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27.03.2022 | (rsn) – Jubelnd wurde Sergio Higuita (Bora - hansgrohe) im Ziel von seinen Landsleuten mit Gesängen und Fahnen gefeiert, nachdem der Kolumbianer souverän am letzten Tag das Weiß-Grüne Trikot der 101. Katalonien-Rundfahrt verteidigt hatte. Mit 16 Sekunden Vorsprung gewann der Kletterspezialist nach sieben Etappen das spanische Traditionsrennen vor Olympiasieger Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) und 52 Sekunden vor dem Portugiesen Joao Almeida (UAE Team Emirates).
Die Schlussetappe über 138 Kilometer mit Start und Ziel in Barcelona entschied im Sprint einer rund 20-köpfigen Spitzengruppe der Italiener Andrea Bagioli (Quick-Step Alpha Vinyl) vor dem Ungarn Attila Valter (Groupama - FDJ) und dem Spanier Fernando Barcelo (Caja Rural) für sich. Higuita kam zeitgleich als Achter ins Ziel und sorgte damit in dieser Saison für den bereits zweiten Rundfahrtsieg von Bora - hansgrohe, nachdem Aleksandr Vlasov im Februar die Valencia-Rundfahrt gewonnen hatte.
"Ich bin so glücklich, denn es war auf diesem Rundkurs richtig schwer", strahlte der 24-Jährige nach seinem bislang größten Erfolg im Siegerinterview. "Wir haben eine schwere Arbeitswoche hinter uns gebracht. Ich wusste, dass die Attacken von überall kommen würden, von Carapaz, von Quintana. Wir haben das aber mit der Mannschaft gut in den Griff bekommen. Dieser Sieg ist etwas Besonderes für mich, denn ich habe noch nie eine Rundfahrt auf diesem (WorldTour-)Niveau gewonnen", so Higuita, der zugab, noch die lange Flucht vom Vortag in den Beinen zu spüren, als er mit Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) ein 120 Kilometer langes Solo hingelegt hatte und an die Spitze der Gesamtwertung gestürmt war.
Doch auch der nur 16 Sekunden zurückliegende Ecuadorianer musste dieser Glanztat wohl Tribut zollen, denn trotz aller Versuche konnte Carapaz den Mann in Weiß-Grün nicht mehr gefährden.
Bora und Higuita wehrten alle Attacken ab
In einem spannenden Finale kam es auf dem Rundkurs um den Olympiaberg Montjuic zum Ausscheidungsfahren, in dem Bora – hansgrohe alle Attacken der Konkurrenz abwehrte. Auch Almeidas Team UAE Emirates schaffte es nicht, den Kolumbianer ernsthaft an die Grenzen zu bringen. So kam es zum Sprintfinale einer größeren Gruppe, die sich erst einen Kilometer vor Schluss gebildet hatte. Aus ihr heraus spurtete Bagioli zu seinem ersten Saisonsieg.
"Es war etwas verrückt, ich war am letzten Anstieg etwas zurückgefallen, als Almeida seine superstarke Attacke setzte. Doch in der Abfahrt konnten wir einen Kilometer vor Schluss wieder aufschließen und ich meine Karten im Sprint ausspielen", freute sich Bagioli, der drei Kilometer vor dem Ziel sicher nicht mehr an den Erfolg geglaubt hatte, als er sich in der zweiten Gruppe befand. Da sich die Top-Favoriten aber kurz neutralisierten, konnte er mit seinen Verfolgern wieder aufschließen.
Higuita sicherte sich in Barcelona nicht nur die Gesamtwertung, sondern entschied auch die Berg- sowie die Nachwuchswertung für sich. Der Australier Kaden Groves (BikeExchange - Jayco) setzte sich in der Punktewertung durch, Bahrain Victorious wurde als bestes Team ausgezeichnet.
So lief das Rennen:
Einen herben Verlust musste Bahrain Victorious schon früh in der Etappe hinnehmen. Wout Poels, der vor dem Schlusstag auf dem 6. Gesamtrang gelegen hatte, gab das Rennen auf.
