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20.01.2016 | (rsn) - 43 Siege, darunter Etappenerfolge beim Giro und der Vuelta, sowie unzählige Podiumsplätze gelangen Robert Förster in seiner Profikarriere. In die Herzen der Radsport-News-Leser schrieb er sich mit seinen Tagebüchern, in denen er nicht nur über seinen Rennalltag berichtete. Nun hat "Frösi", wie er von den Fans liebebvoll genannt wird, seine Laufbahn beendet. radsport-news.com gab der 38-Jährige, der in Leipzig und Wachau/Markkleeberg die beiden Grupetto Radgeschäfte betreibt, ein Abschiedsinterview.
Sie haben vor einigen Wochen ihren Rücktritt erklärt, fahren Sie noch Rad?
Robert Förster: Ja, früher musste ich Rad fahren, egal wie das Wetter war. Heute fahre ich, wenn ich Lust darauf habe. Das ist der Unterschied. Klar, dass man nach der Karriere noch etwas machen muss. Man kann nicht von 100 auf Null gehen. Es macht mir ja immer noch Spaß.
Die deutschen Sprinter André Greipel, Marcel Kittel und John Degenkolb zählen zu den Besten ihres Fachs und genießen auch öffentlich große Wertschätzung. Als Sie im Zenit standen, war der Radsport vom Fuentes- und anderen Dopingskandalen überschattet. Wären Sie gerne zehn Jahre jünger und würden heute fahren?
Förster: Jein! Jede Zeit hatte etwas. Ich bin noch mit den ganzen Großen gefahren. Cipollini, Petacchi, das war auch ein schönes Fahren gegeneinander. Dass es nun Greipel, Kittel und Degenkolb gibt, ist eine ganz andere Situation. Wenn ich daran denke, gegen drei Deutsche antreten zu müssen, ist das vielleicht auch schwerer. Ich kann damit leben, früher gefahren zu sein. Ich habe ja auch noch die schöne Zeit mitgemacht, in der es, glaube ich, sechs Profi-Rennställe in Deutschland gab.
Marcel Kittel hat ein hartes Jahr hinter sich. Was raten Sie ihm, damit er wieder so erfolgreich wird wie 2013 und 2014?
Förster: Er ist ein Top-Sprinter hat ein gutes Umfeld. Und er ist wieder zu einem Top-Team gewechselt. Für so einen jungen Mann ist es ja nicht einfach, in einem Team mit Degenkolb zu fahren. Auch wenn sich die beiden gut verstehen, gibt es immer ein psychisches Gerangel. Der eine legt vor, der andere muss nachziehen. In einem Team mit zwei Top-Fahrern gibt es immer einen Plan B, falls einer nicht zieht. Wenn es diese Variante nicht gibt, bekommt man das Vertrauen, auch wenn es mal nicht so gut läuft. Das stärkt einen jungen Mann.
Kann man André Greipel, der ein überragendes Jahr hingelegt hat, mit Kittel vergleichen?
Förster: Greipel ist etwas bergfester. Ich habe ihn schon den Berg hochfahren sehen, das war unglaublich. Kittel ist vom Alter her noch nicht so stark. In der reinen Endschnelligkeit würde ich ihn vielleicht etwas stärker einschätzen. Zwischen beiden wird wohl der Zug entscheiden, der die bessere Vorbereitung macht. Auch das psychologische spielt eine Rolle. Es gibt zwei belgische Teams mit je einem deutschen Sprinter. Wenn der eine mal drei Siege vorgelegt hat, kommt die andere Mannschaft in der Presse unter Druck. Das ist dann der Moment, wo man zeigen muss, dass man stark ist."
Sie sprechen aus Erfahrung?
Förster: Ja! Ich war bei Gerolsteiner. Wenn damals Telekom einiges vorgelegt hatte, kamen wir unter Druck, auch etwas zeigen zu müssen.
Sie sind in Ihrer vierzehnjährigen Karriere nur für vier Teams gefahren: Nürnberger, Gerolsteiner, Milram und UnitedHealthcare. Sind Sie ein besonders bodenständiger Typ?
