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18.07.2014 | (rsn) - Am Mannschaftsbus von NetApp-Endura hatten sich seine Mutter und einige Freunde mit tschechischen Flaggen postiert, um Leopold König auf dem ersten Ehrenkategorie-Gipfel der 101. Tour de France zu empfangen. Doch Mama König und der Anhang mussten warten. Ihr Held des Tages hatte zunächst seine Urinprobe abzugeben, bevor er sich feiern lassen und auch von den nach und nach eintrudelnden Teamkollegen per Kuss auf die Wange oder zumindest durch eine Umarmung und High-Fives beglückwünschen zu lassen.
Nein, König hatte die Bergankunft in Chamrousse nicht gewonnen, sondern war Dritter geworden. Doch für den 26-Jährigen war seine Leistung im 18,2 Kilometer langen Schlussanstieg Befreiungsschlag und Bestätigung zugleich.
„Ich habe mich 13 Tage lang auf heute gefreut - und dann war es endlich soweit. Ich bin glücklich, dass ich mit den Besten der Besten klettern konnte“, sagte der Mann, der im vergangenen Jahr in den USA sowie bei der Spanien-Rundfahrt bereits durch Etappensiege bei schweren Bergetappen beeindruckte. 2014 aber lief für König bislang nicht so gut wie erhofft, und auch bei seiner Tour-Premiere war er zunächst vom Pech verfolgt. Stürze und Defekte kosteten ihn in der ersten Tour-Woche bereits mehrere Minuten.
Angesichts der vergangenen Tage wollte der NetApp-Endura-Kapitän in Chamrousse dann auch keine allzu großen Ankündigungen machen. „Ich schaue jetzt von Tag zu Tag, möchte einfach konstant auf diesem Level bleiben und hoffe, dass ich keinen schlechten Tag bekomme“, sagte König.
Sein Auftritt auf dem Weg nach Chamrousse lässt aber mehr erahnen. König war in der Schlusssteigung - abgesehen von Etappen- und bald möglicherweise auch Tour-Sieger Vincenzo Nibali (Astana) - der Stärkste im ganzen Peloton. Sein Angriff elf Kilometer vor dem Ziel kam nicht etwa in einer Phase, als das Feld noch bei gemäßigtem Tempo von Nibalis Helfern kontrolliert wurde. Der Schlagabtausch der Favoriten hatte da bereits begonnen und man kann daher nicht davon sprechen, dass König einen Vorsprung geschenkt bekommen hätte.
„Ich habe etwas früher attackiert, als es geplant war. Aber die Situation war gut, denn bei der Pinot-Attacke hatte ich gesehen, dass niemand die Beine hatte, um etwas zu unternehmen“, erklärte König seine spontane Idee, es mit einer langen Flucht zu versuchen. Lediglich der Pole Rafal Majka (Tinkoff-Saxo) folgte ihm und tat das für die nächsten 10,5 Kilometer, bis er kurz vor dem Ziel an dem Tschechen vorbeizog.
„Ich hatte nicht erwartet, dass er mir hilft. Aber weil er das nicht tat, hätte ich dann auch nicht erwartet, dass er mich am Ende noch angreift“, sagte König über die einzige Enttäuschung dieses 18. Juli. „Es ist seine Sache und vielleicht ist er jetzt glücklich. Aber ich wäre nicht glücklich, wenn ich nicht arbeite und dann den anderen trotzdem noch übersprinte. Das ist kein gutes Verhalten, kein Fair-Play.“
Doch seine gute Laune wollte sich König dadurch nicht verderben lassen - zumal er den Sprung vom 19. auf den zehnten Platz im Gesamtklassement schaffte und nur noch eine Sekunde hinter Weltmeister Rui Costa (Lampre-Merida) liegt. Auch wenn Platz acht noch zwei Minuten weg ist, die Tendenz zeigt nach oben - und das Tour-Ziel seines Teams hätte er mit Rang zehn ohnehin bereits übererfüllt.
König aber will sich damit nicht zufriedengeben. „Es war nie mein Ziel, in die Top 15 zu fahren. Das war das Ziel der Teamleitung. Die haben etwas tiefgestapelt. Ich selbst wollte von Anfang an in die Top Ten“, so der Rundfahrtspezialist, der am Berg nun wohl nur noch Nibali fürchten muss.
Der Mann in Gelb holte sich in Chamrousse nämlich souverän seinen dritten Etappensieg. Als er von hinten an König und Majka herankam, hätte man kurz den Eindruck bekommen können, dass Nibali nun genug habe und einem der beiden den Tagessieg überlassen würde, weil er seine härtesten Kontrahenten im Gesamtklassement bereits distanziert hatte. Doch am 100. Geburtstag von Gino Bartali und dem Todestag von Fabio Casartelli wäre eine solche Geste von einem Italiener wohl etwas zu viel verlangt gewesen.
3,3 Kilometer vor dem Ziel ließ er die beiden stehen und fuhr einmal mehr als Solist dem Ziel entgegen. „Nachdem ich zehn Kilometer lang alleine Tempo machen musste, bin ich mein eigenes Tempo weitergefahren. Ich habe noch nicht mal versucht, Nibali zu folgen“, erklärte König später. „Es hätte keinen Sinn gemacht in dem Moment.“
Am Ende fehlten ihm nur elf Sekunden zum Tagessieger. Doch während andere ihre Entscheidung, nicht zu versuchen, Nibali hinterherzufahren, angesichts des am Ende geringen Abstandes vielleicht bereut hätten, sah König es positiv: „Das gibt mir für die nächsten Tage viel Selbstvertrauen!“
Vier schwere Bergetappen liegen noch vor dem Peloton - vier Chancen für König, einen Etappensieg einzufahren. Mit der Leistung von Chamrousse scheint das jedenfalls nur eine Frage der Zeit.
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