WM-Zeitfahren nach schwerem Vuelta-Sturz

Martin: “Ich werde gegen die Angst ankämpfen“

Von Joachim Logisch

Foto zu dem Text "Martin: “Ich werde gegen die Angst ankämpfen“"
Tony Martin | Foto: Cor Vos

25.09.2019  |  (rsn) - Eine Zeitfahrstrecke wie gemalt für Tony Martin. Ein Parcours ähnlich denen, auf denen er schon viermal Gold holte, erwartet heute die Zugmaschine des Jumbo-Visma-Teams im 54 Kilometer langen Kampf gegen die Uhr der Weltmeisterschaften in Yorkshire.

Doch die große Frage lautet: Wie sehr belastet ihn noch der schwere Sturz bei der Vuelta a Espana, wo er sich auf der 19. Etappe schwere Prellungen am Brustkorb und Gesichtsverletzungen zugezogen hatte, die mit 24 Stichen genäht werden mussten?

Die Fäden wurden am Montagabend entfernt. Nach eigenen Angaben stören ihn die Verletzungen rund ums Auge nicht mehr. Doch mit der Ankunft in Yorkshire begann die Schmerzen im Brustkorb. Martin: "Ich habe immer wieder Probleme mit der Atmung. Es ist Tagesform abhängig. Manchmal machen mir die Schmerzen und der Brustkorb zu schaffen. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Alles ist auszuhalten. Es ist aber nicht so, dass ich sagen kann, dass ich mich 100-prozentig fit fühle.“

Wie ein Schmerzmittel wirkte für ihn aber die Streckenbesichtigung. "Ich muss sagen, ich war positiv überrascht, nachdem das Profil der Runde des Mixed-Zeitfahrens extrem unrhythmisch und vielleicht auch anspruchsvoller war, als viele gedacht hatten, erwarteten wir ähnliches für das Einzelzeitfahren. Es war aber eher das Gegenteil. Es sind Teile dabei, die Nils (Politt, der zweite deutsche Starter d. Red.) und mir entgegenkommen“, berichtete Martin in der Pressekonferenz zum Zeitfahren.

"Die ersten 20 Kilometer sind maximal wellig, eher gerade und technisch unauffällig, gefolgt von 20 Kilometern, die eher einem Klassikerkurs entsprechen, wo es viele Erhebungen gibt. Von Bergen zu sprechen, wäre da schon zu viel. Es sind steilere Anstiege, die sehr unrhythmisch sind, aber keine Berge, wo man viel powern müsste, sondern welche, über die man in zwei bis drei Minuten rüber muss“, beschrieb er seine Eindrücke.

Politt will in die Top Ten, Martin aufs Podium

Trotz seiner noch immer nicht ausgeheilten Verletzungen rechnet sich der viermalige Weltmeister Medaillenchancen aus. "Als kraftbetonter Fahrer kommt mir alles entgegen, was das Rennen mit Ausnahme von Bergen schwerer macht. Rauer Asphalt, Gegenwind sind gut. Je länger es ist, desto mehr kommt es mir entgegen. Desto länger kann ich meinen Dieselmotor ausspielen. Ich freue mich drauf. Auch, dass ein Veranstalter es wieder gewagt hat, eine so lange Distanz ins Programm zu nehmen, die einer Weltmeisterschaft würdig ist", sagte der 34-Jährige und resümierte:"Ein Kurs, der unseren Fähigkeiten entspricht.“

Mit "uns" meinte Martin sich auch Nils Politt, den zweiten Starter des BDR bei diesen Welttitelkämpfen. Und auchd er zweite von Paris-Roubaix zeigte sich angesichts der 54 Kilometer von Northallerton nach Harrogate optimistisch. "Mir sollte auch so eine lange Distanz mehr in die Karten spielen. Ich bin auch eher ein Diesel", sagte Politt, der heute allerdings sportliches Neuland betreten wird: "Ich bin allerdings noch nie so ein langes Zeitfahren gefahren. Nur bei den Junioren (in der Mannschaftsverfolgung, d. Red.), da waren wir allerdings zu viert“, sagte er und fügte lachend an: "Ich bin gespannt, wie das wird. Ich peile die Top Ten an. Alles was darüber hinaus ginge, wäre super.“

