Judith Haudums Sporternährungs-Blog

Off-Season: Muss ich meine Ernährung ändern?

Von Judith Haudum

Foto zu dem Text "Off-Season: Muss ich meine Ernährung ändern?"
| Foto: sportNutrix

23.10.2022  |  Die letzten schönen Herbsttage gehen so langsam zu Ende, und viele Radsportler/innen reduzieren nun ihre Trainingsumfänge, oder wechseln auch mal in eine andere Sportart. Da stellt sich dann bald die Frage: Muss ich mich in der Off-Season anders ernähren? Soll ich meinem Körper nach der langen, anstrengenden Wettkampf-Saison speziell etwas Gutes tun? Nicht wenige grübeln auch über das Thema Detox; das hatte ich übrigens im vergangenen Herbst genauer unter die Lupe genommen.

Das Ende der Saison ist durchaus auch mit Herausforderungen
verbunden: In den Wettkampf-Monaten war man gewöhnt, viel zu essen, auch häufig zu essen, um der hohen Kalorienbedarf abzudecken. Nun trainiert man weniger - und sollte daher auch weniger essen, weil der Bedarf deutlich niedriger ist. In dieser Phase ändere ich im Ernährungsplan meiner Sportler/innen vor allem die Menge der Kohlenhydrate, da der Bedarf sinkt, wenn die Belastung weniger wird. An intensiven Tagen brauchen Radsportler/nnen rund 550 bis 800 Gramm Kohlenhydrate. Ohne die hohe Belastung reduziert sich das je nach Trainingsumfang um 25 bis 50 Prozent auf einen Bedarf von ca 150 - 300 g Kohlenhydrate am Tag. Teller voller Reis und Nudeln sind vorerst nicht mehr notwendig, nun stehen andere Kohlenhydrate im Vordergrund - jene, die mehr Ballaststoffe enthalten.

Nicht selten nehmen Sportler/innen nach der Saison die Kohlenhydrate weitgehend raus, setzen manche Sorten auf die Verbotsliste. Wozu? Wichtig ist, dass in der ruhigeren Zeit andere Kohlenhydrate verstärkt auf den Speiseplan kommen, und die Mengen müssen stimmen. Verbote gibt’s bei mir das ganze Jahr über nicht, und das gilt auch für Kohlenhydrate allgemein. Der Mensch hat auch ohne viel Training einen Grundbedarf an Kohlenhydraten, der abgedeckt werden müss - eine geringe Menge, aber sie sollte in die tägliche Ernährung einkalkuliert sein.

Der Anteil an Gemüse und Obst steigt nun,
er nimmt in der Pause den größten Teil ein. Stellt man sich die Zusammenstellung der Mahlzeiten auf einem Teller vor, so machen in der Off-Season an Tagen mit keinem bis wenig Training die Kohlenhydrate gerade einmal ein Viertel aus, während der Gemüse-Anteil die Hälfte des Tellers füllt. So kommt es automatisch zu einer Verringerung der Energiezufuhr, während die Nährstoffzufuhr hoch bleibt.

Ein wenig anders sieht’s bei Eiweiß und Fett aus. Auch hier ist der Bedarf während der Saison erhöht, aber nicht so deutlich wie bei den Kohlenhydraten. Dadurch fällt auch die Reduktion in der Pause nicht so deutlich aus. Außerdem ist Eiweiß wichtig für eine lang andauernde Sättigung, was bei niedrigerem Energiebedarf wichtig ist - sonst kämpft man ständig mit dem Hungergefühl.

Fett ist in jeder Phase des Sportjahres wichtig,
weil es im Körper wichtige Aufgaben erfüllt. Nach der Saison sind aber weniger Kalorien notwendig, also ist auch beim Fett Vorsicht geboten: Nüsse, Avocado, Dips… alles sehr fettreich und damit auch kalorienreich. Fett hat doppelt so viele Kalorien hat wie Kohlenhydrate und Eiweiß. Man muss diese Lebensmittel nicht aus dem Speiseplan streichen, aber in der Neben-Saison sollte man die Mengen reduzieren.

Generell sollte man nun ballaststoffreicher essen; das gelingt gut, weil die Mengen kleiner werden. Nach einem harten Training tut man sich schwer, etwa mit Hirse den Kohlenhydrat-Bedarf beim Essen zu decken - eine riesige Portion und viele Ballaststoffe. Jetzt aber, wenn’s ruhiger wird, ist Platz für solche Lebensmittel. Hülsenfrüchte sind ein weiteres gutes Beispiel: Gesund, ballaststoffreich, aber an schweren Trainingstagen nicht die beste Wahl, um den Kohlenhydratbedarf zu decken. An Tagen mit wenig Training sind sie aber geniale Zutaten.

Ballaststoffe haben wie Eiweiß den Vorteil,
dass sie uns gut sättigen. Wer die Kalorienzufuhr niedrig halten möchte, der muss auch Lebensmittel essen, die uns gut mit Nährstoffen versorgen und sättigen. Viele schrauben einfach die Eiweiß-Portionen hoch; der Körper braucht aber neben Eiweiß noch eine Reihe anderer Nährstoffe und die sollten wir ihm gerade in der Off-Season nicht vorenthalten. Der Körper ist nach der Saison richtig müde, und wir sollten ihn unterstützen, wieder zu Kräften zu kommen und zu regenerieren. Das gelingt nur mit ausgewogener Ernährung. Alle einseitigen Ansätze, die in manchen Foren und Gruppen kursieren, tragen dazu wenig bis gar nichts bei - im Gegenteil.

Wenn es darum geht, ausgewogen zu essen, sind neue Rezepte auch eine gute Idee. Nun kann man die Zeit nutzen und neues ausprobieren: Ein anderes Mittagessen vor dem Training, eine neue Regenerations-Mahlzeit, schnell und einfach, oder auch selbstgemachte Riegel? All das kann man jetzt prima umsetzen, weil es im Kalender Lücken gibt.

Viele Rennradler/innen sind während der Saison
gewohnt, häufig zu essen: Frühstück, dann Morgen-Training, danach ein Snack, das Mittagessen, nachmittags eine Rad-Einheit und danach ein Regenerations-Getränk, dann Abendessen. Wenn der Abend länger wird, folgt häufig noch eine Kleinigkeit. Nun sollte man jedoch neben der Mengen bei den Mahlzeiten auch die Snacks reduzieren: Wer wenig trainiert, braucht das nicht.

Auch die Qualität der Snacks ändert sich: Aus dem Haferbrei wird Obst mit Joghurt, das Bröt mit Nuss-Mus und Banane wird zum Vollkornbrot mit Quark. Und der Kuchen? Der kann bleiben. Wie bei allem gibt’s auch hier keine Verbote - denn Verbote sind Stress: Wenn man Regeln bricht, kommt man in einen innerlichen Stress. Doch während der Saison war genug Stress, das Ziel ist jetzt: Stress vermeiden, Balance finden. Und das gelingt nicht durch Verbote.

Aktive Menschen sind jedoch auch nach
der Saison nicht wirklich inaktiv. Zwar steht das Rad mal länger im Eck, aber die Natur bietet genug andere Möglichkeiten. Eine Bergtour, Laufen, Tennisspielen oder anderes - wenn’s eine längere Belastung wird, sollte man auch hier was zu essen und trinken dabei haben. Aber in der Off-Season machen wir Pause von Sportriegeln, Gels und Sportgetränken - das ist nun meist nicht notwendig. Nun ist jedch ein guter Zeitpunkt, um neue, selbstgemachte Getränke und Riegel  auszuprobieren.

Bei manchen Radsportler/innen läuten mit wenig Training nicht selten die Alarmglocken: Wenn bloß das Gewicht nicht steigt... Deswegen streichen viele die Kohlenhydrate weitgehend aus ihrer Ernährung. Das ist nicht notwendig, wenn man die Grundsätze beachtet, die ich oben erwähnt habe. Was dazukommt, ist auswärts essen. Nun trifft man sich wieder häufiger, weil man mehr Zeit hat. Viele Menü-Karten passen aber nicht in die Off-Planung, und es wird schwierig, die Mahlzeiten so zusammenzustellen, dass sie zum Bedarf passen. Also nicht nur zuhause essen? Nein, auch das gehört dazu - wenn man so plant, dass es sich in Grenzen hält.

Nochmal zum Gewicht: Ein wichtiger Faktor
im Radsport - aber nun soll man mal Pause machen mit dem ständigen Gewichts-Management und Diät-Machen. Das ganze Jahr über abnehmen führt nicht um Erfolg. Off-Season heißt Pause machen - und dann wieder richtig durchstarten. Ein wichtiger Nachsatz: Je entspannter und ausgewogener man sich in der Wettkampf-Saison ernährt, umso einfacher und problemloser ist auch die Off-Season. Das Essen und die richtige Zufuhr spielen immer eine wichtige Rolle. Wer das im Griff hat, kommt auch gut durch die Pause. Gehen wir entspannt in den Winter - dann kommen wir auch entspannt wieder zurück.

Judith Haudum ist Sport- und Ernährungs-Wissenschaftlerin sowie Gründerin des Beratungs-Instituts "sportnutrix" in Hallein im Salzburger Land. Sie arbeitet mit diversen UCI-WorldTour- und Women's-WorldTour-Fahrer/innen, dem Österreichischen Radsport-Verband und weiteren Sportverbänden. Judith berichtet exklusiv auf radsport-news.com alle drei Wochen über neue Erkenntnisse aus der Sporternährung.

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