Velocio-SRAM wehrt alle Attacken ab

Dem Team sei Dank: Brennauer feiert Riesenerfolg in England

Von Felix Mattis aus Hemel Hempstead

Foto zu dem Text "Dem Team sei Dank: Brennauer feiert Riesenerfolg in England"
Lisa Brennauer deutet es mit ihrer Geste an: Der Sieg bei der Women´s Tour war eine Sache des Teamworks von Velocio-SRAM. | Foto: Felix Mattis

22.06.2015  |  (rsn) - Lisa Brennauer wusste, bei wem sie ich zu bedanken hatte. Deshalb versammelte die Gesamtsiegerin der 2. Aviva Women's Tour sofort ihre Teamkolleginnen um sich, als sich die Fotografen für die ersten Siegerfotos vorbereiteten und deutete mit ihren Händen an, was sie kurz zuvor bereits auf Englisch gesagt hatte, als die Velocio-Mädels wie ein Fußballteam mit zusammengesteckten Köpfen einen Kreis bildeten: „This is yours, really!"

Die 27-Jährige verteidigte das Gelbe Trikot, obwohl die zahlreichen Attacken der Konkurrenz sie zwischenzeitlich immer wieder ins Hintertreffen gebracht hatten.

„Es ist schwer, die richtigen Worte zu finden. Ich muss meinen Teamkolleginnen heute sehr danken, denn es war nicht leicht da draußen", erklärte sie später auf der Pressekonferenz und gab gegenüber radsport-news.com auch zu: „Sie mussten mich das eine oder andere Mal zurück zur Spitze bringen."

Vor allem die ehemalige Weltranglistenerste Emma Johansson (Orica-AIS) machte Brennauer, Trixi Worrack und dem Rest von Velocio-SRAM das Leben auf den 102,6 Kilometern zwischen Marlow und Hemel Hempstead schwer. Die Schwedin, die als Gesamtvierte nur elf Sekunden Rückstand mit in die Schlussetappe gebracht hatte, attackierte gleich mehrfach, doch Worrack, Tiffany Cromwell und Elise Delzenne fuhren die Lücken immer wieder zu. Dabei spielten vor allem Worracks Erfahrung und Rennübersicht eine wichtige Rolle. „Wir haben uns nicht beirren lassen: Ich habe gewartet und Lisa im Flachen immer wieder hingefahren", erklärte die 33-Jährige radsport-news.com.

Am Ende genügte Brennauer ein vierter Platz im Zielsprint von Hemel Hempstead, um die Rundfahrt mit sechs Sekunden Vorsprung vor Jolien D'Hoore (Wiggle-Honda) und sieben Sekunden vor der Luxemburgerin Christine Majerus (Boels-Dolmans) zu gewinnen, der sie das Gelbe Trikot erst am Vortag abgenommen hatte. „Ich bin wirklich glücklich und überwältigt", sagte Brennauer zu Beginn ihrer Pressekonferenz. „Das ist einer meiner größten Erfolge."

Tatsächlich dürften nur die WM-Titel im Einzel- sowie Mannschaftszeitfahren mehr Gewicht haben, als Brennauers Gesamtsieg bei der mit knapp 38.000 Euro Gesamtpreisgeld höchstdotierten Frauen-Rundfahrt. „Dieses Rennen spielt eine sehr große Rolle im Frauenkalender, also ist das ein sehr großer Erfolg für mich", sagte sie und blickte gegenüber radsport-news.com auch nochmal ein Jahr zurück: „Vor allem, weil wir letztes Jahr ohne Sieg oder Trikot oder Podiumsplatz hier rausgegangen sind, ist es jetzt cool, gewinnen zu können."

Velocio-SRAM hat mit der Energiewacht Tour (Brennauer), der Kalifornien-Rundfahrt (Worrack) und der Women's Tour in England nun die drei medial am meisten beachteten Etappenrennen der bisherigen Saison allesamt gewonnen. Das ließ auch Sportdirektor Ronny Lauke und Teambesitzerin Kristy Scrymgeour strahlen, die für die kommende Saison weiterhin nach neuen Sponsoren sucht.

Da war es auch egal, dass auf der Schlussetappe in Hemel Hempstead erstmals im Verlauf der Rundfahrt keine Fahrerin des deutschen Rennstalls auf eine der ersten zwei Positionen gefahren ist. Der Etappensieg ging nämlich an die Britin Hannah Barnes (UnitedHealthcare), die ihren Sprint bei der fünften Massenankunft in fünf Tagen ideal timete und erst auf den letzten 20 Metern mit der mit Abstand höchsten Endgeschwindigkeit am rechten Straßenrand an allen vorbei zum Sieg stürmte. Hinter ihr kamen D'Hoore und Simona Frapporti (Alé Cipollini) auf die Plätze zwei und drei.

„Wir sind die letzten zehn Kilometer gestern abgefahren und ich wusste, dass es eine sehr lange Zielgerade ist", erklärte Barnes, und Brennauer bestätigte, „vielleicht einen Tick zu früh losgefahren" zu sein. Die Deutsche Meisterin war bereits gut 200 Meter vor dem Ziel auf der leicht ansteigenden Zielgeraden im Wind gewesen und konnte ihre Position gegen das schnellere Trio am Ende nicht mehr verteidigen. Da aber einzig Majerus mit der zehnsekündigen Zeitbonifikation für den Tagessieg in der Gesamtwertung noch an Brennauer hätte vorbeiziehen können und die Luxemburgerin hinter Brennauer Fünfte wurde, durfte der Allgäuerin die Sprintniederlage egal sein.

Schon bald nach dem Start der Schlussetappe hatte sich mit der Schweizerin Emilie Aubry (Bigla) und der Brasilianerin Uenia Fernandes Souza (Alé Cipollini) ein Ausreißerduo gebildet, das einige Kilometer später durch Anouska Koster (Rabobank-Liv) und Gracie Elvin (Orica-AIS) zwei weitere Mitstreiterinnen fand. Das Quartett fuhr mehr als eine Minute Vorsprung heraus, doch nach rund 40 Kilometern wurde im Hauptfeld das Tempo erhöht.

Es ging auf die erste Bergwertung zu, und dort setzte Johansson die erste ihrer scharfen Attacken. Nur Flandern-Siegerin Elisa Longo Borghini (Wiggle-Honda) und Megan Guarnier (Boels-Dolmans) sowie kurze Zeit später Sabrina Stultiens (Liv-Plantur) konnten folgen. Doch als das Quartett kurz nach dem Bergpreis die vier Spitzenreiterinnen einholte und sich eine achtköpfige Gruppe formierte, war das auf 20 Frauen reduzierte erste Feld - angeführt von Velocio-SRAM - nicht weit.

Es blieb hektisch und Majerus sicherte sich als Erste am ersten Zwischensprint eine Bonussekunde mehr als Brennauer, um in der Gesamtwertung von neun auf acht Sekunden Abstand zu verkürzen. Als anschließend das Tempo kurz etwas herunterging, nahm sich Claudia Lichtenberg (Liv-Plantur) ein Herz und setzte zu einem langen Solo an. Die Deutsche, die nach einem schweren Sturz bei Gent-Wevelgem erst Anfang Juni ins Renngeschehen zurückgekehrt war, fuhr auf rund anderthalb Minuten davon.

Im Anstieg zur zweiten Bergwertung war es im Feld hinter Lichtenberg erneut Johansson, die in die Offensive ging. Diesmal konnte ihr zunächst niemand folgen, doch am Bergpreis bei Kilometer 83 schlossen wie bereits beim ersten Mal Longo Borghini, Guarnier und Stultiens auf - und kurz danach auch wieder das Feld. Johansson zuckte noch einmal, doch auch dieser Vorstoß wurde vereitelt.

Eine Konterattacke kam von Audrey Cordon-Ragot (Wiggle-Honda). Die Französin fuhr allein zu Lichtenberg vor und das Duo behauptete sich, wie fast jede Ausreißergruppe der Women's Tour in diesem Jahr, bis ganz kurz vor Schluss. Mit 25 Sekunden kamen die Beiden auf die letzten fünf Kilometer. In der Schlussphase wurde das Feld hauptsächlich von den Teams Orica-AIS und Bigla angeführt, die beide noch ohne Etappensieg waren.

