Kommentar zum nächsten Zielfoto-Drama

Der Sport braucht immer einen Sieger! Oder nicht?

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Der Sport braucht immer einen Sieger! Oder nicht?"
Es war knapp, zu knapp: Beim GP Monseré hätte man gut und gerne Caleb Ewan (Lotto Dstny, links) und Gerben Thijssen (Intermarché - Circus - Wanty) beide zum Sieger erklären können. | Foto: Cor Vos

06.03.2023  |  (rsn) – Der Eine gibt das Sieger-Interview, der Andere wird zum Sieger erklärt – und selbst am Ende des Tages bleibt völlige Unklarheit: Die Sprintankunft beim belgischen Halbklassiker GP Monseré (1.1) in Roeselare hat einmal mehr gezeigt, dass Foto-Aufnahmen und selbst die unter dem Zielbogen angebrachten Kameras für die Zielfotos immer häufiger nicht zufriedenstellend klären können, welcher Fahrer gewonnen hat. "Tote Rennen" aber, also Wettkämpfe ohne Sieger beziehungsweise mit zwei Siegern, sieht das Reglement zwar vor, doch angewendet wird das so gut wie nie - warum eigentlich?

Für Caleb Ewan (Lotto Dstny) war es in dieser Saison bereits die zweite sehr bittere Jury-Entscheidung im Foto-Finish: Auf der 1. Etappe der UAE Tour unterlag er laut Zielkamera um wenige Millimeter dem Belgier Tim Merlier (Soudal Quick-Step). Beim GP Monseré nun musste er sich schließlich hinter Gerben Thijssen (Intermarché – Circus – Wanty) mit Rang zwei begnügen, nachdem er selbst bereits das Sieger-Interview hatte geben dürfen oder müssen.

Einige Stunden nach Rennende dann meldete sich der Australier noch zweimal mit unterschiedlichen Fotos auf Twitter zu Wort und schrieb dazu "Irgendwie denke ich, ich habe gewonnen!", sowie: "Hier ist noch eins. Wenn irgendwer ein Foto hat, das klar zeigt, dass big G (Gerben Thijssen) mich geschlagen hat, würde ich mich ehrlich gesagt etwas besser fühlen."

Auf beiden von vorne aufgenommenen Bildern scheint Ewans Vorderrad die schwarze Linie inmitten der weißen Kunststoffmatte auf dem Boden, die den Zielstrich sichtbar machen soll, eindeutig vor dem von Thijssen zu erreichen. Die von der Seite unter dem Zielbogen auf die Straße gerichtete Kamera aber, die für das offizielle Zielfoto der Jury verantwortlich ist, zeigt Thijssen vorne.

Das Problem hierbei ist, dass dieser Kamera die auf dem Boden liegende und für die Fahrer sichtbare Zielmatte, relativ egal ist. Entscheidend ist die Stelle, auf die die Zielkamera der Jury einige Stunden vor Rennende ausgerichtet wurde.

Schon beim Millimeter-Entscheid zwischen Tom Pidcock und Wout Van Aert beim Amstel Gold Race 2021, als der Brite auf den Zielfotos wie der Sieger aussah, der Belgier schließlich aber dazu erklärt wurde und Diskussionen um verschiedene Blickwinkel ausbrachen, wurde deutlich, dass die Technik im extrem engen, modernen Radsport bei ständig steigender Leistungsdichte und extrem knappen Sprint-Entscheidungen an ihre Grenzen stößt.

Die variierenden Aufnahmen vom Duell Ewan vs. Thijssen in Roeselare nun zeigen deutlich, dass sich doch eigentlich niemand wirklich hundertprozentig sicher sein kann, wer wirklich Erster geworden ist. Denn auch die Jury kann nicht mehr tun, als sich auf die Zielkamera zu verlassen – und läuft dabei Gefahr, einem minimalen Einstellungsfehler aufzusitzen, der die Perspektive um ein My verschiebt und dadurch das falsche Ergebnis auswerfen könnte. Selbst eine Transponder-Zeitmessung, sei sie auch noch so genau auf 0,00001 Sekunden – wenn das möglich wäre – bringt keine Abhilfe, da kein Transponder am äußersten Gummirand der Reifen montiert ist.

Das Problem ist: Genau wie die Technik, so stößt auch das System Leistungssport hier an seine Grenzen. Denn die Frage liegt auf der Hand: Muss es denn immer einen einzigen Sieger geben? Warum können es nicht in diesen extrem knappen Ausnahmesituationen auch mal zwei sein? Wem würde das schaden? Fragwürdige Entscheidungen zugunsten des Einen und gegen den Anderen jedenfalls schaden dem Sport in seiner Glaubwürdigkeit sicherlich viel mehr!

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