Interview mit dem Teamchef von HTC-Highroad

Aldag: "Nur die Schlecks können Contador schlagen"

Foto zu dem Text "Aldag:
Rolf Aldag (HTC-Highroad) | Foto: ROTH

29.06.2011  |  (rsn) – Rolf Aldag wird auch bei der diesjährigen Tour de France beim HTC-Highroad-Team die sportliche Verantwortung tragen. Im Interview mit Radsport News sprach der 42 Jahre alte Teamchef und Ex-Profi über den Kampf um das Grüne Trikot, die Chancen von Tony Martin und darüber, wie Topfavorit Alberto Contador (Saxo Bank-SunGard) zu schlagen sein könnte.

Am Samstag beginnt die Tour de France. Sind Sie schon aufgeregt?

Aldag: Nein. Aufgeregt bin ich nicht mehr. Als Fahrer, Gast und Betreuer ist diese Tour de France meine insgesamt achtzehnte. Ich bin also seit fast 20 Jahren dabei. Die einzigen Momente, in denen ich im Moment noch einen Herzanfall bekomme ist, wenn mich ein Fahrer in den letzten Tagen anruft und ich erst einmal denke, dass der mir jetzt erzählen will, dass er beim Training schwer gestürzt ist. Aber jetzt genieße ich es, noch einmal ein paar Tage Zuhause zu verbringen und gehe noch mal einige organisatorische Dinge durch, wie den Fahrern E-Mails zu schreiben, was sie mitnehmen müssen und was nicht.

Das macht aber neugierig. Was dürfen die Fahrer denn nicht mitnehmen?

Aldag: Der Koffer muss ja nicht unbedingt 40 Kilo wiegen. Sie sollten halt für die Präsentation zum Beispiel auf den einheitlichen Trainingsanzug achten. Aber sie sollten nicht zu viele Trikots mitnehmen, da es ja extra welche vom Team für die Tour gibt. Ich kenne das noch aus meiner aktiven Zeit. Da packst du dir einen Riesen-Koffer, reist an, kommst ins Zimmer und siehst einen großen Müllsack mit neuen Klamotten. Dann packst du deine Klamotten in den Müllsack und dein Team fährt dir den Sack 3400 Kilometer durch Frankreich hinterher. Das sind halt alles logistische Dinge, die man nicht außer Acht lassen sollte.

Nimmt das Team eigentlich schon vorsorglich einen grünen Rahmen in Größe Cavendish und einen gelben Rahmen in Größe Martin mit?

Aldag: (lacht) Das ist sicher vom Radhersteller schon angedacht. Vor allem, da Saxo-Bank und Astana dieselben Räder fahren. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein extra lackierter Rahmen benötigt wird, schon sehr hoch.

Jetzt ist die diesjährige Frankreich-Rundfahrt eine Tour der Entscheidung für das Team. Der Sponsor will aussteigen. Ein Neuer soll beworben werden. Ist da der Druck besonders groß?

Aldag: Nein. Der Druck ist bei der Tour immer groß. Die Wochen in Frankreich entscheiden über die Bewertung der ganzen Saison! Für uns ist es wichtig, eine gute Tour zu fahren. Dann wird sich zeigen, wie die Sache mit dem Sponsor aus geht. Der Druck kommt von uns selbst und nicht von außen.

Um erfolgreich zu sein, braucht man Etappensiege. Haben Sie deshalb das Team stark auf Mark Cavendish ausgerichtet?

Aldag: Das Team ist eigentlich gar nicht so auf Mark ausgerichtet, wie es im ersten Moment scheint – das wäre auch bei diesen Etappen nicht sinnvoll. Vor allem in der Anfangsphase dieser Tour. Das ist das einzige, was mich im Moment etwas stresst: Die ersten Tour-Tage sind so wahnsinnig schwer einzuschätzen. Es gibt nicht mehr die Etappen, bei denen man sich sagt: Gruppe fahren lassen, entspannen, Gruppe einholen und Mark gewinnt dann den Massensprint. Dieses Jahr sind die Etappen viel schwerer und erfordern eine neue Taktik. Da sind Etappen für Matt Goss, Peter Velits, aber auch für Tony Martin mit dabei.

Hat Tony Martin eigentlich genug Helfer, oder braucht er die gar nicht?

Aldag: Um gut Rennen zu fahren, braucht Tony keinen Helfer – das wird oft missverstanden. Man hat halt auch mal Pech im Rennen. Und dagegen versichert dich ein Helfer. Sei es ein Ersatzrad, eine Wasserflasche oder moralische Unterstützung. Du brauchst eher einen, der dir am Berg sagt: „Hey! Das schaffen wir!“ Aber zwangsläufig niemanden, der dich aus dem Wind hält. Das hat man beim Giro gesehen: Nachdem Marco Pinotti mit gebrochener Hüfte ausgeschieden ist, hat es Konstantin Sivtsov an den nächsten Tagen in moralischer Hinsicht etwas „zerstört“. Daraufhin ist er dann von Platz fünf in der Gesamtwertung zurückgefallen und am Ende „nur“ Zehnter geworden. Aber letztendlich kommt man als Kapitän immer irgendwann an den Punkt, an dem man alleine ist. Und dann ist man entweder gut genug – oder eben nicht.

