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16.07.2015 | (rsn) - Gegen 22 Uhr war Feierabend für Emanuel Buchmann (Bora-Argon 18), das letzte TV-Interview mit der ARD im gläsernen Küchentruck des Hauptsponsors beendet. Nach seinem starken Auftritt auf der zweiten Pyrenäenetappe der Tour de France war der 22-Jährige ein gefragter Gesprächspartner. Doch auch als die ARD-Kollegen das Teamhotel in Pau, wo die Tour-Teams seit dem Ruhetag vier Nächte verbrachten, verließen, blieb Buchmann in der mobilen Bora-Küche.
Der Ravensburger wollte vor dem Schlafen noch einmal eine halbe Stunde mit seinem Kumpel Dominik Nerz bei Köchin Claudia und Physiotherapeutin Melanie verbringen, wie schon zuvor häufiger während der Tour. Schließlich stand am nächsten Morgen der Abschied von seinem Zimmerkollegen an. „Es ist schade, dass er dann weg ist. Ich war gerne mit ihm auf dem Zimmer, wir verstehen uns richtig gut", hatte Buchmann radsport-news.com schon direkt nach der Etappe gesagt.
Das Verhältnis der beiden derzeit wohl stärksten deutschen Kletterer ist ein gutes und Buchmann froh, von dem etwas erfahreneren Nerz lernen zu können: „Er ist ja ein ähnlicher Fahrertyp und kann mir einige Tipps geben."
In den Pyrenäen war es jedoch Nerz, der Buchmanns Hilfe in Anspruch nehmen musste. Der Kapitän des deutschen Zweitdivisionärs litt bereits seit der 3. Etappe an den Folgen des Massensturzes, der auch schon für Fabian Cancellara die Tour beendet hatte. „Seitdem habe ich mich nicht mehr richtig erholt, konnte kaum schlafen", sagte der 25-Jährige, der auf der 11. Etappe völlig entkräftet aufgab, nachdem ihn Buchmann einen Tag zuvor als treuer Helfer zur Bergankunft nach La Pierre Saint Martin hinaufgebracht hatte. Zu Nerz' Sturzverletzungen kamen nach dem Ruhetag Magenprobleme hinzu.
„Ich habe viel Zeit auf der Toilette verbracht", erzählte Nerz von den letzten 24 Stunden seiner Tour de France. „Und wenn man bei der Hitze schon dehydriert startet - so viele Nährstoffe kann man gar nicht mehr aufnehmen, wie man da braucht. Zwischen dem ersten und zweiten Berg waren die Akkus endgültig leer. Ich hatte Mühe, mich auf dem Rad zu halten. Als ich merkte, dass mein Blick verschwimmt und alles schwarz wird, musste ich das Handtuch werfen. Ich war über dem Limit."
Klar: Die Enttäuschung saß tief, Nerz hatte sich für seine erste große Rundfahrt als Kapitän viel vorgenommen - und nun musste er die Kapitänsbinde nach der halben Tour an seinen drei Jahre jüngeren Freund weiterreichen, auch wenn der betonte:„Es gibt jetzt keine richtige Hierarchie mehr. Die Gesamtwertung ist ohnehin gelaufen." Buchmann liegt bereits 57 Minuten hinter dem Gelben Trikot und wird, wie der Rest des Teams, auf ein weiteres gutes Etappenresultat hoffen. In den Bergen dürfte er aber doch eine geschützte Rolle haben.
Trotz des Tiefschlags durch sein eigenes Aus konnte sich Nerz richtig freuen, als er seinen Zimmerkollegen auf dem Weg nach Cauterets beobachtete. „Das war ein richtiger Husarenritt von ihm - Chapeau! Er hat heute mal wieder sein Talent und seine Fähigkeiten durchblitzen lassen. Aber er kann noch so viel mehr! Wenn man ihm noch etwas Zeit gibt, wird er ein ganz Großer", sagte Nerz dem ZDF und schwärmte auch Minuten später am Mikrofon der ARD weiter: „Emanuel ist einfach eine Sensation, der ist unglaublich. Klar ist es für mich ein schwieriger Tag, aber ich habe mich so gefreut, als ich ihn da gesehen habe - ein dritter Platz bei so einer Etappe!"
Nerz, der nun immerhin 15 Nächte am Stück mit Buchmann verbracht hat, sprach nur gut über den 22-Jährigen: „Er wird sich wahrscheinlich so 'enthusiastisch' gefreut haben, wie bei seinem deutschen Meistertitel, als er nur da saß und in sich hinein gegrinst hat. Aber das ist eben Emu, und ich hoffe, das bewahrt er sich. Er ist ein klasse Typ - schüchtern und bescheiden, aber stille Wasser sind tief: Wenn er mal etwas sagt, dann sitzt das richtig!"
Schon am Dienstag hatte Nerz über die Medien ein großes Dankeschön an seinen Kumpel geschickt, nachdem der sich im Schlussanstieg von La Pierre Saint Martin voll in seinen Dienst gestellt hatte, obwohl er offensichtlich schneller gekonnt hätte. Nun wollte er Buchmann am Mittwoch nicht noch einmal aufhalten.
„Wir haben Dominik auch Helfer zur Seite gestellt, wollten Emanuel Buchmann aber nicht nochmal blockieren", erklärte Teamchef Ralph Denk, dass der Deutsche Meister für die 11. Etappe von Beginn an grünes Licht für Attacken hatte. „Wir wussten, dass er in Top-Form ist. Und wenn es einem so schlecht geht wie Dominik heute, können die Anderen ihm auch nicht viel helfen. Da wäre es vermessen, Emanuel nicht fahren zu lassen."
Die Entscheidung stellte sich als goldrichtig heraus, schließlich wurde selbst Nerz' Stimmung dadurch letztendlich aufgehellt. Und so konnte der Wangener seinen letzten Abend vor dem Heimflug bis Mitternacht in lockerer und entspannter Stimmung im Küchentruck doch noch irgendwie genießen - Gemüse schnibbelnd und Töpfe abtrocknend. Beim Kochen kriegt man den Kopf frei, heißt es ja.
Emanuel Buchmann im Interview nach der 11. Tour-Etappe: