Erster Tour-Etappensieg nach "Gruppentheapie"

Kittel: "Wir waren am Ende eiskalt“

Von Joachim Logisch aus Limoges

Foto zu dem Text "Kittel:
Ein hartes Duell um den Etappensieg in Limoges lieferten sich Marcel Kittel (Etixx-Quick-Step) und Bryan Coquard (Direct Energie). | Foto: Cor Vos

06.07.2016  |  (rsn) - Etixx-Quick-Step ist das beste Team der Welt! 33 Siege hatten die Belgier um die deutschen Top-Stars Marcel Kittel und Tony Martin allein in dieser Saison bereits gesammelt. Doch bei der Tour war die Serie plötzlich gerissen. Die beiden flachen Sprintankünfte in den ersten drei Tagen, die ihnen wie auf dem Silbertablett serviert erschienen, räumte Mark Cavendish (Dimension Data) ab, den kaum jemand mehr auf der Rechnung hatte.

Danach war es Zeit für eine Teambesprechung. Man könnte sie Krisensitzung nennen, muss es aber nicht. "Wir  hatten uns am Abend vorher alle zusammengesetzt und uns geschworen, es besser zu machen“, erzählte Tony Martin. "Wir haben darüber gesprochen, was nicht funktionierte. Ich habe versucht, die Mannschaft zusammenzukriegen, das Vertrauen zurückzuholen. Deswegen denke ich, hat heute jeder durch den Sieg noch mal eine Schubladenladung Motivation mitbekommen“, verriet Kittel.

Denn plötzlich klappte es wieder mit dem Siegen. Im Foto-Finish gegen Bryan Coquard (Direct Energie) gewann der blonde Hühne die 4. Etappe von Saumur nach Limoges, seine insgesamt neunte bei einer Tour de France. "Heute ging unser Plan auf! Gestern (Montag, d.Red. ) hatten wir Fehler gemacht, waren zu früh im Wind. Das Team hat wunderbar harmoniert. Deshalb ist der Sieg kein Zufall. Es waren heute eine gute Teamarbeit und Marcels starke Beine, die den Sieg ermöglichten", erklärte Martin.

Die Schwierigkeit war die bis zu fünf Prozent steile Zielgerade nach einer Abfahrt, die Kittel nicht wirklich auf den Leib geschneidert schien. Martin: "Wir wussten, dass die Gegenrampe kommt, wo man ein gutes Timing haben und spät von hinten kommen muss. Aber so spät wollten wir nicht sein. Wir wären gerne etwas organisierter gefahren. Aber bei so einem Massensprint kann man nicht erwarten, dass alles planmäßig verläuft.“

Die Verspätung lag an Kreisverkehren, vor allem aber an der Verkehrsinsel, die im Finale einige im Feld fast auf Null abbremste. "Wir mussten eine richtige Vollbremsung hinlegen. Ich bin mit Halbspeed durch und konnte Richeze noch mitbringen. Wir waren eigentlich schon weg“, erläuterte Martin, dass der Erfolg am seidenen Faden hing, um dann anzufügen: "Die ASO hat vielleicht doch das Geld, den einen oder anderen Poller mal zu entfernen, gerade auf den letzten drei Kilometern.“

Dass er ausgerechnet die mit 237,7 Kilometern längste Etappe der 103. Tour de France gewann und das auf einer ansteigenden Zielgeraden, machte den Erfolg für Kittel noch wertvoller. "Heute fielen mir LKW-weise Steine vorm Herzen. Es war ein unheimlich emotionaler Sieg für mich, vielleicht einer der wichtigsten in meiner Karriere, weil ich weiß, wie lange der Weg zurück zur Tour und zu diesem Etappensieg war. Die Steine, die mir heute vom Herzen gefallen sind, lagen in den letzten Wochen und Monaten vielleicht auch irgendwo vor mir. Deshalb freue ich mich ganz doll darüber und bin auch besonders stolz, weil die Mannschaft so stark gefahren ist.“ Wichtig war, dass Etixx-Quick-Step die Nerven behielt. "Es war auch ein Psychospiel. Gestern hatten wir im Sprint wieder einen auf die Mütze bekommen, wir waren zur falschen Zeit vorne, zu früh", so Kittel.