Und Tony Martin ist so gut, dass er unter die Top Ten kommt?

Aldag: Tony ist so gut, wie er sein kann. Was dann raus kommt, wird man sehen. Aber das angesagte Ziel ist, unter die ersten Zehn zu fahren. Das wird nicht nach oben oder unten korrigiert.

Ist Alberto Contador in diesem Jahr zu schlagen?

Aldag: Contador persönlich, Mann gegen Mann, ist nicht schlagbar. Das geht höchstens über Taktik. Und dazu sehe ich nur die Schlecks in der Lage. Wenn die beiden versuchen, alles offen zu halten und gemeinsam durch einzelne Attacken Druck aufzubauen, kann es sein, dass sie ihn schlagen können. Die Frage wird sein, ob Saxo-Bank stark genug ist, die Schleck-Brüder im Schach zu halten. Aber es wird schon sehr schwer, Contador vom Sieg abzuhalten.

So einfach ist die Prognose für das Grüne Trikot allerdings nicht. Nach der Regeländerung für das Sprinter-Trikot wird es sehr schwer für die klassischen Sprinter. Außer sie versuchen in Fluchtgruppen zu fahren, wie es sich Alessandro Petacchi vorgenommen haben soll....

Aldag: …aber Petacchi wird Grün auch nicht gewinnen (lacht). Solange der in der Punktewertung eine Rolle spielt, wird ihn ja niemand ziehen lassen. Meine Favoriten sind Hushovd, Boasson Hagen oder unser Matt Goss. Das Problem ist eben, dass es wenige Etappen gibt, auf denen die reinen Sprinter punkten können. Das eröffnet dann eben auch Leuten wie Philippe Gilbert Möglichkeiten. Wenn man sich bei Lotto einig wird, könnte Gilbert da sicher mithalten. Das wäre dann halt extremes Pech für André Greipel, wenn die merken, dass sie mit Philippe Chancen auf das Grüne Trikot haben und die Taktik umstellen.


Mit Rolf Aldag sprach Moritz Scheidl.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

05.11.2014Drei Jahre nach „Stacheldraht-Sturz": Entschädigung für Hoogerland

(rsn) – Mehr als drei Jahre nach seinem schweren Unfall bei der Tour de France hat Johnny Hoogerland eine Entschädigung von der Versicherung des Verursachers erhalten. „Es hat lange gedauert, abe

22.12.2011Voeckler: "Fehler kostete das Tour-Podium"

(rsn) - Thomas Voeckler (Europcar) ist der Auffassung, dass ihn ein schwerer taktischer Fehler auf der Alpe d’Huez-Etappe einen Podiumsplatz bei der vergangenen Tour de France gekostet hat. Im Gesp

30.08.2011Alle Doping-Tests der Tour negativ

(rsn) - Die letzten Dopingtests der Tour de France 2011 wurden ausgewertet - sie sind alle negativ. Damit bleibt der Russe Alexandr Kolobnev (Katjuscha) der einzige überführte Dopingsünder der dies

12.08.2011Zehntausende feiern Evans in Melbourne

Melbourne (dpa) - Cadel Evans auf Feier-Tour: In Melbourne haben Zehntausende dem Tour de France-Sieger bei der Rückkehr in die Heimat zugejubelt. "Ich könnte sagen, ich bin überwältigt. Aber das

11.08.2011Melbourne wird Evans mit einer Parade ehren

Melbourne (SID) - Zweieinhalb Wochen nach seinem Triumph bei der Tour de France ist Cadel Evans (BMC) in seine australische Heimat zurückgekehrt. "Es ist immer schön, nach Hause zu kommen und sich e

01.08.2011Horner hat ein Blutgerinnsel in der Lunge

(rsn) – Bei Chris Horner (RadioShack) ist gut drei Wochen nach seinem schweren Sturz auf der 7. Etappe der Tour de France ein Blutgerinnsel in der Lunge festgestellt worden. Das teilte der 39 Jahre

29.07.2011Contador: "Ich brauche ein stärkeres Team"

(rsn) – Ob das bei Bjarne Riis gut ankommt? Sein Star Alberto Contador fordert personelle Verstärkung. "Ich bräuchte ein besseres Team, um Giro und Tour in einem Jahr gewinnen zu können", ließ C

28.07.2011Zeckenbiss war die Ursache für Fedrigos Formschwäche

(rsn) – Ein Zeckenbiss scheint für die bisher eher schwachen Leistungen von Pierrick Fédrigo (FDJ) verantwortlich zu sein. Wie Teamarzt Gérard Guillaume gegenüber der L’Equipe erklärte, war d

27.07.2011Tous Fous du Tour – auch nächstes Jahr

(rsn) - "Tous Fous Du Tour" lautet das Motto der Tour de France. Übersetzt: "Alle sind verrückt nach der Tour"! Warum das so ist, bewies die Ausgabe 2011 auf beeindruckende Weise. Das Rennen war dra