Förster: Wie man es nimmt. Bei Nürnberger hat es mir gefallen. Dann haben sie zugemacht. Dann bin ich zu Gerolsteiner und die haben zugemacht, ebenso Milram, und zuletzt hat United Healthcare seine Europa-Sparte eingestellt. Ich bin immer bis zum Schluss geblieben. Ich habe mich immer wohlgefühlt.
Ihre sportlich erfolgreichste Zeit erlebten Sie beim Team Gerolsteiner. Haben Sie sich im Rennstall von Hans-Michal Holczer auch am wohlsten gefühlt?
Förster: In den letzten Jahren hatte ich die Unterstützung. Ich bin ja mit Hondo und Pollack gefahren, da blieben mir anfangs meistens nur die B-Rennen. Als die beiden weg waren, habe ich mit Sven Krauss einen eigenen Anfahrer bekommen, den besten, den ich je hatte. Da lief es halt. Da war das Vertrauen da. Ich bin dann zu Milram, da wurde auf Ciolek gesetzt. Es war nicht einfach zu verkraften, dass man als Top-Sprinter kein Vertrauen mehr bekommt."
Sie gehören zu denjenigen Fahrern, die nie in Verdacht gerieten, zu unerlaubten Mitteln gegriffen zu haben. Gerieten Sie nie in Versuchung?
Förster: Ich bin nie damit konfrontiert worden. Ich habe immer die Strafe gesehen und mein Vater hat immer gesagt: 'Überlege, was du machst. Du willst auch nach deiner Karriere noch zuhause zum Bäcker gehen.‘ Ich kann jetzt zum Bäcker gehen, habe aber auch nie das große Geld verdient. Ich habe meine Rennen mit Kraft, Glück oder Durchhaltevermögen gewonnen. Auf mich kam nie einer zu und hat mir etwas angeboten."
Wussten Sie, dass andere etwas nehmen?
Förster: Es gab sicher welche, bei denen man es vermutete, aber auch welche, für die man die Hand ins Feuer gelegt hätte. Bestes Beispiel ist Bernhard Kohl. Mit dem bin ich 2008 die Tour gefahren, habe mit ihm auch im Auto gesessen. Da hat er Abends geklagt: "Frösi, ich verstehe das nicht. Ich habe mein ganzes Leben trainiert, warum machen mir die Doper alles zunichte?" Drei Wochen später erzählt er dann, dass er die letzten zehn Jahre gedopt hat. Seit Kohl glaube ich niemandem mehr.
Sie haben Etappensiege beim Giro und der Vuelta gefeiert – warum hat es nie mit einem Tour-Etappensieg geklappt?
Förster: Ich war zur Tour nie auf dem Level, auf dem ich beim Giro oder der Vuelta war. Es hieß immer, ich sei für den Giro gesetzt. Auf ihn habe ich mich vorbereitet. Es hieß: "Wenn es da gut läuft, darfst du auch die Tour fahren". Da habe ich natürlich alles gegeben. Für die Tour hat es danach nicht mehr gereicht. Ich bin auch kein Hitzefahrer. Ich hatte damals schon ein Renngewicht von 83, 84 Kilo. Wenn es dann 45 Grad heiß ist und der Asphalt schmolz, ist das eine andere Belastung als einen Giro im Mai. Da habe ich wohl erholungsmäßig nicht mithalten können. Aber hätte, wäre, wenn …"
Nach dem Ende des Gerolsteiner-Teams wechselten Sie wie viele Ihrer Teamkollegen zu Milram. Wie fällt Ihr Fazit über die beiden Jahre im Team aus?
Förster: Da habe ich etwas die Lust verloren. Mir wurde kein Vertrauen geschenkt. Wir sind für Gerald Ciolek gefahren. Das hat nicht immer so geklappt, warum auch immer. Der Flow war einfach nicht da. Wir kamen vom Super-Team Gerolsteiner, wo am Ende alles passte. Dort war ich sechs Jahre und wechselte dann zu Milram, wo vieles noch drunter und drüber ging.
