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15.07.2011 | 15.Juli: 13.Etappe Pau – Lourdes 152,5 km
(rsn) - Genau wie auf der gestrigen ersten Pyrenäen-Etappe mit dem Col du Tourmalet (2.115 m über dem Meer) ein Berg der höchsten Kategorie auf dem Programm stand, ist heute mit dem Col d’ Aubisque (1.709 m hoch) wieder ein legender Bergriese der höchsten und schwersten Kategorie aus den Anfangsjahren der Tour zu überwinden.
Der Col d’Aubisque verbindet von Westen nach Osten den Ort Laruns im Vallée d’Ossau mit Argelès-Gazost im Tal der Gave de Pau. Schon im Jahr 1860 wurde die Passstraße unter Napoléon III. als Teil der Route thermale des Pyrénée (die Thermalbäderstraße), heute Route des cols (Route der Berge) angelegt. Oberhalb von Gourette wurde ab 1881 Eisen-und Silbererz abgebaut. Mit der Entwicklung des Skisports erhielt die Straße seit den 1930er Jahren größere Bedeutung.
Die mit 152,5 Kilometern zweitkürzeste Etappe der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt startet in Pau im Departement Pyrénées-Atlantique, wo der Tour-Tross seit 1930 bereits zum 65. Mal Station macht. Das Schloss Pau im Zentrum der Altstadt wurde im Mittelalter gegründet und ist der Geburtsort von Heinrich IV.
Berühmte Namen haben sich in dieser Stadt am Fuße der Pyrenäen in die Siegerliste eintragen können. Hier nur eine kleine Auswahl: 1930 begann es mit Alfredo Binda, dann triumphierten hier in den folgenden Jahrzehnten Ausnahmekönner wie Fausto Coppi, Stan Ockers, Federico Bahamontes, Herman van Springel, Felice Gimondi, Bernard Hinault, Pedro Delgado, Claudio Chiappucci, Sean Kelly und im letzten Jahr überraschend der Franzose Pierrick Fédrigo.
Aber auch zwei deutsche Rennfahrer sorgten in der Vergangenheit in Pau als Sieger für Schlagzeilen. Am 2.Juli 1977 war es Dietrich Thurau aus Frankfurt, der in Pau als erster Deutscher eine Pyrenäen-Etappe gewinnen konnte und dabei Pierre-Raymond Villemiane aus Frankreich und den großen Belgier Eddy Merckx im Spurt besiegte.
Dabei war Thurau unterwegs zusammen mit Merckx schon fast hoffnungslos abgeschlagen. In Richtung Pau kam es auf der Abfahrt dann doch noch zum Zusammenschluss und Dietrich Thurau verteidigte sein Gelbes Trikot, das er beim Zeitfahrprolog in Fleurance in der Gascogne durch den Sieg über seinen holländischen Teamgefährten Gerard Knetemann und Eddy Merckx aus Belgien erobert hatte. „Dietrisch Türoo“, wie die Franzosen seinen Namen aussprachen, trug damals das Maillot Jaune 15 Tage lang, durch Belgien über Freiburg im Breisgau bis in die Alpen nach Avoriaz.
Beim Bergzeitfahren von Morzine nach Avoriaz über 14 Kilometer verlor er die Führung in der Gesamtwertung an den späteren Sieger Bernard Thevenet. Thurau wurde 1977 Gesamtfünfter, gewann fünf Etappen und war bester Jungprofi im Weißen Trikot.
Den zweiten deutschen Tageserfolg in Pau holte sich genau zwanzig Jahre später Erik Zabel, der 1997 im Massenspurt den Italiener Nicola Minali und Jeroen Blijlevens aus Holland bezwang.
Die Frage des Tages wird sein, ob einige kletterfeste Ausreißer, die in der Gesamtwertung zurückliegen, von der gegenseitigen Bewachung und Uneinigkeit der Aspiranten auf den Gesamtsieg profitieren können. Kann sich eine kleine Gruppe einen Vorsprung bis auf die Passhöhe am Aubisque erkämpfen, um dann die Führung auf der über 42 Kilometer langen Abfahrt ins Ziel nach Lourdes zu verteidigen?
Die Fahrt geht zunächst über zwei Hügel der 3. Kategorie (die Côte de Cuqueron, 1,5 km lang bei 8,1% Steigung) und der 4. Kategorie (die Côte de Belair, 1.000 m lang bei 8,4% Steigung) bis nach Bielle, wo auch der Sprint des Tages bei Kilometer 70 ausgefahren wird. Bis hier hin müssten die Sprinter kommen, um sich die wertvollen Punkte im Kampf um das Grüne Trikot zu sichern. Ab Laruns verläuft die Strecke immer in östlicher Richtung. In Laruns wird seit einigen Jahren auch ein Wettbewerb für Läufer veranstaltet. Dieser 18,7 Kilometer lange Berglauf führt von diesem malerischen Pyrenäenörtchen hinauf auf den Aubisque.
Über die Stationen Eaux-Bonnes und Gourette (bisher zweimal Etappenziel, 1971 gewann Bernard Labourdette aus Frankreich und 2007 der Däne Michael Rasmussen), verläuft der 16,4 Kilometer lange Anstieg mit einer Steigung im Schnitt von 7,1 % hinauf zum Ausbisque. Die steilste Rampe mit 10% kommt nach Kilometer neun. 1.210 Höhenmeter stellen hohe Anforderungen an die Profis. Der Aubisque ist auch schon seit dem Jahr 1910 im Programm der Tour, als die Strecke erstmals durch das Pyrenäen-Gebirge führte, das sich über 440 Kilometer vom Atlantik bis zum Mittelmeer erstreckt.
1910 standen die Pyrenäen zum ersten Mal im Programm der 8. Tour de France-Austragung. Von den sieben Bergwertungen holte sich der späterer Gesamtsieger Octave Lapize aus Frankreich alleine sechs. Nach den Quälereien am 21.Juli 1910 schrie Octave Lapize auf der Passhöhe den dort anwesenden Tour-Organisatoren entgegen: „Ihr seid Mörder, verdammte Mörder!“
1951 stürzte der holländischer Träger des Gelben Trikots, Wim van Est, bei der Abfahrt spektakulär in eine Schlucht und wurde von seinen Kollegen mit Hilfe von zusammengeknoteten Fahrradschläuchen geborgen.
1985 holte sich der Ire Stephen Roche den Sieg, als das Ziel auf der Passhöhe am Aubisque platziert war. 1995 überquerte das Feld im Gedenken an den zuvor am Portet d’Aspet gestürzten und tödlich verunglückten italienischen Olympiasieger Fabio Casartelli geschlossen die Passhöhe.
Zum 71. Mal seit 1910 (Gewinner François Lafourcade/Frankreich) wird heute der Col d’Aubisque von der steileren Westrampe her überquert. Erfolgreichster Fahrer war der Adler von Toledo, Federico Bahamontes, der gerade 83 Jahre alt wurde und noch immer in seinem Fahrradgeschäft in Toledo zu finden ist. Er war viermal Erster am Aubisque, dreimal der erste italienische Toursieger Ottavio Bottecchia, zweimal Vicente Trueba, Jean Robic, Julio Jimenez und Fausto Coppi. Bartali, Gaul, Merckx, Kuiper, Breu, van Impe, Indurain Chiappucci, Jalabert, Evans, Rasmussen und zuletzt Moreau komplettieren die Siegerliste.
Die Zielstadt Lourdes im Departement Hautes-Pyrénées, gelegen am Fluss Gave de Pau, ist als Ort der Marienerscheinung einer der weltweit am meisten besuchten römisch-katholischen Wallfahrtsstätten. Mehr als fünf Millionen Besucher pilgern jährlich nach Lourdes, wo man 2008 die 150jährige Wiederkehr der Marienerscheinung feierte.
Im Jahr 1858 soll Bernadette Soubirous nahe der Grotte Massabielle (das bedeutet alter Fels) mehrmals Erscheinungen in Form einer weiß gekleideten Frau gehabt haben. Nach ihren Worten offenbarte sich später die Erscheinung als „unbefleckte Empfängnis“ - was die kirchliche Untersuchungskommisson als Bestätigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis der Maria, Mutter Jesu, deutete. Die Grotte soll während einer dieser Erscheinungen freigelegt worden sein. Die Mutter Gottes beauftragte Bernadette Soubirous nach deren Worten damit, eine Kirche auf der Grotte zu errichten.
Heute ist eben diese Kirche der bedeutsame Wallfahrtsort. Es wurde von vielen Wunderheilungen berichtet und der Quelle Heilkräfte zugeschrieben. Bernadette wurde am 8.Dezember 1933, also 75 Jahre später, heilig gesprochen. 2004 kam Papst Johannes Paul II. nach Lourdes. Vier Jahre später besuchte sein Nachfolger und jetzige Papst Benedikt XVI. den Ort.
In der langen Geschichte der Tour de France gab es erst einmal eine Etappenankunft in Lourdes, und das ist schon 63 Jahre her. 1948 siegt in der früheren Hauptstadt des Rugby (der FC Lourdes war acht Mal französischer Meister) der legendäre Italiener Gino Bartali vor den beiden Franzosen Jean Robic und Louison Bobet, allesamt Tour de France-Sieger.
Die spanischen Radprofis wollen natürlich in der Nähe ihres Heimatlandes glänzen und können auf Zehntausende Radsportfans mit den grün-weiß-roten Fahnen aus dem Baskenland entlang der Strecke und im Zielbereich rechnen. Es kann auf dieser schweren Etappe soviel passieren. Aber man soll Samuel Sanchez, den gestrigen Etappengewinner und Kapitän der baskischen Euskaltel-Mannschaft, im Hinterkopf behalten. Der in Oviedo in Asturien geborene Olympiasieger gilt als weltbester Abfahrer und liegt nach seinem gestrigen Sieg in Luz Ardiden hinter den Favoriten in Lauerstellung und trägt zudem das Rot Gepunktete Bergtrikot.
Die Sprinter dagegen werden auf dem Aubisque große Rückstände haben und in den Kampf um den Tagessieg nicht mehr eingreifen können.
Viel Zeit zur Ruhe bleibt nicht, denn es gilt, sich sowohl körperlich als auch mental auf die dritte und letzte Pyrenäen-Etappe vorzubereiten. Eine lange und intensive Massage, ausgewogene Kost und ein tiefer Schlaf sind nötig, um die Strapazen auf der 14. Etappe zwischen Saint Gaudens und Plateau de Beille über 168,5 Kilometer zu bewältigen.
Das Streckenprofil kann einem Angst machen: Col de Portet-d’Aspet (2.Kat.), Col de la Core (1.Kat.), Col de Latrape (2.Kat.), Col d’Agnes (1.Kat.), Port de Lers (3.Kat.) und die Bergankunft auf dem Plateau de Beille (höchste Kategorie (HC), 1.780 Meter über dem Meer).
Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
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