Wie erwartet hatte die Etappe hektisch begonnen. Es dauerte, bis sich eine 12 Mann starke und prominent besetzte Gruppe gebildet hatte. Ihr gehörten an: Dylan Teuns (Bahrain Victorious), Sebastien Reichenbach, Michael Storer, Quentin Pacher (alle Groupama - FDJ), Steven Kruijswijk (Jumbo – Visma), Marc Soler (UAE Team Emirates), Giulio Ciccone, Antwan Tolhoek (beide Trek - Segafredo), Jesus Herrada (Cofidis), Henri Vandenabeele (DSM), Louis Meintjes (Intermarché - Wanty - Gobert Matériaux) und Dries Devenyns (Quick-Step Alpha Vinyl) an. Maximal 1:10 Minuten Vorsprung wurden ihnen vom Hauptfeld zugestanden, das von Higuitas Bora – hansgrohe und einem Profi vom Team Uno X angeführt wurde.
Das Guthaben der Ausreißer schmolz schnell, als 50 Kilometer vor Schluss der Rundkurs in Barcelona erreicht wurde, der fünfmal zu absolvieren war. Schon während der ersten Passage des sechsmal zu bewältigenden Anstiegs hoch zum Olympiaberg Montjuic betrug der Vorsprung nur noch 40 Sekunden. Kruijswijk und Pacher sprengten in der Abfahrt das Dutzend. Bei der ersten Zieldurchfahrt hatte das Duo seinen Vorsprung auf 51 Sekunden ausgebaut.
Hinter ihnen setzte sich nun Almeidas Team an die Spitze, das in einem höllischen Tempo nachführte, während Ben Zwiehoff und Jai Hindley ihren Bora-Kapitän Higuita eskortierten. Doch schon bei der dritten Überfahrt des 2,5 Kilometer langen und in den letzten 900 Metern 10 Prozent steilen Anstieges hatte UAE seine Kräfte schon verbraucht und lediglich Almeida und Juan Ayuso konnten weiter mithalten, während die restliche Ausreißergruppe nach und nach aufgesogen wurde. Der Vorsprung von Kruijswijk und Pacher reduzierte sich nun wegen der aus dem Favoritenfeld vorgetragenen Attacken, die Hindley und Higuita aber gut konterten.
Trotzdem konnten sich erneut Devenyns mit Simon Clarke (Isreal - Premier Tech), Iker Lazkano (Movistar) und Joe Dombrowski (Astana) absetzen. Das Quartett war aber für das Weiße-Grüne Trikot nicht gefährlich und wurde auch schnell wieder gestellt.
Bis dahin hatten sich Ineos mit dem Zweitplatzierten Carapaz noch zurückgehalten. Aber in der drittletzten Runden erhöhten die Briten mit Castroviejo das Tempo. Als der Spanier nicht mehr konnte, setzte sich Carlos Rodriguez mit seinem Kapitän Carapaz an die Spitze der Verfolger. Bergauf sah das gut aus, aber bergab konnte Carapaz wie schon am Tag davor nicht ganz folgen, so dass die Führung von Higuita nicht in Gefahr geriet. Der Vorsprung von Kruijswijk und Pacher bleib bei 20 Sekunden.
Im vorletzten Montjuic-Anstieg spannte Carapaz das erste Mal seine Muskeln. Doch Higuita ließ sich nicht überraschen und blieb weiter wie eine Klette am Hinterrad des Ecuadorianers. Der Tempoverschärfung konnten die beiden bislang Führenden nichts mehr entgegensetzen und es bildete ich um das Weiß-Grüne Trikot eine elfköpfige Spitzengruppe, in der der Norweger Tobias Halland Johannessen (Uno X) sehr stark aussah.
Aber in einer Welle oben am Olympiastadion überraschte Santiago Buitrago (Bahrain Victorious) die Anwärter auf einen Etappensieg und bog mit acht Sekunden Vorsprung in die letzte Runde ein. Hinter ihm kontrollierte Hindley für Higuita (mit Carapaz am Hinterrad) die Nachführarbeit.
In der letzten Steigung hoch zum Montjuic holte Hindley persönlich seinen Landsmann Buitrago wieder zurück. In einem letzten Versuch ging Ayuso mit Almeida in die Attacke, aber Higuita ließ sich erneut nicht abschütteln, während Carapaz zurückfiel. Ben O'Connor (AG2R Citroen) und Johannessen dagegen hielten mit. In einer kurzen Abfahrt schloss Carapaz wieder auf. Auch der Gesamtvierte Nairo Quintana (Arkéa- Samsic) war am Stadion wieder dabei. Da sich die Sieganwärter zu lange belauerten, schloss die nächste Verfolgergruppe wieder auf und Bagioli raste wie aus dem Nichts heraus zum Sieg.
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