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24.07.2011 | Sonntag, 24.Juli: 21. und letzte Etappe 95 km
(rsn) - Nach genau 3333 gefahrenen Kilometern erreicht der Tour-Tross heute Nachmittag das traditionelle Endziel der 98.Tour de France auf den Champs-Élysées. Seit dem 2.Juli beim Start in der Vendée am Atlantik haben sich von 198 gestarteten Profis 167 durchgekämpft. 32 Rennfahrer schieden nach Sturz, Krankheit und nach Kontrollschluss vorzeitig aus.
Es war eine schwere Tour, die durch die Bretagne und die Normandie führte, dann ins Zentralmassiv mit den ersten Bergen, bevor sich die Pyrenäen auftürmten. In der letzten Woche folgten drei hammerharte Etappen in den Alpen mit der Jubiläumsankunft auf dem Galibier, genau 100 Jahre, nachdem dieser Pass als erster bezwungen wurde. Es war in 2.645 Metern Höhe zugleich die höchste Zielankunft in der Geschichte der Tour.
Nach dem Zeitfahren gestern in Grenoble wurden die Fahrer heute morgen mit dem Schnellzug TGV (Train grande vitesse) nach Créteil, zum Start der 21. und letzten Etappe gebracht.
Der Start erfolgt um 14.50 Uhr in Créteil, nur acht Kilometer von der französischen Metropole entfernt. Hier gewann 1969 der Belgier Joseph Spruyt von der berühmten Molteni-Mannschaft und 1983 siegte der Niederländer Frits Pirard. Nach 1987 ist Crèteil also zum zweiten Mal Startort bei der Tour. Die heutige Distanz beträgt 95 Kilometer und führt durch die Departements Val-de-Marne und Paris. Nach 51 Kilometern kommen die Fahrer auf den Rundkurs und die restlichen 44 Kilometer werden in acht Runden absolviert. Etwa gegen 17 Uhr gehört diese Tour de France dann der Vergangenheit an.
Das acht Kilometer vor den Toren von Paris liegende Créteil ist seit 1965 Hauptort des Departements Val-de-Marne und liegt im Südosten der Region Ĭle-de-France zwischen Seine und Marne. Die frühere Gemüsestadt erfuhr in den 1960er Jahren einen grandiosen Aufschwung; im Laufe der Zeit ist sie zu einer Stadt mit einer echten Identität gereift.
Vor dem Start in Créteil denken wir ganz besonders an Laurent Fignon, der Mitglied im lokalen Radsportclub war. Der frühere Tour de France-Sieger verstarb letztes Jahr im August an einem Krebsleiden. Unvergessen bleibt der Krimi um den Gesamtsieg 1989, als Fignon mit 50 Sekunden Vorsprung in das entscheidende Zeitfahren über 24,5 Kilometer von Versailles nach Paris ging. Im Nacken saß ihm der Amerikaner Greg Lemond.
Der unbekümmerte US-Boy fuhr mit Helm und erstmals mit einem Triathlonlenker. Fignon fuhr ohne Helm und ohne Speziallenker und am Ende verlor er die Tour um acht lumpige Sekunden - der kürzeste Abstand in der Tour-Geschichte.
Laurent Fignon hat kurz vor seinem Tod noch ein Buch veröffentlicht, in dem er sein Leben als Rennfahrer schilderte mit dem Titel: „Wie waren jung- und unbekümmert.“ Der zweimalige Toursieger Fignon stammte aus Paris und studierte Veterinärmedizin. Er hatte immer eine pfiffige Antwort parat, wenn es galt, Fragen der Journalisten und Fans zu beantworten.
Einmal sagte ein Zuschauer zu ihm: „Ach, ich erkenne Sie aber wieder. Sie sind derjenige, der die Tour um acht Sekunden verloren hat!“ „Nein, mein Herr“, antwortete Fignon, „ich bin derjenige, der sie zwei Mal gewonnen hat.“
Die Fahrt geht durch viele Pariser Vorstädte wie Maisons-Alfort, Alfortville, Ivry-sur-Seine, Le Kremlin-Bicêtre, Fontenay-sous-Bois und Vincennes bis auf die Champs-Élysées, wo das Ziel zwischen dem Arc de Triomphe und dem Place de la Concorde liegt.
Die Tour de France kommt seit 1904 zum 137. Mal in Paris an, allerdings an unterschiedlichen Orten. 1903 lag das Ziel in Ville d’Avray vor Paris. Von 1904 bis 1967 war das Ziel im Prinzenparkstadion. Von 1968 bis 1974 endete die letzte Etappe auf der Radrennbahn Piste Municipal de Vincennes. Seit 1975 hat es sich eingebürgert, dass die Tour standesgemäß auf den Champs-Èlysées endet.
Der damalige Bürgermeister von Paris und spätere Staatspräsident Jacques Chirac sorgte dafür, dass das größte und schwerste Radrennen der Welt im Herzen von Paris ankam. Der erste Sieger hieß Walter Godefroot aus Belgien, der spätere Sportliche Leiter des Team Telekom.
Zum ersten und bisher einzigen Mal wurde die letzte Etappe als Zeitfahren ausgetragen, eben im Jahr 1989 mit dem Herzschlagfinale zugunsten von Greg Lemond. Ansonsten fiel die Entscheidung bis auf vier Ausnahmen stets im Schlussspurt. Die Ausnahmen sahen Alain Meslet (1977), Bernard Hinault (1979) Eddy Seigneur (1994) und Alexander Winokurow (2005) als Sieger.
In der bisherigen Historie waren nur drei deutsche Radprofis in Paris erfolgreich. 1966 gewann Rudi Altig das Teilstück von Rambouillet nach Paris vor Ferdinand Bracke/Belgien und dem Franzosen Raymond Poulidor, 1977 besiegte der Frankfurter Dietrich Thurau bei der morgendlichen Halbetappe, ein kurzes Zeitfahren über sechs Kilometer, Gerard Knetemann/Niederlande und Bernard Thevenet/Frankreich.
Schließlich war 1992 Olaf Ludwig bei der letzten Etappe von La Defense nach Paris vor Jean-Paul van Poppel/Niederlande und dem Belgier Johan Museeuw erfolgreich. Obwohl Erik Zabel zwölf Etappen bei der Tour de France gewinnen konnte, schaffte es nie als Sieger auf den Champs-Élysées zu glänzen.
Diesmal wird es noch einen heißen Kampf um den letzten Zwischensprint nach der dritten Zielpassage geben (der Erste bekommt 20 Punkte) und natürlich am Ende, wenn es um 45 Punkte für das begehrte Grüne Trikot des Punktbesten geht und den wichtigen Sieg in Paris, von dem jeder Fahrer träumt. In der Punktewertung fällt die Entscheidung zwischen dem Briten Mark Cavendish (280), dem Spanier José Joaquin Rojas (265) und dem Belgier Philippe Gilbert (230).
Auf den Champs-Élysées, dem berühmten Prachtboulevard in der Mitte von Paris, 1.910 Meter lang und 70 Meter breit. Es wird wie in den meisten Fällen ein Schaulaufen oder besser gesagt ein Schaufahren, bis die Post beim Eintreffen auf dem Rundkurs endgültig abgeht.
Nach dem Start wird ein Gläschen Champagner geschlürft, man stößt während der Fahrt mit Freunden und Widersachern an, der Toursieger steht seit dem gestrigen Zeitfahren fest, die Fotografen kommen auf die tollsten Ideen, um einige lustige Schnappschüsse zu bekommen.
Der Tour-Gewinner wird einen Helm, ein Trikot, eine Brille und Socken tragen und das alles in gelber Farbe. Natürlich ist die Rennmaschine auch in gelbem Farbe lackiert.
Im bummelnden Feld stimmen einige Fahrer wie früher zu Zeiten von Klaus-Peter Thaler aus Gevelsberg angesichts der Nähe zu Paris das bekannte Lied an: „Aux Champs-Élysées“, aux Champs-Élysées“, mit dem Joe Dassin 1970 große Erfolge feierte. Endlich ist Paris erreicht, der Eiffelturm taucht schon am Horizont auf, der ganze Stress fällt ab und alle wollen nur noch fröhlich sein und das mit Gesang.
Der Kampf um die berühmte Rote Laterne, die der letztplatzierte Fahrer in der Gesamtwertung symbolisch innehat, ist auch entschieden. Schlusslicht der 98. Tour de France wird der Italiener Fabio Sabatini (167.Rang) sein, der 3:57:43 hinter dem Australier Cadel Evans liegt, der erstmals in seiner Karriere das größte Radrennen der Welt gewinnen wird. Unvergesssen bleibt das Jahr 1979, als der Österreicher Gerhard Schönbacher mit seiner Roten Laterne, die er unter dem Sattel befestigt hatte, zehn Meter vor der Ziellinie anhielt, abstieg, das Pflaster auf den Champs-Élysées küsste und weinte. Er hatte Paris erreicht mit 4:19.21 Stunden Rückstand auf den Sieger Bernard Hinault. Ein Jahr später wurde Gerhard Schönbacher erneut Letzter mit „nur“ 2:10:52 Stunden Rückstand auf den Gewinner Joop Zoetemelk.
Zum Schluss wollen wir nicht vergessen, einem Mann zum Geburtstag zu gratulieren, der heute 92 Jahre alt wird: Herzlichen Glückwunsch Ferdi Kübler aus der Schweiz. Ein Mann, der viele große Siege in seiner Karriere erzielte, der Weltmeister auf der Straße war und 1950 die Tour de France gewann. Zugleich ist er der älteste von 22 noch lebenden Tour de France-Siegern.
Viel Glück und Gesundheit!
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