Abgehakt ist der nicht befriedigende Anteil des Männertrios an der Silbermedaille im erstmals ausgetragenen Mixed-Rennen letzten Sonntag. Die Verantwortung dafür nahm Martin auf sich: "Sonntag war ein Beispiel, wie man es nicht machen soll. Es war mein erstes Rennen nach dem Sturz. Da zieht das Unterbewusstsein die Handbremse. Da kann man so viel wollen, wie man will. Ich war noch etwas gehemmt“, gestand er ein. "Das tut mir auch leid und war vielleicht der Grund, warum es nicht zu Gold gereicht hat. Oder zumindest, warum wir als Männermannschaft nicht den Erwartungen entsprechend performen konnten. Ich glaube aber auch, dass es eine Lehrstunde war und ich gegen die vermeintliche Angst ankämpfen werde.“

Sein Ziel am Nachmittag ist das Podium. "Wenn man viermal Weltmeister war, freut man sich nicht mehr über eine Top-Ten-Platzierung", betonte Martin.

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.10.2019Eekhoff klagt vor CAS gegen aberkannten WM-Sieg

(rsn) - Es war die bitterste Stunde seiner noch jungen Karriere. Wenige Minuten nach dem Triumph im WM-Straßenrennen der U23 wurde Nils Eekhoff wegen unerlaubten Windschattenfahrens hinter einem Begl

08.10.2019Die Form reicht nicht mehr: Alaphilippe beendet Saison

(rsn) - Bei den kanadischen Eintagesrennen in Quebec (7.) und Montreal (13.) zeigte sich Julian Alaphilippe (Deceuninck - Quick-Step) noch in vielversprechender Verfassung, auch wenn es zu keinem Sieg

08.10.2019Pedersen: “Ich will mein Jahr als Weltmeister genießen“

(rsn) - Nach seinem sensationellen Triumph im WM-Straßenrennen von Harrogate, in dem er als erster Däne der Radsportgeschichte das Regenbogentrikot eroberte, wird Mads Pedersen (Trek - Segafredo) di

03.10.2019Degenkolb versteigert sein WM-Trikot für Les Amis de Paris-Roubaix

(rsn) - Nach seiner Spendensammelaktion für das Nachwuchsrennen von Paris-Roubaix im Februar hat sich John Degenkolb nun etwas neues ausgedacht, um seiner Rolle als Botschafter der ´Amis de Paris-Ro

01.10.2019Trentin: “Ich bin stolz auf mich und mein Team“

(rsn) - Im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends eilten die Italiener bei Straßenweltmeisterschaften von Erfolg zu Erfolg. Vier Goldmedaillen sammelten damals die Fahrer in den azurblauen Trikots, daz

01.10.2019Podcast: Rückblick auf die Straßen-WM

(rsn) - Im gemeinsamen Podcast von radsport-news.com und meinsportradio.de blickt Malte Asmus gemeinsam mit Eric Gutglück und Marc Winninghoff auf die 86. UCI-Straßenweltmeisterschaften zurück, die

01.10.2019Sagan verspielt Chance auf 4. WM-Gold mit taktischem Fehler

(rsn) - Auf den letzten fünf Kilometern gab Peter Sagan nochmal Vollgas. Der dreifache Weltmeister wollte nicht aus Yorkshire abreisen, ohne wenigstens nochmal alles aus seinem Körper herausgeholt u

30.09.2019Nur Gilbert hatte starke Beine - doch der stürzte

(rsn) - Ein achter Platz von Greg Van Avermaet war es letztlich, der für das hochgehandelte belgische Team am Ende des WM-Straßenrennens von Yorkshire zu Buche stand. 70 Sekunden hinter Goldmedaill

30.09.2019Valverde: “Ich war komplett erfroren“

(rsn) – Schon beim Blick auf den Wetterbericht, allerspätestens am Morgen beim Blick aus dem Fenster nach dem Aufstehen dürfte Alejandro Valverde klar geworden sein, dass es nichts mit einer Verte

30.09.2019Politt mit dem richtigen Riecher, aber von Trentin überrascht

(rsn) - Zu den heißesten Anwärtern auf die Medaillen hatten die deutschen Starter im WM-Straßenrennen von Harrogate von vorne herein nicht gezählt. Am ehesten hätte wohl Maximilian Schachmann fü

29.09.2019Großschartner: “Am Ende ist es nicht so aufgegangen für uns“

(rsn) - Lange Zeit sah es gut aus für das österreichische Nationalteam im Rennen der Eliteherren in Yorkshire. Denn mit Lukas Pöstlberger, Felix Großschartner, Patrick Konrad, Hermann Pernsteiner

29.09.2019“Mathieu van der Poel ist auch nur ein Mensch“

(rsn) - Bis zwölf Kilometer vor dem Ziel schien klar: Favorit Mathieu van der Poel wird sich in Harrogate zum Straßen-Weltmeister küren. Bis dahin lag der niederländische Überflieger mit vier wei

Weitere Radsportnachrichten

21.12.2024Schöne Highlights und ein sehr starker August

(rsn) – 22 Jahre ist Fabio Christen (Q36.5 Pro Cycling) alt, und der Schweizer kommt aus einer wahren Radsportfamilie. Schon sein Großvater gehörte zu den besten Straßensportlern und auch sein Va

21.12.2024Red-Bull-Sportchef Aldag über die Transfers von Lazkano und Co.

(rsn) – Es war abzusehen, dass Red Bull – Bora – hansgrohe auch in diesem Winter wieder allerhand Veränderungen am Kader für die neue Saison vornehmen würde. Neun Profis stoßen 2025 zum Team

21.12.2024Vandeputte mit Start-Ziel-Sieg zum ersten Weltcuperfolg

(rsn) – Dank einer technischen Glanzleistung hat Niels Vandeputte (Alpecin – Deceuninck) in Hulst nicht nur einen Start-Ziel-Sieg, sondern auch seinen ersten Weltcup-Erfolg gefeiert. Der Belgier w

21.12.2024Schreiber startet am schnellsten und bleibt bis zum Schluss vorn

(rsn) – Schnellstarterin Marie Schreiber (SD Worx – Protime) hat den Cross-Weltcup in Hulst mit einem Start-Ziel-Sieg für sich entschieden. Lucinda Brand (Baloise – Trek Lions) baute als Zweite

21.12.2024Knolle, Groß, John und Zemke zu rad-net - Rembe - Sauerland

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

21.12.2024Vom Niemandsland nach Alpe d’Huez in wenigen Monaten

(rsn) – Als Ruderin stand Valentina Cavallar schon bei den Olympischen Spielen am Start und ihr Einstieg in den Radsport kam dann doch sehr überraschend. Erst im April fand sie einen Platz bei der

21.12.2024“Riesige Erleichterung“: Auf dem Weg zurück zu alter Stärke

(rsn) – Er war noch nicht ganz wieder der Alte, doch nach zwei krankheitsbedingt schwarzen Saisons hat Maximilian Schachmann 2024 endlich erneut aufblitzen lassen können, wozu er fähig ist. Das ge

21.12.2024Van Empel muss Cross-Wochenende auslassen

(rsn) - Wegen eines Trainingssturzes muss Weltmeisterin Fem van Empel (Visma – Lease a Bike) die beiden Cross-Weltcups in Hulst und Zonhoven an diesem Wochenende auslassen. Wie die Niederländerin a

21.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

20.12.2024Meisterschaftsdoppel versöhnte nach Olympia-Enttäuschung

(rsn) – Die Olympischen Spiele in Paris hatten die Österreicherin Anna Kiesenhofer (Roland) wieder in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit zurückgeholt. Immer wieder wurde ihre Sensationsfahrt v

20.12.2024Van Aert kehrt in Mol zu seiner ersten Liebe zurück

(rsn) - Viel Zeit zur Vorbereitung konnte sich Wout van Aert (30) nicht gönnen. Nach nur drei Tagen im Cross-Training will der Belgier am Montag beim Superprestige in Mol starten. Der Cross-Vizeweltm

20.12.2024Van Schip wegen Drohungen und Beleidigungen gesperrt

(rsn) - Wegen "Beleidigungen, Drohungen und unangemessenem Verhalten“ bei der Bahn-WM in Ballerup (Dänemark) hat die UCI den Niederländer Jan-Willem van Schip vom 27. Dezember 2024 bis zum 1. Febr

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine