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09.04.2020 | (rsn) - Seit 2014 ist Florian Monreal Teamchef des Koblenzer Rennstalls Lotto - Kern Haus. In einem vierteiligen Interview mit radsport-news.com spricht Monreal darüber, wie man ein Kontinental-Team führt. Im zweiten Teil blickt Monreal auf das turbulente erste Jahr sowie die kontinuierliche Entwicklung des Teams zurück und erklärt, wie sich der Rennkalender zusammensetzt.
Sie sind zu Beginn der Teamgeschichte ja selbst noch gefahren. Das muss eine große Zusatzbelastung gewesen sein…Und wie schwierig war es auch, als Chef auch noch Teamkollege zu sein?
Monreal: Das war schon schwierig. Dummerweise hatte ich mir beim ersten Teamtreffen beim gemeinsamen Sport in der Halle das Kreuzband gerissen und den Tibiaknochen gebrochen. Ich musste also mehrere Wochen pausieren, bin mit wenig Trainingskilometern zu den Rennen. Wenn du dann als einer der ersten aussteigen musst, dann kannst du natürlich keinen Fahrer für seine Leistungen kritisieren. Erschwerend kam hinzu, dass ich mit einigen Fahrern im Team gut befreundet war. Die Trennung Mannschaftskollege und Chef war so nicht wirklich möglich und auch deshalb habe ich mich dann auch 2015 dazu entschlossen, mich voll auf die Managementrolle zu konzentrieren.
Mit welcher sportlichen Erwartungshaltung sind Sie in das erste Jahr gestartet?
Monreal: Wie bereits erwähnt, waren diese erst einmal gering, da das Team so kurzfristig ins Leben gerufen worden war. Es lief teilweise schon sehr chaotisch ab. Ich erinnere mich noch an unseren ersten Renneinsatz, den wir bei der Mallorca Challenge hatten. Die Einladung für dort hatten wir sehr kurzfristig bekommen. Wir sind dann mit einem einzigen Auto – einem 3er BMW noch mit dem Sponsoring vom Team Schwalbe Trier - nach Spanien gefahren und haben uns vor Ort noch einen Bus gemietet. Uns wurde der allerletzte Parkplatz in der Straße zugewiesen. Wir standen da mit dem 3er-BMW und nebendran die ganzen WorldTour-Teams mit ihren großen Reisebussen. Da fühlte man sich wie ein Grundschüler unter lauter Abiturienten. Zum Reinigen der Räder hatten wir zwar einen Eimer und einen Schwamm dabei, aber dummerweise nicht an den Schlauch gedacht… Leider sind unsere Trikots erst sehr knapp vor dem Rennen fertig geworden und wurden dann dummerweise nach Köln und nicht nach Mallorca geliefert. Also mussten wir am ersten Renntag mit Trikots von Max Hürzeler fahren, der vor Ort einen großen Bikeshop mit Radverleih hat.
Welche Lehren haben Sie als Teamchef aus der Debütsaison gezogen?
Monreal: Ich habe im ersten Jahr gar nicht so sehr an die negativen Dinge gedacht. Dass man zum Beispiel bei den Autos immer ein Reserverad haben sollte. Die meisten Autos haben so etwas ja heutzutage kaum mehr. Wir standen einmal nachts mehrere Stunden auf der Autobahn, da wir einen Platten hatten, und warteten auf den belgischen ADAC. Seitdem wird bei jeder Autobestellung ein Ersatzrad extra mitbestellt, dazu haben wir alle Fahrzeuge mit entsprechenden Hilfsutensilien ausgestattet. Man darf aber auch nicht vergessen, dass wir schon im ersten Jahr ein paar Erfolge hatte. So wurde Daniel Westmattelmann bei der Zeitfahr-DM in Baunatal beim Sieg von Tony Martin Vierter und saß dort für längere Zeit als Spitzenreiter auf dem heißen Stuhl.
Hatten Sie damals schon einen langfristigen Plan für das Team oder war es im ersten Jahr mal ein: mal schauen, worauf es hinausläuft?
Monreal: Im ersten Jahr haben wir erst einmal versucht, so gut wie möglich reinzukommen. Wir hatten viele Fürsprecher, die uns unterstützt haben. Im Sommer 2014 haben wir uns dann zum Ziel gesetzt, 2015 das beste KT-Team in Deutschland zu werden. Entsprechend haben wir den Kader umgekrempelt. Ich hatte mir diesmal Wunschfahrer rausgesucht und praktisch auch alle bekommen. Wir haben Max Walscheid und Bergfahrer Fred Dombrowski von Stölting geholt, dazu kamen Chris Hatz und U23-Crossmeister Felix Drumm vom Team Bergstraße, Tobi Knaup, Dario Raps, Andreas Fließgarten, Richard Weinzheimer und Joshua Huppertz, der im Jahr zuvor bei uns als Stagiaire gefahren war. Im April kam dann schließlich auch noch Marcel Meisen hinzu. Wir waren ein sehr kompaktes Team. In diesem Jahr haben wir uns noch nicht so sehr auf die Rad-Bundesliga konzentriert, sondern mehr auf UCI-Rennen. Nach Punkten waren wir am Ende des Jahres auch das erfolgreichste Team. Das Ziel war erreicht.
Und es gab auch den ersten UCI-Sieg...
Monreal: Genau, den fuhr Max Walscheid bei der Tour de Berlin ein, danach holte Marcel Meisen Siege bei der Tour de Gironde und bei der Oberösterreich-Rundfahrt, Max siegte dann noch in Susteren. Ein echtes Highlight für uns war aber die Teilnahme an der zehntägigen Portugal-Rundfahrt. Über das, was wir dort erlebt haben, hätte man ein ganzes Buch schreiben können. Auf der Hinfahrt hatten wir mit einem Auto einen geplatzten Reifen und standen auf der Autobahn. Bei einem Fahrzeug vergaßen wir, die Handbremse zu ziehen und es rollte gegen eine Steinmauer. Wir bekamen schließlich ein Leihfahrzeug, aber auf das fuhr uns rückwärts noch der Bus von Caja Rural drauf. Da die Leihfirma uns das Auto zudem noch einen Tag zu wenig zur Verfügung gestellt hatte, wurden wir sogar polizeilich gesucht. Hinzu kam, dass sich unser Physiotherapeut den Bizeps riss und Max Walscheid auf einer Abfahrt von einer Bergankunft im Teamfahrzeug sitzend die Tür aufmachte, um etwas frische Luft zu bekommen. Dabei erwischte er allerdings einen Hobbyfahrer, der die Abfahrt mit dem Rad in Angriff nahm und der dann einen Abhang runter stürzte. Zum Glück ohne schlimmere Verletzungen.
Wie ist das Team über die Jahre gewachsen? An welchen Stellschrauben haben Sie administrativ schrauben müssen?
Monreal: In den sieben Jahren sind wir natürlich immer professioneller geworden. Bei unserem ersten Radsponsor Kuota hatten wir drei unterschiedliche Rahmentypen in unterschiedlichen Farben, die Fahrer hatten unterschiedliche Sättel und Sattelstützen. Dazu hatten wir keinen richtigen Laufradsponsor. Als wir 2017 auf Müsing gewechselt sind, hatten alle Fahrer erstmals komplett das gleiche Rad inklusive der gleichen Lenkerbänder. Gerade im materiellen Bereich haben wir uns sehr verbessert, das Sponsoring bei den Shimano Komponenten wurde besser, was sich dann beim Wechsel zu Simplon 2018 nochmals steigerte. Aktuell haben unsere Fahrer zwei Räder, ein Trainingsrad, das sie als Ersatzrad zu den Rennen mitbringen müssen und das “Rennrad“, das sie im Rennen fahren und das beim Team bleibt und von uns gewartet wird. Das Ziel für 2021 ist, dass jeder Fahrer drei Räder hat. So muss er dann nicht mehr sein Trainingsrad mit zu den Rennen bringen, was die An- und Abreise deutlich vereinfachen wird. Insgesamt sind wir, ohne angeben zu wollen, vom Material her praktisch auf WorldTour-Niveau. Da kann man eigentlich nicht mehr wirklich zulegen. Wir haben ein super Rad, das aerodynamisch und steif zugleich ist. Wir setzen schon seit zwei Jahren auf Tubeless Reifen, weil dadurch der Rollwiderstand geringer ist. Ein großer Schritt war noch das Engagement von Christian Henn 2016. Er kam als Sportlicher Leiter mit jeder Menge Erfahrung aus der WorldTour. Er konnte das Team bei den Rennen nochmals ganz anderes begleiten als ich, da mir einfach die Erfahrung der großen Rennen fehlte. Mit Frank Huppertz haben wir zudem noch einen Mentaltrainer im Team, zuletzt verstärkte Andreas Stauff die Sportliche Leitung, der mir sehr viele Aufgaben abnimmt. Von Anfang an hatten wir aber auch schon Leistungsdiagnostik für die Fahrer und einen Aerotest. Außerdem hatten alle Fahrer in den ersten drei Jahren SRM-Geräte. Durch die Shimano-Kooperation sind wir Stages gefahren und rüsten jetzt peu a peu auf den Shimano-Leistungsmesser um.
Ist das Aushandeln guter Sponsoren-Verträge über die Jahre durch die erfolgreichen sportlichen Leistungen leichter geworden?
Monreal: Der sportliche Erfolg hilft natürlich. Was ich aber gemerkt habe, ist, dass den Sponsoren ein professionelles Auftreten wichtig ist. Wir machen seit jeher eine Teampräsentation, haben eine gute Homepage, machen einiges über Social Media, haben ein gepflegtes und professionelles Erscheinungsbild. Letztlich sind es auch Kleinigkeiten, die den Sponsoren gefallen. So hatten wir beim Bundesliga-Gesamtsieg von Jonas Rutsch 2019 für alle Fahrer die gleichen T-Shirts mit Aufdruck besorgt. So wie es auch die Fußballteams machen, wenn sie etwas gewonnen haben. Eine ähnliche Aktion hatten wir schon 2017 bei einem Vierfach-Gesamtsieg in der Rad-Bundesliga. Letztlich ist es aber auch Verhandlungsgeschick, was die Verträge mit den Rad- und Komponentenherstellern betrifft.
Haben Ihre Sponsoren (wie teilweise bei den großen Teams) Mitspracherecht bei Fahrerverpflichtungen oder bei Renneinsätzen?
Monreal: Das hatten wir bisher nicht. Aber das liegt natürlich auch daran, dass Lotto RLP und Kern Haus ihren Hauptmarkt in Deutschland haben und da fahren wir eh. Luxemburg ist für beide Sponsoren auch noch ein wichtiges Land, entsprechend fahren wir auch möglichst oft dort. Die Österreich-Rundfahrt in der Heimat unseres Radsponsors Simplon würden wir auch gerne fahren, aber da ist es sehr schwer reinzukommen.
Wie stellen Sie Ihren Rennkalender zusammen?
Monreal: Im ersten Jahr haben wir überraschenderweise schon sehr viele Einladungen bekommen und mit der Mallorca Challenge über Nokere Koerse und den Prudential Ride London ein sehr gutes Programm gehabt. Gerade mit der Agentur Cycling Service, die für viele Rennen in Belgien und den Niederlanden die Einladungen organisiert, hatten wir direkt einen guten Kontakt. Generell hat man sich den UCI-Kalender angeschaut, die Veranstalter angeschrieben und sich vorgestellt. Im zweiten Jahr haben wir den Rennkalender weiter aufwerten wollen und uns auch für Rennen in Frankreich beworben und jeweils eine Mappe des Teams und ein auf Französisch verfasstes Anschreiben mitgeschickt. Ich selbst kann ja kaum französisch und es war dann schon kurios, wenn dann ein Rennveranstalter kurzfristig bei dir anrief, weil er noch ein paar Dinge klären wollte und dann direkt auf Französisch losredete. Er dachte ja, dass ich französisch kann, wegen des professionellen Anschreibens in perfektem Französisch. Aber das hatte jemand für mich geschrieben. Mit Händen und Füßen konnte man sich letztlich aber doch verständigen. Bisher war es so, dass wir praktisch alle Veranstalter angeschrieben haben und dann die Rennen gefahren sind, für die wir Zusagen bekommen haben. In diesem Jahr hätten wir, weil wir praktisch für alle Rennen eine Zusage bekommen haben, fast schon Rennen absagen müssen. Und das kommt als Kontinental-Team nicht gut. Entsprechend werden wir da in Zukunft unsere Strategie etwas ändern.
Was sind Ihrer Meinung nach die Kriterien, ob man eine Einladung erhält oder nicht?
Monreal: Ich denke, die Veranstalter schauen bei ihrer Auswahl auf verschiedene Dinge: Wie professionell treten die Teams auf, wie sind sie in der Vergangenheit bei dem Rennen gefahren, haben sie zur Attraktivität des Rennens beigetragen und auch Erfolge eingefahren. Von Vorteil ist natürlich auch, wenn es im Team eine gewisse Konstanz gibt, der Teamnamen gleich bleibt und auch das Trikotdesign. Dann wissen die Veranstalter direkt: Ah, Lotto Kern Haus. So etwas hilft. Und manchmal, vor allem bei kleineren Rundfahrten, muss man auch mal die Hotelkosten selbst zahlen, weil dort einfach alle Teams fahren wollen.
Achten Sie bei den Anfragen für den Rennkalender darauf, ob die Rennen den Fahrerqualitäten entsprechen oder geht eher es eher darum, bei möglichst namhaften Rennen reinzukommen?
Monreal: Der Rennkalender muss in erster Linie natürlich zu den Fahrern passen. Hat man viele Bergfahrer im Team, bringt es nichts, diese ständig nach Belgien oder die Niederlande zu schicken. Aber als KT-Team hat man natürlich auch nicht die große Auswahl an Rennen, letztlich muss man die Rennen fahren, für die man eine Zusage bekommt. Wir schauen aber auch, dass wir vor allem Rennen im Umkreis von 1000 Kilometern bestreiten, was eben noch mit dem Auto zu bewältigen ist. Da macht es wenig Sinn, für ein Eintagesrennen mit dem Auto nach Südspanien zu fahren, da hat niemand etwas von. In diesem Jahr haben wir tatsächlich auch ein paar starke U23-Bergfahrer dazu bekommen und für sie wollten wir ein entsprechendes Programm zusammenstellen. Wir hatten schon Zusagen für ein paar italienische U23-Rennen. Aber die Corona-Krise hat das erst einmal zu Nichte gemacht.
Sie fahren häufig zweigleisig. Wie wird entschieden, welcher Fahrer bei welchem Rennen startet?
Monreal: Die Zuordnung des Rennprogramms hat in diesem Jahr Andreas Stauff gemacht. Er hat da wirklich viel Zeit reininvestiert. Die Fahrer dürfen Wünsche äußern und dann schaut man, ob die Wünsche der Fahrer mit den Zielen des Teams übereinstimmen. In diesem Jahr konnten wir zu Jahresbeginn schon eine feste Rennplanung bis in den Mai hinein machen, das war für die Fahrer sehr hilfreich, da sie so gezielter trainieren konnten. Wir sind aufgrund des ausgewogenen Kaders trotz einiger jüngerer Fahrer in der komfortablen Situation, beide Programme mit einem guten Aufgebot bestreiten zu können. Natürlich müssen sich die Fahrer bei den Rennprogrammen auch entscheiden. In diesem Jahr haben zwei unserer Fahrer angemeldet, bei der Rad-Bundesliga auf Gesamtwertung fahren zu wollen. Entsprechend können sie an Wochenenden, an denen Rennen der Serie anstehen von ihnen keine UCI-Rennen bestritten werden.
Welche Kosten kommen bei den Rennen auf das Team zu?
Monreal: Das ist ganz unterschiedlich. Manche Veranstalter zahlen Unterkunft und Verpflegung, manche nur das eine oder das andere, und dritte zahlen gar nichts. Hinzu kommen noch die Kosten der Anreise, wenn sie nicht vom Veranstalter getragen werden. Fixkosten fallen an für Sprit, was einen sehr hohen Anteil ausmacht, außerdem in den entsprechenden Ländern auch Mautgebühren. Es gibt zwar teilweise auch ein Startgeld, aber das deckt zumeist nicht die Auslagen, die man dann vom zur Verfügung stehenden Budget bestreiten muss.
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