Das Graue Trikot - Teil 21

Betrügerischer Frieden

Von Guido Scholl

Foto zu dem Text "Betrügerischer Frieden"

Lance Armstrong (Astana) auf der 15. Etappe der Tour de France

Foto: ROTH

26.07.2009  |  (rsn) - Das ging ja gestern hin und her, hohes Tempo, dauernd Attacken. Nur einer blieb ruhig: Der Lance. Der Lance in der Brandung, sozusagen. Er gewann nicht nur die Etappe der Seniorenwertung, er behielt in der Gesamtwertung sogar seinen Podestplatz. Na, siehste, Lance, das ganze Brimborium vorher hätteste Dir sparen können.

Von wegen Krieg, war doch ein ganz normales Radrennen am Mont Ventoux. Die Ü35-Fahrer hielten sich weitgehend schadlos. Inigo Cuesta, Matteo Tosatto, Jose-Luis Arrieta, Stu O’Grady und Steven de Jongh nahmen den Autobus, als ganz am Schluss die Gruppe um Yauheni Hutarovich den Anschluss an das Gruppetto verlor, leistete O’Grady den Versprengten Gesellschaft. Wirklich ein netter Zug vom Australier.

Ganz vorn war wie gesagt Armstrong dabei. Goubert, Hincapie und Moreau trudelten ein paar Minuten später ein. Im Kampf um Platz drei hat Lance dennoch nicht mehr die Wende herbeiführen können. „Gou-Gou“ holt souverän sein zweites Graues Trikot nach 2008. Schorse belegt Rang zwei, „Mo-Mo“ klammert sich bis zum Schluss an den letzten Podestplatz wie sein Opa an den Krückstock. Dasselbe gilt für Steven de Jongh und die Graue Laterne. Fast dreieinhalb Stunden Rückstand zu Goubert hat der Niederländer sich in den drei Tour-Wochen zusammengestrampelt. Respekt!

Tja, nur der Lance wird unzufrieden sein. Armstrong hätte das Graue gewonnen, wäre da nicht diese unschöne Mogelei bei der Dopingkontrolle gewesen, die ihm 55 Minuten Zeitstrafe einbrockte. Jetzt mögen einige sagen: „Ist doch Humbug.“ Naja, nein, Humbug ist das, was in echt mit dem Lenz passiert. Da werden seitens der Jury mehr Augen zugedrückt, als bei Auftritten Pamela Andersons an deren Dekolletee kleben.

Lance gibt sechs positive Dopingproben ab, aber weil keine B-Proben existieren, wird heute so getan, als sei Contador der böse Fuentes-Kunde und der Texaner ein Waisenknabe. Da werden die Kontrolleure um eine Stunde vertröstet, während in der Fußball-Bundesliga bei zehn Minuten Verspätung zur Pipi-Abgabe schon über Sperre und Punktverlust debattiert wird. Alle Radsportwelt schönt und schleimt, dass dem Armstrong der Schädel rot wird. Ach nein, Schamgefühl kennt er ja nicht.

Und Ulle meldet sich auch noch zu Wort: „Die Tour ist sauber.“ Ah ja. Klar, wenn das so ist, erklärt sich auch der 55-minütige Klönschnack mit Kaffee und Kuchen im Astana-Hotel. Alles clean, da muss niemand kontrollieren. Zumindest nicht in Eile. Da das Graue Trikot als reine Satire weder politischen noch wirtschaftlichen Zwängen unterliegt, erlaubt es sich, die Realität etwas zurechtzurücken. Die Jury der Tour traut es sich nicht, die Protagonisten zu bestrafen. Diese Kolumne darf es. Deshalb gewinnt nicht Lenz das Graue, sondern Goubert, der sich an die Regeln gehalten hat und trotzdem sensationell stark fuhr. Platz 16 in der Gesamtwertung ist Beleg dafür.

Trotzdem bleibt eine Portion Wehmut. Nicht etwa, weil Fans des texanischen Radanimateurs Nummer eins nicht verstehen, was der Sinn und Zweck von Satire ist. Armstrong-Fans haben genauso wenig Humor wie ihr Idol, das ist bekannt. Es muss auch ernste Menschen geben auf der Welt. Sonst verkäme ja alles zur Blödelei. Aber die Vorgänge bei dieser Tour waren schon dubios. Von 1999 bis 2005 blieb es fast vollkommen ruhig bei der Frankreich-Rundfahrt. Maximal wurden Wasserträger als Doper überführt. Ein geradezu betrügerischer Frieden.