Eine kurze Schrecksekunde musste Brennauer noch überstehen, als zwei Kilometer vor dem Ziel die zweifache Junioren-Weltmeisterin Amalie Dideriksen (Boels-Dolmans) eine enge Kurvenkombination perfekt erwischte und mit ihrer Teamkollegin Majerus am Hinterrad ein Loch riss. Doch der Weg zum Ziel war noch zu weit, und so wurde das Duo ebenso wieder eingeholt, wie 300 Meter vor dem Ziel Lichtenberg und Cordon-Ragot.

„Natürlich ist es bitter, so kurz vor dem Ziel eingeholt zu werden. Aber so ist Rennfahren nunmal", sagte Lichtenberg, die selbst überrascht war, dass sie mit ihrem Angriff so weit kommen konnte. „Eigentlich wollte ich nur eine Attacke von Sabrina Stultiens vorbereiten und das Rennen schwerer machen. Deshalb habe ich angegriffen, als es langsamer geworden ist."

Für Lichtenberg ging es am Sonntag nach dem Rennen genauso schnell in Richtung Münchener Flughafen nach Hause wie für Brennauer. Beide müssen sich in den kommenden Tagen so gut es geht erholen, bevor am nächsten Wochenende im südhessischen Bensheim die Deutschen Meisterschaften stattfinden.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

22.06.2015Lichtenberg setzt ungewollt zum beinahe siegbringenden Solo an

(rsn) - So wirklich verstehen konnte die Entscheidung der Jury wohl niemand: Gracie Elvin (Orica-AIS), die lediglich auf den ersten 40 Kilometern des Rennens in einer recht ungefährlichen vierköpfig

21.06.2015Brennauer lässt sich am letzten Tag das Gelbe nicht mehr nehmen

(rsn) – Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) hat am letzten Tag der Aviva Women´s Tour (2.1) ihr Gelbes Trikot verteidigt und sich bei der 2. Auflage der fünftägigen Rundfahrt durch Großbritannien den

21.06.2015L.L. Sánchez gewinnt Gold in Baku, Knauer von Auto umgefahren

(rsn) – Luis Léon Sànchez (Astana) hat im Straßenrennen der European Games in Aserbaidschan die Goldmedaille gewonnen. Der 31 Jahre alte Spanier setzte sich auf dem Rundkurs in der Hauptstadt Bak

20.06.2015Täglicher Überlebenskampf: Ortmüller heimliche Heldin der Women´s Tour

(rsn) - Spätestens nach der 3. Etappe, dem mit 139 Kilometern längsten Teilstück von Oundle nach Kettering, war sie die heimliche Heldin der Aviva Women´s Tour: Madeleine Ortmüller. Die 20-jähri

20.06.2015Brennauer lässt Velocio zum zweiten Mal an einem Tag jubeln

(rsn) - Im englischen Nieselregen hat Lisa Brennauer den 20. Juni zu einem perfekten Tag für das Team Velocio-SRAM gemacht. Die Deutsche Meisterin gewann in Stevenage die 103,8 Kilometer lange 4. Eta

20.06.2015Brennauer holt sich das Gelbe Trikot von Majerus zurück

(rsn) – Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) hat sich bei der Aviva Women´s Tour (2.1) nach nur einem Tag das Gelbe Trikot zurückgeholt, das sie am Freitag an die Luxemburgerin Christine Majerus (Boels-D

20.06.2015Majerus rast der Konkurrenz im technisch schweren Finale davon

(rsn) - Mit einem langen Sprint, aber auch mit Mut und zumindest theoretischer Streckenkenntnis hat Christine Majerus (Boels-Dolmans) in Kettering die 3. Etappe der Aviva Women´s Tour für sich entsc

19.06.2015Majerus fährt Brennauer aus dem Gelben Trikot

(rsn) – Nur einen Tag hat sich Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) bei der Aviva Women's Tour (2.1) in Großbritannien über das Gelbe Trikot freuen dürfen. Auf der 3. Etappe musste die Deutsche Meisteri

19.06.2015Nachmittags freundet sich Brennauer auch mit Gelb noch an

(rsn)- In Clacton-On-Sea konnte sich Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) auch über das Gelbe Trikot endlich freuen. Wenige Stunden vorher hatte sie das Leibchen der Gesamtführenden am Start in Braintree n

18.06.2015Lechner: „...dann nimmt uns Deutsche keiner mehr ernst."

(rsn) - Das hatte sie sich selbst eingebrockt: Nach knapp 45 der 138 Kilometer am zweiten Tag der Aviva Women´s Tour befand sich Corinna Lechner (Nationalteam Deutschland) auf dem Weg von Braintree n

18.06.2015D´Hoore siegt entgegen dem eigenen Plan

(rsn) - Schon mehrfach im Verlauf der Saison wurde deutlich, dass Jolien D´Hoore inzwischen die stärkste Sprinterin bei Wiggle-Honda ist. Auf der 138 Kilometer langen 2. Etappe der Aviva Women´s To

18.06.2015Brennauer übernimmt als Etappenzweite die Gesamtführung

(rsn) – Lisa Brennauer (Velocio-SRAM) hat auf der 2. Etappe der Aviva Women´s Tour (2.1) in England die Spitze der Gesamtwertung übernommen. Die Deutsche Meisterin musste sich nach 138 Kilometern

Weitere Radsportnachrichten

21.12.2024Schöne Highlights und ein sehr starker August

(rsn) – 22 Jahre ist Fabio Christen (Q36.5 Pro Cycling) alt, und der Schweizer kommt aus einer wahren Radsportfamilie. Schon sein Großvater gehörte zu den besten Straßensportlern und auch sein Va

21.12.2024Red-Bull-Sportchef Aldag über die Transfers von Lazkano und Co.

(rsn) – Es war abzusehen, dass Red Bull – Bora – hansgrohe auch in diesem Winter wieder allerhand Veränderungen am Kader für die neue Saison vornehmen würde. Neun Profis stoßen 2025 zum Team

21.12.2024Vandeputte mit Start-Ziel-Sieg zum ersten Weltcuperfolg

(rsn) – Dank einer technischen Glanzleistung hat Niels Vandeputte (Alpecin – Deceuninck) in Hulst nicht nur einen Start-Ziel-Sieg, sondern auch seinen ersten Weltcup-Erfolg gefeiert. Der Belgier w

21.12.2024Schreiber startet am schnellsten und bleibt bis zum Schluss vorn

(rsn) – Schnellstarterin Marie Schreiber (SD Worx – Protime) hat den Cross-Weltcup in Hulst mit einem Start-Ziel-Sieg für sich entschieden. Lucinda Brand (Baloise – Trek Lions) baute als Zweite

21.12.2024Knolle, Groß, John und Zemke zu rad-net - Rembe - Sauerland

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

21.12.2024Vom Niemandsland nach Alpe d’Huez in wenigen Monaten

(rsn) – Als Ruderin stand Valentina Cavallar schon bei den Olympischen Spielen am Start und ihr Einstieg in den Radsport kam dann doch sehr überraschend. Erst im April fand sie einen Platz bei der

21.12.2024“Riesige Erleichterung“: Auf dem Weg zurück zu alter Stärke

(rsn) – Er war noch nicht ganz wieder der Alte, doch nach zwei krankheitsbedingt schwarzen Saisons hat Maximilian Schachmann 2024 endlich erneut aufblitzen lassen können, wozu er fähig ist. Das ge

21.12.2024Van Empel muss Cross-Wochenende auslassen

(rsn) - Wegen eines Trainingssturzes muss Weltmeisterin Fem van Empel (Visma – Lease a Bike) die beiden Cross-Weltcups in Hulst und Zonhoven an diesem Wochenende auslassen. Wie die Niederländerin a

21.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

20.12.2024Meisterschaftsdoppel versöhnte nach Olympia-Enttäuschung

(rsn) – Die Olympischen Spiele in Paris hatten die Österreicherin Anna Kiesenhofer (Roland) wieder in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit zurückgeholt. Immer wieder wurde ihre Sensationsfahrt v

20.12.2024Van Aert kehrt in Mol zu seiner ersten Liebe zurück

(rsn) - Viel Zeit zur Vorbereitung konnte sich Wout van Aert (30) nicht gönnen. Nach nur drei Tagen im Cross-Training will der Belgier am Montag beim Superprestige in Mol starten. Der Cross-Vizeweltm

20.12.2024Van Schip wegen Drohungen und Beleidigungen gesperrt

(rsn) - Wegen "Beleidigungen, Drohungen und unangemessenem Verhalten“ bei der Bahn-WM in Ballerup (Dänemark) hat die UCI den Niederländer Jan-Willem van Schip vom 27. Dezember 2024 bis zum 1. Febr

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine