Interview mit dem Sportkoordinator des FC Rheinland-Pfalz/Saar

Andreas Walzer: Magere Zeiten für den Radsport

Foto zu dem Text "Andreas Walzer: Magere Zeiten für den Radsport"

Andreas Walzer

Foto: FC Rheinland-Pfalz/Saar

11.11.2008  |  (rsn) - Olympiasieger Andreas Walzer ist seit einem Jahr Sportkoordinator beim U23-Teams FC Rheinland-Pfalz/Saar. Im Interview äußert sich Walzer in aller Deutlichkeit über die Dopingproblematik und die daraus resultierende desaströse Situation des Radsports. Sein Rennstall, 2009 mit einer Continental-Lizenz ausgestattet, werde auch in der kommenden Saison seiner "offensiven, aggressiven Anti-Doping-Politik treu bleiben", so der Homburger. Radsport News druckt das Interview mit Andreas Walzer in gekürzter Form nach.

Der deutsche Radsport sieht nicht zuletzt wegen der Dopingfälle Stefan Schumacher und Bernhard Kohl schwersten Zeiten entgegen. Wie kommentieren Sie die Situation?

Walzer: Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir noch nicht am Ende der Fahnenstange angelangt sind. Man muss aber trotz der unglaublichen Misere auch ein bisschen froh sein, dass jetzt eine Aufarbeitung im Sport stattfindet. Die Situation hat sich auf jeden Fall schon gebessert und bessert sich auch weiterhin. Aber immer, wenn man denkt, dass es nicht mehr schlimmer werden kann, dann wird es noch schlimmer. Zwar sind die unmittelbaren Tour-Untersuchungen auf CERA-Epo abgeschlossen, aber für mich persönlich bleiben noch zu viele Ungereimtheiten. Hat man möglicherweise - nachdem man zwei, drei „gehängt“ hatte - zu schnell „den Deckel draufgemacht“? Gibt es eventuell sogar mafiöse Strukturen? So oder so ist es eine absolute Katastrophe für den gesamten Radsport. Schwerkriminelle haben ja mittlerweile fast schon einen besseren Ruf als ein Radrennfahrer.

Ist es in dieser Zeit auch für Ihr Team schwierig, neue Sponsoren zu finden?

Walzer: Bislang haben wir noch keine negative Resonanz erfahren. Wir haben viele kleine Sponsoren, keine (über)mächtigen Großen - das ist eine der Säulen der progressiven Strategien unseres Vereins. Aber prinzipiell ist die Situation natürlich auch für uns keineswegs leichter geworden. Es läuft wohl auf ziemlich magere Zeiten im Radsport hinaus. Aber wir machen weiter. Der Verein wurde ja ursprünglich nicht trotz der Krise, sondern gerade deswegen gegründet. Wir beweisen hoffentlich - mit Grips und Hingabe – den längeren Atem.

Wie fällt Ihr sportliches Fazit der vergangenen Saison aus?

Walzer: Sehr durchwachsen – ich hätte mir sportlich etwas mehr erhofft. Es ist genau das eingetreten, was mir viele prophezeit hatten. Dass, egal mit welchem Fahrer-Potential man an den Start geht, das erste Jahr für ein neues Team immer schwierig ist. So war es auch bei uns. Wir hatten Rennfahrer, die sich ganz hervorragend entwickelt haben. Und wir hatten welche, die beinahe Totalausfälle waren, meistens aus gesundheitlichen Gründen. Manche hatten aber auch Motivationsprobleme – und das im U23-Bereich! Wir hatten das gesamte Spektrum und haben auch Lehrgeld zahlen müssen.

Wie hat Ihnen die erste Saison als Sportlicher Leiter gefallen?

Walzer: Die hat mir unheimlich gut gefallen und enorm viel gebracht. Meine ganze Familie, einschließlich der Kinder, ist wieder mit dem „Radsport-Virus“ infiziert. Ich habe viel gelernt, menschlich und auch sonst. Mit Sicherheit lief ich nicht die ganze Zeit mit hängendem Kopf herum, sondern bin für mich persönlich zufrieden, was wir, die Teamverantwortlichen, geleistet haben. Und das nicht zuletzt wegen des wirklich außergewöhnlich großen Engagements unseres Vorstandes Siegfried Fröhlich.

Was ändert sich 2009 beim FC Rheinland-Pfalz/Saar?

Walzer: Wir bleiben unserer Strategie treu, inklusive unserer offensiven, aggressiven Anti-Doping-Politik. Der Weg, den wir beschreiten, ist für mich der einzig mögliche. Leichte Änderungen wird es in der Vereins- bzw. Teamstruktur geben. Der Vereinssitz ist nun in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt Mainz, außerdem firmieren wir 2009 als Nachwuchs-Profi-Team mit Continental-Status.

Welche Zugänge gibt es bei Ihrem zukünftigen Profiteam?