27.07.2011„Wir haben immer an den Tour-Sieg geglaubt“

(rsn) – Marcus Burghardt (BMC) war bei der 98. Tour de France einer der wichtigsten Helfer von Cadel Evans, der erstmals in seiner langen Karriere nach drei Wochen in Paris ganz oben auf dem Podium

27.07.2011Kreuziger fuhr Tour de France mit gebrochenem Handgelenk

Prag (dpa) - Roman Kreuziger (Astana) hat fast die ganze Tour de France mit gebrochenem Handgelenk absolviert. Er müsse nun für sechs Wochen einen Gips tragen, berichtete der 25 Jahre alte Tscheche

27.07.2011Gilbert: "Evans ist ein toller Sieger"

(rsn) – Philippe Gilbert (Omega Pharma-Lotto) kehrt mit einer eindrucksvollen Bilanz von der Tour de France zurück. „Ich habe eine Etappe gewonnen, das Gelbe Trikot getragen, das Grüne Trikot ge

Weitere Radsportnachrichten

15.08.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

15.08.2025Abrahamsen hält Sprinter bei belgischem Hitzerennen hinter sich

(rsn) – Jonas Abrahamsen (Uno-X Mobility) hat die 84. Auflage des Circuit Franco-Belge (1.Pro) gewonnen. Der 29-jährige Norweger setzte sich in der Gemeinde Mont de l´Enclus nordwestlich von Ronse

15.08.2025Pedersen rauscht mit langem Solo zum Sieg in Vejle

(rsn) – Mads Pedersen (Lidl – Trek) hat auf der 227 Kilometer langen 4. Etappe der Dänemark-Rundfahrt (2.Pro) seinen zweiten Tagessieg gefeiert und damit auch seine Gesamtführung weiter ausgebau

15.08.2025Kool wechselt mit sofortiger Wirkung zu Fenix - Deceuninck

(rsn) – Charlotte Kool verlässt mit sofortiger Wirkung das Team Picnic – PostNL und schließt sich Fenix – Deceuninck an. Das bestätigten beide Rennställe am Freitag. Kool unterschrieb demnac

15.08.2025Lecerf kocht Uijtdebroeks bei Tschechien-Bergankunft ab

(rsn) – William Junior Lecerf (Soudal – Quick-Step) hat sich bei der Bergankunft von Dlouhé Stráne den Sieg auf der 2. Etappe der Czech Tour (2.1) gesichert. Der 22-jährige Belgier ließ sich i

15.08.2025Cras und Van den Bossche zu Soudal, Holmgren-Zwillinge verlängern

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

15.08.2025Blasi feiert überlegenen Sieg im Romandie-Bergzeitfahren

(rsn) – Paula Blasi ist im Auftakt-Bergzeitfahren der Tour de Romandie Féminin (2.WWT) in Villars-sur-Ollon mit deutlichem Vorsprung die Bestzeit gefahren und hat sich das Gelbe Trikot bei der drei

15.08.2025UCI disqualifiziert fünf Teams bei Tour de Romandie Féminin

(rsn) – Ein Machtkampf zwischen der UCI und mehreren Women´s WorldTour-Rennställen überschattet die Tour de Romandie Feminin (2.WWT). Beim Auftakt-Bergzeitfahren von Huémoz nach Villars-sur-Ollo

15.08.2025Van Aert ersetzt kranken Titelverteidiger Kooij bei den Cyclassics

(rsn) – Wout van Aert wird vor seinem Start bei der Lidl Deutschland Tour (20.-24. August) auch die ADAC Cyclassics in Hamburg am kommenden Sonntag bestreiten. Das bestätigte das Team Visma – Lea

15.08.2025Team bestätigt: Lipowitz zur D-Tour, aber nicht zur WM

(rsn) – Einen Tag nachdem es die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) bereits berichtet hatte, ist auch vom Team Red Bull – Bora – hansgrohe nun die offizielle Bestätigung da: Florian Lipowitz

14.08.2025Wieder in Tschechien: Lamperti gewinnt den Auftakt

(rsn) – Dicht dran war Luke Lamperti (Soudal – Quick-Step) in diesem Jahr schon öfters. Bei der Bredene Koksijde Classic (1.Pro) etwa als Zweiter, oder in einem weiteren belgischen Frühjahrsklas

14.08.2025Söderqvist gewinnt Zeitfahren in Dänemark

(rsn) – Fünf Fahrer von Lidl – Trek beendeten das Zeitfahren der Dänemark-Rundfahrt (2.Pro) auf der 3. Etappe unter den besten Elf des Tages. Auch der Sieger gehört dem Team an. Seine Name laut

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Straßenrennen Langenweisbach (BLM, GER)
  • Tour of Szeklerland (2.2, ROU)
  • Czech Tour (2.1, CZE)
  • GP Copadarco (1.2u, ITA)
  • Druivenkoers Overijse (1.1, BEL)
  • Memorial Henryka Lasaka (1.2, POL)
  • PostNord Tour of Denmark (2.Pro, DEN)
  • Radrennen Frauen

  • Straßenrennen Langenweisbach (BLF, GER)