Der Wechsel in die USA zu UnitedHealthcare 2011 kam für Außenstehende überraschend. Was hat Sie dazu bewogen, es bei einem ausländischen Team zu probieren?
Förster: Nach Milram musste ich mir überlegen, was ich eigentlich will. Da kam UnitedHealthcare als neues Team. Sie brauchten einen erfahrenen Europäer. Da sah ich wieder einen Sinn, eine Aufgabe drin, 80 Tage im Jahr Rennen zu fahren.
Sie fuhren immerhin fünf Jahre für den Rennstall und es scheint, als ob sich Ihre Rolle dort im Lauf der Zeit veränderte – und zwar vom Sprintkapitän zum Mentor der jungen Sprintergarde. War das so geplant?
Förster: Im ersten Jahr habe ich noch Siege eingefahren. Da war alles gut. Doch im ersten Trainingslager kam Teamchef Mike Tamayo zu mir und erklärte, dass sie ein amerikanisches Team seien und einen amerikanischen Sprinter brauchen. Ob ich nicht den Jungen helfen wollte. "Klar", sagte ich. Da kam Jake Keough. Um den habe ich mich dann gekümmert. Das hat Spaß gemacht.
2013 fielen Sie nach einem Trainingssturz mit einer schweren Knieverletzung monatelang aus. Wie oft wurden Sie operiert?
Förster: Fünfmal!
Was war alles kaputt?
Förster: Ich hatte einen Brems-Schalthebel im Knie. Der Schleimbeutel wurde zur Hälfte entfernt. Alles war gut und ich konnte wieder fahren. Doch nach fünf Wochen bin ich auf dem Rad kollabiert. Ich bin zwar noch selbst in Krankenhaus gefahren. Doch dort wurde eine schwere Blutvergiftung im Knie festgestellt, bzw. mittlerweile im ganzen Körper. Das Ziel der Ärzte war nur noch, mein Bein zu retten.
Sie kamen trotzdem wieder zurück und feierten sogar noch einige Siege. Wie wichtig war Ihnen, nicht aufgrund einer Verletzung abtreten zu müssen?
Förster: Sehr wichtig! Ich habe immer gesagt, dass ich entscheide, wenn ich abtrete. Ich hatte ja über viele Jahre mit Professor Junker aus Leipzig zusammengearbeitet, der mir auch eine psychologische Stütze war. Der war nicht nur Trainer. Mir war immer wichtig, eine neutrale Meinung zu haben. Der hat mir viel geholfen. Ich bin dann nach China, wo ich mir vorgenommen hatte, eine Etappe zu gewinnen. Das hat dann auch geklappt.
Wie fällt die Bilanz Ihrer Karriere aus – hätten Sie rückblickend gerne etwas anders gemacht?
Förster: Nein! Ich bin zufrieden, wie es gelaufen ist. Ich habe meine Etappen gewonnen. Ich war nie ein Klassikerfahrer. Wenn ich sehe, wie Degenkolb, Greipel und Kittel fahren, das sieht richtig stark aus. Von meiner letzten Saison war ich etwas enttäuscht. Der Sponsor sagte, dass er Ende 2015 aufhören wolle. Aber es wurden nur noch 40 Renntage. Die waren auch so schlecht verteilt, mit langen Pausen, dass wir keinen Stich mehr machen konnten. Wenn ich meine 15. und letzte Saison noch hätte vollmachen können, wäre alles gut gewesen.
Was werden Sie in Zukunft machen?
Förster: Ich könnte mir einen Job im Radsport vorstellen. Sportlicher Leiter oder ein neutraler Berater für junge Rennfahrer. Aber zuerst möchte ich ein bisschen Abstand gewinnen.
Gibt es noch ein Abschiedsrennen?
Förster: Da bin ich mir noch nicht sicher. Viele fragen mich. Manche können es nicht glauben, dass ich aufhöre. Aber irgendwann muss man mal den Stecker ziehen.
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