Interview mit dem Paris-Nizza-Gewinner

Schachmann: “Der Sport ist jetzt Nebensache“

Foto zu dem Text "Schachmann: “Der Sport ist jetzt Nebensache“"
Maximilian Schachmann (Bora- hansgrohe) hat das 78. Paris-Nizza gewonnen. | Foto: Cor Vos

16.03.2020  |  (rsn) - Nach dem bisher größten Erfolg seiner Karriere stehen für Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) angesichts der Corona-Pandemie andere als sportliche Aspekte im Fokus. Gegenüber radsport-news.com äußerte sich der 25-jährige Berliner nach einem Rückblick auf die am Samstag zu Ende gegangenen Fernfahrt zu den Bedrohungen durch SARS-CoV 2 und die Folgen für unsere Gesellschaft.

Herr Schachmann, Glückwunsch zum bisher größten Erfolg Ihrer Karriere. Gab es angesichts der Corona-Pandemie die Möglichkeit, den im Team zu würdigen?
Maximilian Schachmann: Es blieb eigentlich keine Zeit richtig zu feiern, wir haben uns alle so schnell wie möglich auf den Heimweg gemacht.

Wie haben Sie diese Woche im Schatten von Corona erlebt?
Schachmann: Am Start hat man schon gemerkt, dass kaum Leute an den Bussen waren, auch nach den Etappen war das Procedere ganz anders, quasi keine Interviews. Das war schon seltsam. Aber im Rennen ist man so auf sich konzentriert, da fällt das weniger auf.

Wie beurteilen Sie die Entscheidung der ASO, das Rennen so lange wie möglich durchzuführen?
Schachmann: Wir können an dieser Stelle nur darauf vertrauen, dass der Veranstalter die Lage richtig beurteilt und die Situation im Griff hat. Aber natürlich fühlt sich das komisch an, wenn überall das soziale Leben eingeschränkt wird und wir gleichzeitig ein Rennen fahren.

Können Sie sich angesichts der Umstände uneingeschränkt über diesen Sieg freuen? Zahlreiche Teams haben ja abgesagt oder reisten vorzeitig ab….
Schachmann: Ich glaube, dass man trotz der Absagen im Ergebnis sehen kann, dass ich mich gegen Fahrer aus der absoluten Weltspitze durchsetzen konnte. Einige Teams haben wegen der Absagen in Italien die Line-ups ja auch noch verändert. Für mich ist das der größte Erfolg meiner Karriere. Daran ändern auch die Umstände nichts.

Am Samstag ging es im Finale nochmal sehr knapp zu. Hatten Sie Tiesj Benoot (Gesamtzweiter) so stark eingeschätzt?
Schachmann: Eigentlich hätte ich eher Higuita (Gesamtdritter) auf der Rechnung gehabt, aber man hat die ganze Woche über gesehen, dass Benoot extrem stark ist. Überraschend kam es also nicht und er hat mit der einen Attacke ja auch alles auf eine Karte gesetzt. Es war aber wichtig, so kurz vor dem Ziel die Ruhe zu bewahren. Letztendlich musste ich aber wirklich alles aus meinem Körper rausholen, um am Ende die nötigen Sekunden zu retten.

Wann war Ihnen klar - jetzt habe ich es geschafft?
Schachmann: Eigentlich erst, als ich über die Linie war. Davor habe ich gekämpft und hatte Schmerzen in den Beinen und keine Zeit an irgendetwas anderes zu denken.

Hatten Sie sich selbst vor dem Start Podiumschancen ausgerechnet - gar an den Sieg gedacht?
Schachmann: Ich wusste, dass ich sehr gut in Form bin und mir die Strecke liegen sollte. Es war auch klar dass ich auf Gesamtklassement fahren werde. Das Ziel waren die Top Fünf. Ein Podium wäre schon klasse gewesen, dass es jetzt der Sieg ist, ist ein Traum.

Das starke Sunweb-Team etwa bedauert ganz besonders, dass es in den nächsten Wochen keine Klassiker gibt - was sind Ihre Gedanken angesichts des jetzt folgenden Stillstands?
Schachmann: Natürlich ist es eine Herausforderung für alle Beteiligten. Das größte Problem ist die Ungewissheit, da man momentan nicht sagen kann, wann es weitergehen wird. Aber man muss auch sagen, dass jetzt die Zeit ist, an seine Mitmenschen zu denken, und der Sport einfach in den Hintergrund zu rücken hat.

Gibt es schon Pläne, wie Ihr Team diese Zeit ausfüllt oder nutzt?
Schachmann: Jetzt werde ich mich mal ein paar Tage von der harten letzten Woche erholen, und dann wieder ins Training einsteigen. Das Wichtigste ist, die Motivation hoch zu halten, dafür war der Sieg natürlich ideal.

Derzeit ist fast alles ungewiss. Hoffen Sie persönlich etwa auf die Ardennenklassiker?
Schachmann: Ich glaube, dass es im Moment Wichtigeres gibt, als darüber nachzudenken, wann und wo es weitergeht. Aber natürlich mag ich diese Rennen. Wenn ich dieses Jahr dort nicht am Start stehen kann, komme ich nächstes Jahr zurück.

Für Sie ist auch der - jetzt verschobene - Giro d’Italia geplant. Würden Sie in Ihrer aktuellen Form auf Gesamtwertung fahren?
Schachmann: Warten wir mal ab, was in den nächsten Wochen passiert. Im Moment macht es keinen Sinn, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Wenn wir wissen, wie es weiter geht, machen sich das Team und ich Gedanken über das Programm und die Ziele.

Was ist Ihr größter Wunsch derzeit?
Schachmann: Das alle den Ernst der Lage erkennen und die Vorgaben der Behörden einhalten. Wir müssen jetzt als Gesellschaft zusammenstehen und versuchen, die Schwachen zu schützen. Da ist der Sport mal Nebensache.

Mehr Informationen zu diesem Thema

25.05.2020Dumoulin beendet seine persönliche MPCC-Mitgliedschaft

(rsn) - Tom Dumoulin hat seine Mitgliedschaft in der "Bewegung für einen glaubwürdigen Radsport", kurz MPCC, für beendet erklärt. Der Niederländer kann sich nicht mehr mit allen Aussagen und Rich

10.04.2020Maximilian Schachmann: Da kann noch viel kommen

(rsn) - Sein Antlitz wird angesichts der Corona-Pandemie wohl noch einige Wochen prominent oben angepinnt sein auf den Ergebnis-Websites des Radsports: Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe). Der De

20.03.2020Niermann: “Es kann dauern, bis wir wieder Rennen fahren“

(rsn) - Das niederländische Team Jumbo - Visma trat im Gegensatz zu den meisten anderen Rennställen wegen der Corona-Pandemie schon vor Paris - Nizza in eine Zwangspause. Im Interview mit radsport-n

19.03.2020Team Sunweb: Angriffslustig zum Erfolg

(rsn) - Nicht wenige Beobachter haben dem Team Sunweb nach dem Weggang von Superstar Tom Dumoulin und dem personellen Umbruch samt strategischer Neuausrichtung eine schwierige Saison 2020 prognostizie

17.03.2020Arkea - Samsic will mit Quintana die Tour de France gewinnen

(rsn) - Das starke Frühjahr von Neuzugang Nairo Quintana lässt Arkéa-Samsic träumen. "Wir wollen natürlich die Tour gewinnen", sagte Sportdirektor Yvon Ledanois nach dem Etappensieg seines KapitÃ

17.03.2020Wiggins: “Warum wurde Paris-Nizza nicht abgesagt?“

(rsn) - Warum fuhr Paris-Nizza immer noch durch Frankreich, während sich rundherum das Coronavirus ausbreitete und fast alle Sportevents abgesagt wurden? Das fragten sich viele. Auch Ex-Toursieger Br

16.03.2020Nibali geht zufrieden in die Zwangspause

(rsn) - Mit einer soliden Vorstellung bei Paris-Nizza hat sich Vincenzo Nibali in die nun anstehende “Corona-Pause“ verabschiedet. Der neue Star von Trek - Segafredo zeigte sich auf den beiden abs

15.03.2020Die ASO präsentierte sich als das kleine gallische Dorf

(rsn) - Widerstand ist eine französische Nationaltugend. Schon in einer ganzen Galaxie von Comic-Heften wurde ausgebreitet, wie ein kleines gallisches Dorf den Römern trotzte. Der Asterix dieser Tag

15.03.2020Bora - hansgrohe auch zu viert wie ein Champion-Team

(rsn) - Einen Tag früher als geplant ging ein in mehrfacher Hinsicht denkwürdiges Paris-Nizza zu Ende. Die deutschen Fans konnten sich über den letztlich souverän herausgefahrenen Sieg von Maximil

15.03.2020Großschartner: “Ich bin froh, dass es nun vorbei ist“

(rsn) - Fünf Plätze in der Gesamtwertung ging es noch zurück für Felix Großschartner am letzten Tag von Paris-Nizza. Der junge Österreicher opferte seine gute Platzierung zu Gunsten seines Teamk

15.03.2020Pömer: “Max ist ein absoluter Siegfahrer“

(rsn) - Maximilian Schachmann gewinnt Paris – Nizza. “Das ist sicher der größte Erfolg für Max, und auch einer der größten für Bora hansgrohe“, sagte Christian Pömer, sportlicher Leiter d

14.03.2020Highlight-Video der 7. Etappe von Paris-Nizza

(rsn) - Maximilian Schachmann (Bora - hansgrohe) hat am letzten Tag des 78. Paris-Nizza souverän sein Gelbes Trikot verteidigt und den größten Erfolg seiner bisherigen Karriere gefeiert. Auf der ab

Weitere Radsportnachrichten

03.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

03.05.2024Zeeman glaubt weiter an Tour-Start von Vingegaard

(rsn) – Nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt am 4. April ist Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) weiter auf dem Weg der Besserung. Sein Sportdirektor Merijn Zeeman glaubt so

03.05.2024Anspruchsvoller Auftakt im Piemont

(rsn / ProCycling) – 13 Jahre nach ihrer Premiere ist die Stadt Venaria Reale erneut Schauplatz des Grande Partenza. Als Ouvertüre gibt es eine anspruchsvolle Etappe, die nördlich von Turin starte

03.05.2024Lipowitz wäre schon glücklich, wenn er Rom erreichen würde

(rsn) - Der dritte Gesamtrang bei der Romandie-Rundfahrt vor einer Woche hat Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) viel Aufmerksamkeit eingebracht. Nun startet der 23-Jährige beim Giro d´Italia in d

03.05.2024Muzic schlägt Vollering! Erst festgebissen, dann abgesprintet

(rsn) – Évita Muzic (FDJ – Suez) hat an der Laguna Negra in 1.715 Metern Höhe die 6. Etappe der Vuelta Espana Femenina gewonnen. Die 24-jährige Französin setzte sich am Ende der 6,5 Kilometer

03.05.2024Blackmore nimmt bei Israel - Premier Tech Zabels Platz ein

(rsn) – Nach dem Karriereende von Rick Zabel wird Joseph Blackmore den frei werdenden Platz des Deutschen bei Israel – Premier Tech einnehmen. Wie der Zweitdivisionär meldete, wechselt der 21-jÃ

03.05.2024Was Selbstvertrauen alles ausmachen kann

(rsn) - Servus liebe Leserinnen und Leser, nach gut zwei Monaten voller Wettkämpfe melde ich mich mal wieder. Es ist viel passiert, worüber ich gerne berichten würde. Bereits zum zweiten Mal in d

03.05.2024Bénin: Lührs verpasst um Millimeter seinen ersten Saisonsieg

(rsn) – Auf der 4. Etappe der Tour du Bénin (2.2) hat das Team Bike Aid erneut einen Tagessieg knapp verpasst, konnte sich aber zumindest über die Verteidigung des Gelben Trikots von Yoel Habteab

03.05.2024Niewiadoma und Realini bei Vuelta Femenina ausgestiegen

(rsn) - Ohne zwei der Favoritinnen ist am Mittag die 6. Etappe der Vuelta Femenina gestartet worden. Wie ihr Team Canyon – SRAM auf X meldete, habe man beschlossen, dass Kasia Niewiadoma aus gesundh

03.05.2024Geschke von 2500 Metern in Freiburg zum Giro d´Italia

(rsn) – Vor dem letzten Giro d’Italia seiner Karriere strahlt Simon Geschke viel Optimismus aus. “Meine Form ist sehr gut, ich konnte mich so gut wie noch nie auf einen Giro vorbereiten“, sagt

03.05.2024Giro-Favorit Pogacar hält Fixierung auf seine Person für “Bullshit“

(rsn) – Am Samstag beginnt der 107. Giro d’Italia – mit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) als haushohem Favoriten, der in der öffentlichen Wahrnehmung alle seine Konkurrenten in den Schatten st

03.05.2024HLN: Van Aert kehrt Ende Mai ins Feld zurück

(rsn) – Wout van Aert (Visma - Lease a Bike) nimmt nach seinem schweren Sturz Ende März bei Dwars Door Vlaanderen sein Comeback ins Visier. Wie die Zeitung Het Laatste Nieuws schreibt, plant der B

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)