Geschke Zehnter beim Fleche Wallonne

Hirschi lässt es an der brutalen Mur spielend leicht aussehen

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Hirschi lässt es an der brutalen Mur spielend leicht aussehen"
Marc Hirschi (Sunweb) gewinnt den Fleche Wallonne 2020. | Foto: Cor Vos

30.09.2020  |  (rsn) - Kraft für eine beeindruckende Siegerpose hatte Marc Hirschi (Sunweb) oben auf der Mur de Huy nicht mehr. Ein beherzter Schlag in die Luft mit der Faust musste genügen. Doch abgesehen davon wirkte der Schweizer im Ziel des Flèche Wallonne fast schon entspannt.

Souverän wie sonst nur der 18 Jahre ältere Rekordsieger Alejandro Valverde, der diesmal fehlte, war der 22-Jährige die Mur immer ideal positioniert hinaufgefahren, um dann Ruhe zu bewahren und so lange wie möglich mit dem eigenen Antritt zu warten. Erst 75 Meter vor dem Ziel gab Hirschi Vollgas und zog zum Sieg durch - ohne Benoit Cosnefroy (Ag2r La Mondiale) und Michael Woods (EF Pro Cycling), die Zweiter und Dritter wurden, eine Chance zu lassen.

"Es war brutal. Man ist schon so voll Laktat, und dann geht es viel um den Kopf. Man muss mental stark sein, um durch den Schmerz zu kommen und hier zu gewinnen", sagte Hirschi anschließend im Sieger-Interview, nachdem er vorher fast locker ausgesehen hatte, als er mit seinen Betreuern hinter der Ziellinie stand und den Sieg bejubelte.

"Es lief heute perfekt für uns: eine kleine Ausreißergruppe mit nur vier Mann und mein Team hat einen super Job gemacht - zwei sind im Wind gefahren, um das Rennen zu kontrollieren. Auf der letzten Runde war es dann so schnell, dass die Gruppe wie von selbst zurückkam, und im Schlussanstieg ging es um die Beine."

Und die hatte Hirschi drei Tage nach seinem dritten Platz im WM-Straßenrennen von Imola definitiv. Während Weltmeister Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) auf seine Titelverteidigung in Huy verzichtet hatte, um sich zu erholen, war bei Hirschi von Müdigkeit nichts zu sehen. "Glücklicherweise hatte ich gute Beine. Aber ich glaube, wir haben heute auch keinen Fehler gemacht. Ich war immer in einer guten Position", bilanzierte der Mann, der als erster Schweizer seit Ferdi Kübler im Jahr 1952 den Flèche Wallonne gewonnen hat.

Konrad und Geschke fahren in Huy in die Top Ten

Nun ist er auch für Lüttich-Bastogne-Lüttich am Sonntag einer der Top-Favoriten. "Was jetzt noch kommt, ist ein Bonus. Ich werde das erstmal genießen und mich erholen. Dann schauen wir, was am Sonntag passiert", gab sich Hirschi zurückhaltend, um dann aber auch zu versprechen: "Natürlich will ich das Meiste aus meiner aktuellen Form herausholen." Und die ist überragend.

Stark präsentierten sich in Huy auch der Österreicher Patrick Konrad (Bora - hansgrohe) und der Deutsche Simon Geschke (CCC), die im steilen Anstieg an der Mur die ganze Zeit ähnlich gut positioniert waren, wie Hirschi und nur am Ende etwas Federn lassen mussten, trotzdem aber als Siebter (Konrad) und Zehnter (Geschke) Spitzenresultate einfuhren.

So lief das Rennen:

Schon kurz nach dem Start bildete sich eine vierköpfige Ausreißergruppe mit Mauri Vansevenant (Deceuninck - Quick-Step), Aaren Van Poucke (Sport Vlaanderen - Baloise), Mathijs Paasschens (Bingoal - Wallonie Bruxelles) und Marlon Gaillard (Total Direct Energie). Das Quartett fuhr in der ersten Rennstunde fast zehn Minuten Vorsprung heraus, bevor im Hauptfeld die Teams Sunweb, Ineos Grenadiers und UAE Team Emirates zaghaft mit der Nachführarbeit begannen.

Als der Abstand dann in der zweiten Rennhälfte wieder unter fünf Minuten fiel, setzten sich aus dem Feld Alessandro De Marchi (CCC) und Ide Schelling (Bora - hansgrohe) ab, um die Verfolgung der Spitzengruppe aufzunehmen. Die Beiden kamen aber nie zur Spitze nach vorne, und gut 30 Kilometer vor dem Ziel wurde Schelling bei der vorletzten Passage der Mur de Huy vom Hauptfeld eingeholt. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich Vansevenant und Paasschens von ihren beiden Begleitern abgesetzt, lagen aber auch nur noch 1:40 Minuten vor De Marchi und 2:05 Minuten vor dem Peloton, das auch den Italiener bald einholte.