Dass er kein Mann für ansteigende Zielgeraden sei, weist der Thüringer aber weit von sich. "Ich habe schon auf solchen Zielankünften gewonnen, Paris-Nizza 2012, 2014 bei der Tour die erste Etappe. Ich weiß, dass ich das kann, aber es ist auch immer eine Timingsache. Heute kam es sehr auf die Mannschaft an. Wir sind am Ende eiskalt gewesen. Wir waren im richtigen Moment an der richtigen Position. Danach musste ich nur noch mit Vollgas hier reinfahren. Am Ende brauchte man die Power, deswegen ist es auch schön, für mich zu sehen, dass ich hier vorne mit reinhalten kann“, sagte Kittel und gab zu: "Vielleicht ist so eine Etappe ungewöhnlich für mich. Das macht das Siegen aber umso schöner.“

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

14.07.2020Video-Rückblick: Froome joggt 2016 den Ventoux hinauf

(rsn) – Heute vor vier Jahren erlaubten staunende Zuschauer am Mont Ventoux das Finale eines denkwürdigen Tour-Tages. Nach einem Sturz im Schlussanstieg der 12. Etappe rannte Chris Froome am Franz

27.07.2016Nibali hatte bei der Tour schon Rio im Blick

(rsn) – Vincenzo Nibali hat verärgert auf die Kritik an seinen Leistungen bei der am Sonntag zu Ende gegangenen Tour de France reagiert. Der Italiener und sein Astana-Team waren ohne Etappensieg ge

26.07.2016Erneuter Tour-Ausstieg der ARD darf kein Thema sein

(rsn) - Drei Wochen Tour de France. Ein paar Tage "als Fan" selbst dabei. Den großen Rest aber am Bildschirm. Bis zum grandiosen Schlussakkord auf den Champs Elysees, gesetzt im "Sprint des Jahres" v

26.07.2016Quintana will weiter für seinen Gelben Traum kämpfen

(rsn) – Kolumbien muss weiter auf seinen ersten Tour-de-France-Sieger warten. Auch im dritten Anlauf hat es Nairo Quintana nicht geschafft – doch noch nie war der Movistar-Kapitän weiter vom Gelb

26.07.2016Künftig ein britisches Duell um das Gelbe Trikot?

(rsn) – Wie sein berühmter Landsmann Bradley Wiggins wird auch Adam Yates in die Geschichtsbücher des Radsports eingehen. War der mittlerweile 36-jährige Stundenweltrekordler vor vier Jahren der

26.07.2016Kittel kam bei der Tour in keinen "richtigen Flow"

(rsn) – Bei André Greipel (Lotto Soudal) lief am Sonntag auf den Champs-Élysées alles nach Wunsch. Wie bereits 2104 gewann der Deutsche Meister die prestigeträchtige Abschlussetappe der 103. Tou

26.07.2016Hektische Sprints und Cavendish machten Greipel das Leben schwer

(rsn) – Nach drei teils frustrierenden Wochen schien für André Greipel (Lotto Soudal) doch noch die Sonne. Am Sonntagabend holte sich der Deutsche Meister in Paris auf den Champs-Élysées den so

25.07.2016Bardet zum dritten Mal in Folge in Paris auf dem Tour-Podium

(rsn) – Romain Bardet hat den heimischen Fans die Tour de France gerettet. Der 25 Jahre alte Kapitän der Ag2R-Equipe legte auf den letzten drei Tagen ein Finale sondergleichen hin, sicherte sich au

25.07.2016Kittel: Erst durch Defekte gestoppt, dann im Finale kraftlos

(rsn) – Zum großen Finale der 103. Tour de France wollten Marcel Kittel und sein Etixx-Quick-Step-Team nochmals zuschlagen. Der Erfurter, der bereits 2013 und 2014 jeweils den Schlussakkord auf den

