Seligs Sibiu-Tagebuch

Wir stehen hier im Fokus

Von Rüdiger Selig

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Rüdiger Selig (Bora - hansgrohe) | Foto: BORA - hansgrohe / Bettiniphoto

22.07.2020  |  (rsn) – Seit der UAE Tour Ende Februar bin ich keine Rennen mehr gefahren. Seitdem habe ich in Bregenz mit Pascal Ackermann und Michael Schwarzmann trainiert und versucht, das beste rauszuholen. Das war erst gar nicht so einfach, denn anfangs stand ja noch gar nicht fest, ob wir 2020 überhaupt noch mal Rennen fahren würden.

So ging es erst einmal darum, bestmöglich die Zeit rumzubringen. Letztlich haben wir uns aber immer gut motivieren können. Und wir haben Zeit gefunden, auch mal andere Dinge zu tun. Schwarzi und ich haben viel mit Holz gebaut, Tische, Bänke, TV-Board mit Schwemmholz vom Bodensee. Außerdem war mehr Zeit für Familie und Freunde und man konnte das Leben jenseits des Radsports etwas genießen.

Als feststand, dass wir im Ötztal ein Teamtrainingslager abhalten würden, haben wir vorher richtig gut trainiert. Zuvor machten wir alle einen Corona-Test und im Trainingslager selbst hieß es Abstand halten und in einer Blase leben und keinen Kontakt zur Außenwelt haben. Wir konnten dort zweieinhalb Wochen sehr ordentlich trainieren und haben alle gemerkt, dass wir fit sind.

Gestern sind wir schließlich nach Sibiu angereist. Am Flughafen herrschte Maskenpflicht, aber das ist ja nichts mehr Außergewöhnliches. Im Hotel mussten wir dann Temperatur messen, aber es läuft eigentlich recht normal ab bisher. Man muss halt auf den Abstand achten und Maske tragen.

Wir haben zudem eine spezielle Einweisung bekommen, wie wir uns im Umgang mit Fans verhalten sollen. Autogramme sollen wir mit eigenen Stiften schreiben, Fotos nur mit Maske machen. Als erstes größeres Event stehen wir hier schon im Fokus, entsprechend ist es wichtig, sich auch an die Vorgaben zu halten. Die Start- und Zielbereiche sollen aber immerhin ohne Zuschauer sein, zu den Bussen dürfen die Fans aber wohl kommen.

Wir sind auf das Rennen mega heiß und gespannt wie es läuft. Durch die Absage einiger Teams wird es für uns auf der einen Seite leichter, aber es herrscht auch ein gewisser Druck, da wir hier das große Team sind. Wir müssen das Heft in die Hand nehmen, viel arbeiten und mit sechs Mann ist das nicht immer ganz so einfach, zumal die anderen Teams uns sicher attackieren wollen.

Zum Rennluft schnuppern ist die Rundfahrt sicher gut, aber es wird sicher auch chaotisch werden. Der Vorteil, den wir sonst gegenüber kleineren Teams hatten, dass wir viele Rennen, auch harte Rennen in Belgien, in den Beinen hatten und ein gutes Standgas haben, fehlt. Wir kommen jetzt alle aus einer langen Trainingsphase und 80 Prozent des Feldes hatten in etwa die gleichen Bedingungen gehabt.

Am Donnerstag startet die Rundfahrt mit einem Prolog. 2,5 Kilometer mit gefühlt 100 Kurven. Das wird sehr spannend, eventuell soll es regnen. Man muss schauen, wie viel Risiko man da letztlich geht. Stürzt man, dann war es das vielleicht schon mit der Saison. Fährt man mit angezogener Handbremse und landet am Ende des Klassements, kann es aber auch schnell peinlich werden.

Morgen früh fahren wir die Strecke ab, heute haben wir uns schon die Sprintetappe vom Freitag angeschaut. Die Straßen sind in gutem Zustand, aufpassen muss man mit Hunden, die über die Strecke laufen. Das könnte es gefährlich machen.

Liebe Grüße

Euer Rudi

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