Vansevenant beeindruckt als Ausreißer des Tages

20 Kilometer vor dem Ziel ließ Vansevenant schließlich an der Cote d'Ereffe auch Paaschens stehen und setzte zum Solo an - genau wie knapp anderthalb Minuten dahinter Rui Costa (UAE Team Emirates), der aus dem Hauptfeld heraus attackierte und 16 Kilometer vor dem Ziel an Paaschens vorbeifuhr. Das Feld aber folgte ihm kurz darauf und holte beide 15 Kilometer vor dem Ziel wieder zurück. Nun war nur noch Vansevenant mit 50 Sekunden Vorsprung allein an der Spitze.

Zehn Kilometer vor dem Ziel attackierte am Fuß der Cote du Chemin des Gueuses dann Rigoberto Uran (EF Pro Cycling) aus dem Feld heraus, wo daraufhin Ag2r und UAE Team Emirates die Führungsarbeit übernahmen. Vansevenant erreichte den letzten Bergpreis 15 Sekunden vor Uran sowie 40 Sekunden vor dem Feld und strich noch einmal 250 Euro ein, bevor es in die Abfahrt hinunter an die Maas und in Richtung Huy ging.

Dort ging der 21-jährige Belgier volles Risiko und landete schließlich fünf Kilometer vor dem Ziel im Gebüsch. Sofort sprang Vansevenant wieder auf und mit Hilfe des neutralen Materialmotorrads auch wieder auf seine glücklicherweise unbeschädigte Rennmaschine. Unten an der Maas angekommen holte ihn dann Uran ein, doch das Hauptfeld lag nun nur noch wenige Sekunden hinter den beiden Spitzenreitern zurück. Im Zielort Huy kam es 1.200 Meter vor dem Ziel dann zum Zusammenschluss, so dass alles fürs finale Kräftemessen an der Mur bereitet war.

Hirschi mit perfekter Positionierung und Geduld an der Mur

Dort bestimmte zunächst Ex-Weltmeister Michal Kwiatkowski (Ineos Grenadiers) das Tempo, während sich hinter ihm Hirschi, Woods, Konrad, Geschke und Co. in Position brachten. An der steilsten Rampe mit mehr als 20 Steigungsprozenten schob sich dann Richie Porte (Trek - Segafredo) an die Spitze und führte bis 250 Meter vor Schluss mit Hirschi und Tour de France-Sieger Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) direkt am Hinterrad.

Als dann Woods an der 200-Meter-Marke beschleunigte, konnten Porte und Pogacar nicht mehr antworten, aber Hirschi reagierte sofort und folgte dem Kanadier, um 75 Meter vor dem Zielstrich schließlich an ihm vorbeizuziehen und souverän zu gewinnen.

Mehr Informationen zu diesem Thema

22.04.2022Nur drei Profis schafften bisher das Ardennen-Triple

(rsn) - Es ist ein ganz besonderes Kunststück, das bislang nur drei Menschen gelungen ist, zwei Männern und einer Frau: Davide Rebellin (2004), Philippe Gilbert (2011) und Anna van der Breggen (2017

01.10.2020Highlight-Video des Flèche Wallonne der Frauen

(rsn) - Anna van der Breggen (Boels - Dolmans) ist ihrer Favoritenrolle gerecht geworden und hat zum sechsten Mal in ihrer Karriere die Mur de Huy erobert. Die 30-jährige Niederländerin gewann vier

01.10.2020Highlight-Video des 84. Flèche Wallonne

(rsn) - Marc Hirschi (Sunweb) hat als erster Schweizer seit Ferdi Kübler im Jahr 1952 den Fleche Wallonne gewonnen. Der 22-Jährige aus Bern setzte sich drei Tage nach seinem dritten Platz im WM-Stra

30.09.2020Mur de van der Breggen: Die Weltmeisterin setzt noch einen drauf

(rsn) - Am Dienstag hatte sie auf einer Pressekonferenz ihres Teams in Maastricht gesagt, dass ihr die einzelnen Siege und ihre Geschichten wichtiger seien, als Rekordlisten. Tagsdrauf schrieb Anna va

30.09.2020Hirschi ist an der Mur de Huy der Stärkste

(rsn) - Marc Hirschi (Sunweb) hat als erster Schweizer seit Ferdi Kübler im Jahr 1952 den Fleche Wallonne gewonnen. Der 22-Jährige setzte sich drei Tage nach seinem dritten Platz im WM-Straßenrenne

30.09.2020Vorschau auf die Rennen des Tages / 30. September

(rsn) - Welche Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus und wer sind die Favoriten? radsport-news.com gibt Ihnen kurz und kompakt eine tägliche Vorschau auf die wichti

29.09.2020Ohne Alaphilippe und Valverde eine offene Herbstpremiere

(rsn) – Sonst zwischen Amstel Gold Race und Lüttich–Bastogne–Lüttich ausgetragen, bildet der Flèche Wallonne am Mittwoch den Auftakt des Ardennen-Triples. Drei Tage nach der WM müssen die HÃ

29.09.2020Lotto Soudal ohne Ewan und Kluge zum Giro

(rsn) - Ohne sein erfolgreiches Sprintduo Caleb Ewan und Roger Kluge wird Lotto Soudal am Samstag zum 103. Giro d’Italia auf Sizilien antreten. Der australische Sprinter und sein deutscher Anfahrer

28.09.2020Titelverteidiger Alaphilippe verzichtet auf den Flèche Wallonne

(rsn) - Nach seinem WM-Triumph von Imola deutete Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) bereits am Sonntagabend gegenüber dem französischen Radiosender RMC an, dass er auf seinen Start beim F

24.09.2020Das Tour-Podium gibt sich beim Fléche Wallonne die Ehre

(rsn) - Die Organisatoren des Flèche Wallonne können am 30. September das Podium der 107. Tour de France begrüßen. Sowohl Gesamtsieger Tadej Pogacar (UAE - Team Emirates) als auch der zweitplatzie

22.04.2020Video-Rückblick: Alaphilippe an der Mur wieder der Stärkste

(rsn) - Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) war auch 2019 beim Wallonischen Pfeil nicht zu schlagen. Bei der letztjährigen Austragung des kleinsten der drei Ardennenklassikers setze sich der

22.04.2020An der Mur de Huy schlug 2008 Kirchens große Stunde

(rsn) - Im Radsport hat das kleine Luxemburg eine beeindruckende Bilanz vorzuweisen. Mit Francois Faber, Nicolas Frantz, Charly Gaul oder Andy Schleck stellt das Großherzogtum sogar vier Gesamtsieger

Weitere Radsportnachrichten

20.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die

20.05.2024Weitere Einschränkungen für die 16. Giro-Etappe drohen

(rsn) – Bereits in der vergangenen Woche wurde der Streckenverlauf der über den Stelvio führenden 16. Giro-Etappe entschärft. Wegen Lawinengefahr nahm RCS Sport die Überquerung des 2.757 Meter

20.05.2024Algerien: Peschges wird auf neutralisierter Etappe Dritter

(rsn) - Marcel Peschges hat dem Team Embrace The World auf der 9. Etappe der Algerien-Rundfahrt (2.2) die nächste Podiumsplatzierung beschert. Der 27-Jährige sprintete Peschges in Annaba hinter dem

20.05.2024Müller sprintet bei Paris-Troyes aufs Podium

(rsn) – Tobias Müller (rad-net Oßwald) hat bei Paris – Troyes (1.2) sein erstes UCI-Podium der Saison eingefahren. Der 20-Jährige musste sich in Troyes nach 180 Kilometern im Sprint nur dem Au

20.05.2024Die Tour im Blick: Hält sich Pogacar in dritter Giro-Woche zurück?

(rsn) – Spätestens seit seiner Vorstellung auf der Königsetappe des 107. Giro d’Italia bestehen keinerlei Zweifel mehr daran, dass nur noch ein Sturz oder eine Krankheit den Gesamtsieg von Tadej

20.05.2024Umbrailpass zu Beginn, steile Rampe zum Schluss

(rsn / ProCycling) – Nachdem sich die Teilnehmer des Giro am Vortag etwas Ruhe gönnen konnten, geht es auf der 16. Etappe mit aller Härte weiter. Die Fahrer werden mit gnadenloser Berggewalt konf

20.05.2024Nur Groenewegen in Tongeren schneller als Ballerstedt

(rsn) – Maurice Ballerstedt (Alpecin – Deceuninck) hat bei der Ronde van Limburg (1.1) nur knapp seinen ersten Profisieg verpasst. Der 23-jährige Berliner musste sich bei dem belgischen Eintagesr

20.05.2024Weniger Stürze mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz?

(rsn) - Der Radsport wird technologisch immer ambitionierter. Das betrifft etwa die Materialentwicklung. Fünf Ingenieure sitzen etwa bei Colnago ganzjährig daran, die Arbeitsgeräte von Tadej Pogaca

20.05.2024Bora - hansgrohe: In der dritten Giro-Woche alle für Martinez

(rsn) – Bisher läuft der 107. Giro d´Italia für Daniel Felipe Martinez (Bora – hansgrohe) voll nach Plan. Der Neuzugang aus Kolumbien hat sich bei der ersten Grand Tour des Jahres voll auf die

20.05.2024Quinn und Faulkner gewinnen US-Meisterschaften im Straßenrennen

(rsn) - Gianni Vermeersch (Alpecin – Deceuninck) hat sich bei einem Sturz im Verlauf des Port Epic eine Fraktur des Ellenbogens zugezogen, wie sein Team auf der Plattform X mitteilte. Der Belgier mu

20.05.2024Vollering will nach “großartigem Mai“ ihre Form weiter verbessern

(rsn) – Nachdem sie lange auf ihren ersten Saisonsieg hatte warten müssen, ist bei Demi Vollering (SD Worx – Protime) in Spanien der Knoten geplatzt. Innerhalb von gerade mal drei Wochen entschie

20.05.2024Mattheis: Nach acht Jahren Pause ein spätes Comeback

(rsn) – Sonderlich viele Kontinental-Jahre hat Oliver Mattheis (Bike Aid) noch nicht auf dem Buckel. Dies liegt auch daran, dass der heute 29-Jährige seine aktive Radsportkarriere in seiner zweiten

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)