25.07.2016Jogging-Einlage in Gelb und ein machtloser Herausforderer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Dominator in Grün und Schweizer Coup durch einen Kolumbianer

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

25.07.2016Kollision mit dem Teufelslappen und ein fataler Entschluss

(rsn) - Nach drei Wochen Tour de France fallen die Bilanzen der 22 teilnehmenden Mannschaften ganz unterschiedlich aus. Radsport News listet die Erfolge und Misserfolge auf. Wir präsentieren die Team

Weitere Radsportnachrichten

04.05.2024Großes Vorschau-Paket: Die Strecke des Giro d´Italia 2024

(rsn) – Sechs Bergankünfte, zwei Einzelzeitfahren, toskanischer Schotter, der Mortirolo, der Stelvio und zum krönenden Abschluss zwei Mal der Monte Grappa – das ist der 107. Giro d´Italia (4. -

04.05.2024Uijtdebroeks: Jetzt muss er sich beweisen, oder doch nicht?

(rsn) – Selten dürfte der Auftritt eines jungen Belgiers bei seinem Giro-Debüt von den deutschen Fans so interessiert verfolgt werden, wie in diesem Jahr der  von Cian Uijtdebroeks. Klar, als Rem

04.05.2024Rund 260.000 Euro fehlen: Tour of Scandinavia abgesagt

(rsn) – Die Women´s WorldTour-Rundfahrt Tour of Scandinavia wird in diesem Jahr nicht stattfinden. Das gaben die Veranstalter des für 27. August bis 1. September geplanten Rennens am Freitag via P

04.05.2024Alfonsina Strada: Die erste Frau beim Giro

(rsn) – Wenn am Samstag in Venaria Reale der 107. Giro d´Italia der Männer beginnt, ist das auch für den Frauen-Radsport ein wichtiger Termin. Denn noch bevor im Juli der nächste Giro der Frauen

04.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

03.05.2024Anspruchsvoller Auftakt im Piemont

(rsn / ProCycling) – 13 Jahre nach ihrer Premiere ist die Stadt Venaria Reale erneut Schauplatz des Grande Partenza. Als Ouvertüre gibt es eine anspruchsvolle Etappe, die nördlich von Turin starte

03.05.2024Giro-Favorit Pogacar hält Fixierung auf seine Person für “Bullshit“

(rsn) – Am Samstag beginnt der 107. Giro d’Italia – mit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) als haushohem Favoriten, der in der öffentlichen Wahrnehmung alle seine Konkurrenten in den Schatten st

03.05.2024Merlier und Kooij führen die Riege der schnellen Männer an

(rsn) – Beim 107. Giro d’Italia wird es für die Sprinter kein gemütliches Einrollen geben. Am Samstag beginnt die erste Grand Tour des Jahres in Venaria Reale nördlich von Turin mit einer schwe

03.05.2024Zeeman glaubt weiter an Tour-Start von Vingegaard

(rsn) – Nach seinem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt am 4. April ist Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) weiter auf dem Weg der Besserung. Sein Sportdirektor Merijn Zeeman glaubt so

03.05.2024Lipowitz wäre schon glücklich, wenn er Rom erreichen würde

(rsn) - Der dritte Gesamtrang bei der Romandie-Rundfahrt vor einer Woche hat Florian Lipowitz (Bora – hansgrohe) viel Aufmerksamkeit eingebracht. Nun startet der 23-Jährige beim Giro d´Italia in d

03.05.2024Highlight-Video der 6. Etappe der Vuelta Femenina

(rsn) – Auch auf der 6. Etappe der 10. Vuelta Femenina hat Demi Vollering (SD Worx – Protime) das Geschehen im Schlussanstieg dominiert. Doch nach 132,1 Kilometern von Tarazona zur Bergankunft an

03.05.2024Muzic schlägt Vollering! Erst festgebissen, dann abgesprintet

(rsn) – Évita Muzic (FDJ – Suez) hat an der Laguna Negra in 1.715 Metern Höhe die 6. Etappe der Vuelta Espana Femenina gewonnen. Die 24-jährige Französin setzte sich am Ende der 6,5 Kilometer

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)