Kaum war der Dominator aus dem Land des damaligen Hauptsponsors Coca-Cola weg, hagelte es Skandale: 2006 Fuentes und Landis, 2007 Rasmussen und Cofidis, 2008 Ricco, Koh, Schumacher und Co. Nun ist Lance wieder da und alles heile Welt. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Vielleicht tauchen in fünf, sechs Jahren positive Dopingproben auf die Substanz „Hassenichgesehn“ auf. Die gehören dann Lance und Conty und Andy. Eine B-Probe wird nicht machbar sein, also wissen zwar alle, dass die Drei geschummelt haben, aber das Rad dreht sich dessen ungeachtet weiter. Schöne heile Radsport-Welt.

Aber Kopf hoch, Augen zu und durch. Adieu!

SN-Wertung Graues Trikot:
1. Stephane „Gou-Gou“ Goubert
2. Schorse Hincapie +9:58
3. Christophe „Mo-Mo“ Moreau +22:04
4. Lenz + 37:55*
5. Joan Horrach +1:36:22
6. Marzio Bruseghin +1:46:13
7. Jose-Luis Arrieta +1:49:00
8. Inigo Cuesta +1:53:48
9. Bingen Fernandez +2:22:59
10. Matteo Tosatto +2:25:59
11. Super-Stu O'Grady +2:46:10
12. Steven de Jongh +3:26:52
*Lenz sind nachträglich 55 Minuten Zeitstrafe aufgebrummt worden, weil er die Doping-Kontrolleure im Astana-Hotel exakt so lange mit Kaffee statt Urin abspeiste.

Etappensiege Ü35:
Levi 2, Hincapie 6, Voigt 1, Moreau 2, O’Grady 1, de Jongh 2, Lenz 4, Goubert 1, Astana: 1; Graues Trikot H.C.: Jens Voigt

Mehr Informationen zu diesem Thema

30.10.2009UCI: Bordry "fehlinformiert und boshaft"

Aigle (dpa) - Der Weltradsport-Verband UCI hat sich gegen Vorwürfe der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD gewehrt, bei der vergangenen Tour de Fance Anti-Doping-Regeln eklatant verletzt zu haben

29.10.2009UCI schießt gegen AFLD zurück

(sid) - Grobe Fehler im Umgang mit Kontrollen hat der Radsport-Weltverband UCI der Anti-Doping-Agentur Frankreichs (AFLD) vorgeworfen. Die Kritik ließ die UCI in einer Kopie auch der Welt-Anti-Doping

14.10.2009Astana: "Wir haben nichts zu verbergen"

Paris (dpa/rsn) - Astana zeigt sich von den jüngsten Ermittlungen der französischen Staatsanwaltschaft überrascht. „Das Team Astana hat nichts zu verbergen, seine Fahrer benutzen keine verbotenen

13.10.2009Pariser Staatsanwaltschaft untersucht Spritzen von Astana

(sid/dpa) - Die Pariser Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung gegen den Astana-Rennstall eingeleitet. Nach Informationen der französischen Sporttageszeitung „L´Equipe“ wurde die Behörde für

12.10.2009Tour: Keine weiteren verdächtigen Fälle

(sid) - Der Tour de France scheinen weitere Dopingfälle vorerst erspart zu bleiben. "Pierre Bordry hat mir kürzlich bestätigt, dass es keine verdächtigen Fälle gibt. Das zeigt, dass der Kampf geg

11.10.2009McQuaid: "Humaner Akt, keine Vorzugsbehandlung"

(sid) - UCI-Präsident Pat McQuaid hat den Anti-Dopingkampf des Radsport-Weltverbands gegen die jüngste Kritik verteidigt. Die Vorwürfe, die UCI habe bei der diesjährigen Tour de France das Team As

07.10.2009Bordry: "Tour-Kontrollen 2009 nicht regelkonform"

(sid) - Pierre Bordry, Präsident der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD hat den Radsport-Weltverband UCI wegen der Dopinkontrollen bei der diesjährigen Tour de France scharf attackiert. "Die Ko

06.10.2009Astana-Sprecher nennt Vorwürfe "lächerlich"

(dpa/rsn) - Nach dem Weltradsportverband UCI hat auch das Astana-Team Vorwürfe der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD zurückgewiesen, wonach die Mannschaft von Alberto Contador und Lance Armstr

06.10.2009UCI will Zusammenarbeit mit AFLD beenden

(rsn) – Nach der Veröffentlichung eines Berichts, in dem die französische Anti-Doping-Agentur den Fahndern des Weltverbandes UCI bei der Tour 2009 eine bevorzugte Behandlung des Astana-Teams vorge

06.10.2009Bordry: Neue Dopingmittel bei der Tour 2009

(rsn) - Bei der Tour de France 2009 gab es keinen positiven Dopingtest. Pierre Bordry, Vorsitzender der französischen Anti-Doping Agentur AFLD, ist jedoch überzeugt, dass auch in diesem Jahr betro

05.10.2009UCI: "Keine Vorzugsbehandlung von Astana bei der Tour"

Paris (dpa/rsn) - Der Weltverband UCI hat vehement Vorwürfe bestritten, wonach das kasachische Astana-Team bei Dopingkontrollen während der vergangenen Tour de France mit großer Nachlässigkeit beh

05.10.2009Kontrollpraxis der UCI bei der Tour in der Kritik

(sid) - Die Dopingkontrollen des Radsport-Weltverbandes UCI bei der Tour de France sind drei Monate nach Ende der Rundfahrt ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Berichten der französischen Zeitungen "L

Weitere Radsportnachrichten

23.07.2025Ist für Girmay die Tour nach der 17. Etappe beendet?

(rsn) – Bei der 112. Tour de France läuft bei Intermarché – Wanty um Sprinter Biniam Girmay nichts zusammen. Der Eritreer wartet noch auf seinen ersten Etappenerfolg und lag vor dem Start des Te

23.07.2025Meeus: Perfektes Finale, aber am Ende enttäuscht

(rsn) – Ein achter Platz am Ende der 8. Etappe in Châteauroux war das bisher beste Ergebnis, das Jordi Meeus (Red Bull – Bora – hansgrohe) bei der 112. Tour de France bisher hatte einfahren kö

23.07.2025Verbalattacken gegen Gegner: Politt weist Vorwürfe zurück

(rsn) - Nils Politt (UAE – Emirates – XRG) hat Vorwürfe zurückgewiesen, er habe auf der 16. Etappe der Tour de France 2025 Profis, die versuchten, sich der Ausreißergruppe anzuschließen, verba

23.07.2025Merlier: “Sie stürzen anscheinend lieber als zu sprinten“

(rsn) – Nachdem mit Jonas Abrahamsen (Uno-X Mobility) gut vier Kilometer vor dem Ziel der letzte Ausreißer eingeholt wurde, kam es auf der 17. Etappe der Tour de France 2025 zum erwarteten Massensp

23.07.2025Milan entgeht Sturz und sprintet im Regen von Valence zum Sieg

(rsn) – Die vermeintlich letzte Chance für die Sprinter bei der diesjährigen Tour de France endete nicht so, wie es sich die meisten vorgestellt hatten. Nach 160 Kilometern von Bollène nach Valen

23.07.2025Abschied von den Bergrädern

(rsn) - Nur noch zwei Bergetappen in den Alpen warten vor dem großen Tour-Finale von Paris auf die Profis. Die Pyrenäen sind schon bezwungen und auch der Mont Ventoux wurde bereits erklommen. Dennoc

23.07.2025Nach Halswirbelbruch: Soudal verlängert mit Vangheluwe

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

23.07.2025Das Reglement der Tour de France Femmes auf einen Blick

(rsn) – Im Farbenspiel des Pelotons sollen sie jederzeit deutlich erkennbar sein – die Führenden in den Sonderwertungen der Tour de France Femmes. Die Trikotfarben (Gelb, Grün, Gepunktet und Wei

23.07.2025Voeckler kritisiert Politt: “Abscheuliches Verhalten“

(rsn) – Nils Politt (UAE – Emirates – XRG) hat sich auch auf der Ventoux-Etappe der Tour de France mal wieder ganz in den Dienst seines Kapitäns Tadej Pogacar gestellt. Der 31-jährige Hürthe

23.07.2025Die Aufgebote für die 4. Tour de France Femmes

(rsn) – Parallel zur vorletzten Etappe der Tour de France (2.UWT), die nahe der Schweizer Grenze ausgetragen wird, startet am 26. Juli im westfranzösischen Vannes die 4. Ausgabe der Tour de France

23.07.2025Van Poppel verlässt die Tour de France vor der 17. Etappe

(rsn) - Danny van Poppel (Red Bull - Bora - hansgrohe) wird nicht mehr zur 17. Etappe der Tour de France von Bollène nach Valence antreten. Der 31-jährige Niederländer ist in der Nacht von Dienstag

23.07.2025Das Preisgeld: Wieviel gibt’s wofür bei der Tour de France Femmes?

(rsn) - Bei der vierten Austragung der Tour de France Femmes avec Zwift (2.WWT) wartet auf die 154 Starterinnen viel harte Arbeit auf dem Weg von Vannes nach Chatel Les Portes de Soleil. An neun Renn

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Classique des Cannes (1.2, 000)
  • Dookola Mazowsza (2.2, POL)