden, vermutete der Ex-Profi. "Nimmt man zwei Fahrer mit demselben Profil, um das Finale zu fahren, dann wird es bestimmt zu Situationen kommen, die für einen von beiden nicht angenehm sein werden. Das will man einfach nicht. Wenn ein Sprinter den Zielstrich sieht, dann will er sprinten", erklärte Boonen, dass es zwischen Van Aert und Philipsen im Falle einer Sprintentscheidung zum Zwist kommen könnte.

Die Belgier bei der Streckenbesichtigung des WM-Kurses. Foto: Cor Vos

Die nominierten Fahrer spielten indes mögliche Schwierigkeiten bei der Findung der richtigen Taktik herunter. Van Aert betonte zwar gegenüber Het Laatste Nieuws, dass die WM ein Hauptziel von ihm sei und er nicht einfach nur mitrollen wolle. Aber die alleinige Kapitänsrolle oder zumindest die Bevorzugung gegenüber Philipsen forderte er nicht ein. "Es wird ein schwerer Kurs, auch sehr technisch. Es wird genügend Stellen geben, an denen man etwas probieren kann. Jasper ist superstark. Wir haben verschiedene Szenarien. Jasper muss einfach nur dranbleiben und am Ende dann sprinten. Für mich ist das nicht unbedingt schlecht", erklärte Van Aert, der so eine offensive Rolle bekommen könnte, da er eben nicht den Sprint-Backup geben muss, sollte die Karte Evenepoel nicht stechen.

Nach der Einschätzung von Van Aert, wird er sich also nicht mit Philipsen um die Rolle des Sprinters streiten. Dafür wird er aber schauen müssen, dass er und Evenepoel es taktisch clever spielen. Dies sah auch Evenepoel so. "Wir haben drei verschiedene Karten zu spielen. Wir müssen unsere Stärken gemeinsam nutzen. Ich denke, wir haben das stärkste Team", so Evenepoel.

Genau dort sieht aber auch Ex-Profi Jan Bakelants das Problem. "Wout sitzt jetzt zwischen den Stühlen. Er muss im Rennen früh attackieren, aber das fände ich respektlos gegenüber Evenepoel, schließlich ist er der amtierende Weltmeister. Evenepoel ist kein Fahrer mehr, dem man sagen kann: Du kannst es von Runde 5 bis 3 vor dem Ziel probieren, das ist dein Bereich. Er ist der beste belgische Fahrer, wenn er in der letzten Runde noch etwas probieren will, sollte niemand etwas dagegen sagen"; so Bakelants.

Bespricht Remco Evenepoel (li.) hier die WM-Taktik für das Straßenrennen? Foto: Cor Vos

Evenepoel sah dies jedoch nicht als Problem. "Wout und ich könnten die gleiche Herangehensweise haben. Wichtig ist, dass wir miteinander reden, uns gut absprechen", meinte der Titelverteidiger. Im Idealfall könne man alle drei Kapitäne in einer Spitzengruppe platzieren, so Evenepoels Hoffnung. "Wenn das Finale wieder früh beginnt, dann wäre das perfekt. Im Idealfall wären wir mit Wout, Jasper und mir vorne. So könnten wir ein ständiges Spiel spielen und abwechselnd attackieren. Und hätten dann vielleicht noch Jasper für den Sprint," fügte er an, dass er für sich nur wegen seiner Rolle als Titelverteidiger keinen Sonderstatus erwarte.

Auch Philipsen konnte die Kritik der Ex-Profis nicht nachvollziehen. "Mehr Kapitäne als die anderen zu haben, das ist unsere Stärke"; so der vierfache Etappensieger der Tour de France. Für sich selbst sieht er aber nur Außenseiterchancen. "Die Angreifer sind klar im Vorteil bei diesem Kurs. Ich brauche einen guten Tag, dann habe ich vielleicht eine kleine Chance", so Philipsen gegenüber RTBF. Seine Nominierung rechtfertigte er aber trotzdem. "Der Sprint wird wahrscheinlich meine einzige Chance auf einen Erfolg sein. Es ist keine Garantie, aber wir müssen und diese Option offen halten", sieht sich Philipsen als Back-Up.

Evenepoel indes kann sich für sich wieder eine frühe Attacke vorstellen, die ihm nicht nur im letzten Jahr den WM-Sieg einbrachte, sondern in der Vergangenheit auch Siege bei der Clasica San Sebastian und Lüttich-Bastogne-Lüttich. "Ein Solo ist immer möglich"; meinte er. Allerdings kann sich Evenepoel auch gut vorstellen, dass er von der Konkurrenz in Manndeckung genommen wird. "Dann werden meine beiden Teamkollegen wichtig. Gut, dass wir drei Trümpfe haben", so Evenepoel, der Van Aert bisher "eine sehr gute Saison" attestierte und über Philipsen mit einem Augenzwinkern sagte. "Er hat bei der Tour 1000 Etappen gewonnen."

Wichtig sei für ihn, dass der Titel in Belgien bleibe, wer als Erstes über den Zielstrich fahre, sei dabei egal. "Wenn Wout am Sonntag gewinnt und ich dafür am Freitag (im Einzelzeitfahren, d. Red.), wäre das für mich auch in Ordnung", sagte Evenepoel.

 

Mehr Informationen zu diesem Thema

11.11.2023Protest bei Straßen-WM: Keine Strafe für Klimaaktivisten

(rsn) – Drei der vier Klimaaktivisten, die sich im Verlauf des WM-Straßenrennens der Männer in Glasgow auf dem Asphalt festgeklebt und damit für eine Unterbrechung von rund einer Stunde gesorgt h

18.08.2023Schienbeinbruch: Narváez fällt länger aus

(rsn) - Jhonatan Narváez (Ineos Grenadiers) hat sich bei seinem Sturz im WM-Straßenrennen von Glasgow schwerer verletzt als angenommen. Wie der Ecuadorianische Radsportverband in den Sozialen Medien

14.08.2023Reusser fehlten in Glasgow fünf Sekunden zum Podium

(rsn) – Im WM-Zeitfahren noch war Marlen Reusser ein Häufchen Elend. Die Europameisterin in dieser Disziplin stieg nach bereits 16 Kilometern ohne ersichtlichen Grund vom Rad, kauerte sich an den S

14.08.2023UCI: Premiere der Super-WM von Glasgow “besser als erwartet“

(rsn) – Der Radsportweltverband UCI hat einen Tag nach dem Ende der ersten Super-WM (3. – 13. August) in Glasgow eine positive Bilanz gezogen. “ Für uns war es ein Erfolg, definitiv ein Glücks

14.08.2023Zweimal WM-Silber statt Gold: Oranje im Hintertreffen

(rsn) - Mit drei Fahrerinnen unter den besten Vier der Weltrangliste und fünf Titeln in den letzten sechs Jahren waren die Niederländerinnen im WM-Straßenrennen in Glasgow das zu schlagende Team. L

13.08.2023Highlight-Video des WM-Straßenrennens der Frauen

(rsn) – Lotte Kopecky hat sich als erste Belgierin seit 50 Jahren wieder den Titel in einem WM-Straßenrennen der Frauen gesichert. Die 27-Jährige setzte sich zum Abschluss der Rad-WM in Schottland

13.08.2023Lippert: “Irgendwann sind meine Beine explodiert“

(rsn) – Nach ihrer imponierenden Vorstellung bei der Tour de France Femmes, bei der sie einen Etappensieg feiern konnte, äußerte sich Liane Lippert vor der WM mit Blick auf das 154,1 Kilometer lan

13.08.2023Kopecky stürmt in Glasgow zu ihrem dritten WM-Gold

(rsn) – Nach 154 Kilometern Daueraction im WM-Straßenrennen der Frauen hat mit Lotte Kopecky erstmals seit 50 Jahren wieder eine Belgierin das Regenbogentrikot erobert. Die 27-Jährige erreichte na

13.08.2023Weltmeister Pidcock kritisiert ”Regeländerungs-Shit-Show“

(rsn) – Durch eine Regeländerung nur wenige Tage vor dem WM-Rennen im Mountainbike durften Mathieu van der Poel und Tom Pidcock am Samstag aus der fünften Reihe starten. Der Brite rückte durch de

13.08.2023Van der Poel nach MTB-Sturz sauer auf sich selbst

(rsn) – Während der neben ihm gestartete Tom Pidcock bei der der Mountainbike-WM in Schottland aus der fünften Reihe heraus zum Titel fuhr, war für Mathieu van der Poel das Rennen schon nach der

13.08.2023Dygert und Niewiadoma sagen für das WM-Straßenrennen ab

(rsn) – Ohne zwei prominente Namen wird am Mittag das WM-Straßenrennen der Frauen gestartet. Wie ihr Team Canyon – SRAM in den Sozialen Medien mitteilte, haben sowohl Zeitfahr-Weltmeisterin Chloe

13.08.2023Alles Oranje oder was?

(rsn) – Zum Abschluss der Straßenwettbewerbe der Rad-WM in Schottland steht das Straßenrennen der Frauen an. Der Kurs führt über insgesamt 154 Kilometer, gestartet wird in Loch Lomond, die Entsc

Weitere Radsportnachrichten

02.10.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker?In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wicht

02.10.2025Philipsen: “Fast wie eine Weltmeisterschaft der Sprinter“

(rsn) – Tim Merlier (Soudal – Quick-Step), Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck), Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Arnaud De Lie (Lotto) und Mads Pedersen (Lidl – Trek); die Zuschauer we

02.10.2025Leidert früh raus: Deutsche Mixed-Staffel kämpft sich auf Platz vier

(rsn) - Wie schon in der U19, so blieb bei den Straßen-Europameisterschaften auch in der Eliteklasse der deutschen Mixed-Staffel nur der vierte Rang. Während die Juniorinnen und Junioren Bronze um

02.10.2025Münsterland Giro im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Der Sparkassen Münsterland Giro (1.Pro) bildet fast schon traditionell den Abschluss der deutschen Straßensaison und wird auf jährlich wechselnden Strecken durch das Münsterland ausgetr

02.10.2025Frankreich gewinnt bei Heim-EM Gold in der Mixed-Staffel

(rsn) – In der dritten Entscheidung der Elite-Kategorie bei den diesjährigen Straßen-Europameisterschaften hat das französische Sextett die erste Goldmedaille für das Gastgeberland eingefahren.

02.10.2025Magnier baut makellose Bilanz aus, Heiduk Fünfter in Rijeka

(rsn) – Paul Magnier (Soudal – Quick-Step) hat auch auf der 3. Etappe des Cro Race (2.1) zugeschlagen und sich über 150,5 Kilometer von Gospic nach Rijeka den Tagessieg gesichert. Der 21-jährige

02.10.2025Deutsche U19 verpassen EM-Bronze in der Mixed-Staffel

(rsn) – Norwegen hat bei der Straßen-EM in Frankreich die Mixed-Staffel der U19 gewonnen. Das aus je drei Juniorinnen und Junioren bestehende Sextett entschied das Teamzeitfahren über 40 Kilometer

02.10.2025Mixed-Staffel bei der Straßen-EM: Startliste und Startzeiten

(rsn) – Nur sieben Mixed-Staffeln – immerhin aber eine mehr als 2024 - treten bei der Straßen-EM in Frankreich am Nachmittag im 40 Kilometer langen Teamzeitfahren der Elite an. Den Anfang macht u

02.10.2025Delbove holt sich am Fraser´s Hill Etappensieg und Gesamtführung

(rsn) – Mit seinem Sieg auf der Königsetappe der 29. Tour de Langkawi (2.Pro) hat Joris Delbove (TotalEnergies) die Führung im Gesamtklassement der Rundfahrt übernommen. Der 25-jährige Franzose

01.10.2025Walscheid & Co. mühen sich: “Wie ein Kleiderschrank im Wind“

(rsn) – Am Mittwoch ist der Startschuss für die Straßenrad-Europameisterschaften in Frankreich gefallen. Den Anfang machte das Einzelzeitfahren zwischen Loriol-sur-Drome und Étoile-sur-Rhone, in

01.10.2025Ferrand-Prevot sagt für Heim-EM ab und beendet Saison

(rsn) – Wenige Minuten nach seinem Start bei der Zeitfahr-EM gestikulierte der spätere Sieger Remco Evenepoel mit dem rechten Arm. Auf einen Defekt seiner Rennmaschine wollte der Belgier aber nicht

01.10.2025Straßen-EM 2026 findet in Pogacars Heimat statt

(rsn) – Wie die Union Européenne de Cyclisme (UEC) bestätigte, wird Slowenien die Straßen-Europameisterschaften 2026 ausrichten. Demnach soll die Hauptstadt Ljubljana vom 3. bis 7. Oktober Verans

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • EM - Straßenrennen Junioren (EC, FRA)
  • Grand Prix Chantal Biya (2.2, CMR)
  • Cor Race (2.1, CRO)
  • Sparkassen Münsterland Giro (1.Pro, GER)
  • Petronas Tour de Langkawi (2.Pro, MAS)
  • Radrennen Frauen

  • EM - Straßenrennen der U23 (EC, FRA)
  • EM - Straßenrennen der (EC, FRA)