Walzer: Wir haben lange und sorgfältig überlegt, welche Strategie wir kommende Saison fahren wollen – und uns für eine Sprinter- und Klassikermannschaft entschieden: Dementsprechend sehen unsere Neuzugänge aus. Mit Andreas Stauff, Grischa Janorschke und Holger Burkhardt kommen drei Fahrer des Milram-Continental-Teams zu uns. Diese Neuzugänge können eine gute Rolle spielen, das haben sie nicht zuletzt bei der Brandenburg-Rundfahrt bewiesen, wo Burkhardt und Stauff jeweils eine Etappe gewinnen konnten.
Gespannt sind wir auf Bahn-Nationalfahrer Maurice Calles vom Team AKUD, dem wir auf der Strasse das Fundament für eine gute Bahnsaison bieten wollen. Mit Pascal Weerts vom Team Rothaus und Nils Plötner vom Thüringer Energie Team haben wir 2009 zudem „geländegängige“ Rennfahrer, die sich dann wohlfühlen, wenn es richtig schwer wird.

Was erwarten Sie sich von der kommenden Saison, welche Ziele haben Sie bzw. Ihre Mannschaft?

Walzer: Die U23-Bundesliga ist ein wichtiges Ziel, aber nicht das alleinige. Wir werden auch bei hochrangigen, bekannten deutschen Eintages-Profirennen an den Start gehen. Und dort wollen wir dann natürlich auch eine gute Rolle spielen. Vom Potenzial müsste das nächstes Jahr machbar sein.

Als einziges Team der Welt verfügt der FC Rheinland-Pfalz/Saar auch über einen Anti-Doping-Vorstand. Welche Aufgabe hat der?

Walzer: Mein Kollege Jörg Abel operiert sehr unabhängig, seine Position in der Mannschaft ist beinahe schon als „neutral“ zu bezeichnen. Er beobachtet und analysiert alles genau und gibt uns dann Feedback. Jörg ist im „normalen“ Leben als Controller bei einem großen Automobilkonzern tätig, das wird auch in seiner Arbeit bei uns sehr deutlich. Ein weiterer Vorteil ist, dass er zwar Amateurrennfahrer auf hohem Niveau war, aber nie Radprofi. In seiner Rolle ist er skeptisch gegenüber allem, und hat auch unsere Neuzugänge genauestens unter die Lupe genommen. Wenn ihm diesbezüglich etwas nicht gefällt, dann legt er sein Veto ein. Das ist extrem gut und wichtig.

In Deutschland gibt es 2009 nur noch eine ProTour—Mannschaft, das Team Milram. Sehen Sie Ihr Team irgendwann einmal an der Tour de France, beim Giro d’Italia, bei Paris-Roubaix und anderen Profi-Highlights teilnehmen?

Walzer: Wenn man ein solches Projekt startet, dann macht man das nicht, um ewig Elite-Team zu bleiben. Den nächsten Schritt werden wir 2009 machen, in dem wir Continental- Team werden. Alleine schon der immense Zeitaufwand, der dem eines zweiten Ganztagesjobs ziemlich nahe kommt, schreit nach größeren Dingen. Ich habe eine Vision, ich habe Träume und Ziele. Dinge, die ich selbst als Rennfahrer, vielleicht auch wegen persönlicher Fehlentscheidungen, nicht erreichen konnte. Das treibt einen natürlich an. Allerdings hängt wie so oft im Leben viel vom Zufall ab. Aber das Glück hat auf Dauer bekanntlich nur der Tüchtige – und wir werden tüchtig sein!

Was kann dem (Profi)Radsport Ihrer Meinung nach helfen, um die Unkultur des Dopings loszuwerden?

Walzer: Zunächst einmal muss man nach den Ursachen fragen. Es war nicht immer so! Scheinbar ist es momentan so, dass man brutalste Risiken eingeht, um schnellstmöglich an Geld zu kommen. Natürlich wollten Radprofis schon immer Geld verdienen, aber zu meiner Zeit ging man nicht derartige Risiken ein. Natürlich waren die Kontrollen auch noch nicht so gut.Wahrscheinlich muss es den Fahrern richtig an den Geldbeutel gehen. Aber nicht nur den Fahrern, sondern auch Teammanagern und Sportliche Leitern, die nachlässig mit dem Thema umgehen. An manchen Tagen bin ich aber schon fast dabei innerlich zu kapitulieren.

Warum?

Walzer: Weil die Thematik in anderen Ländern überhaupt keine Rolle spielt. Das wird meiner Ansicht nach die größte Herausforderung. In Deutschland oder Frankreich kann man dem Problem zukünftig Herr werden, mit Konventionalstrafen und intelligenter Doping-Analytik. Aber was nutzt das, wenn andere im Rennen lachend vorbei fahren?! Das zwickt einen ehrgeizigen und zielstrebigen Rennfahrer unwahrscheinlich.

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.08.2009Rapp: 2010 wohl keine Deutschland Tour

(rsn) - Nachdem ARD und ZDF in diesem Jahr doch von der Tour de France berichtet hatten, war auch die für 2009 abgesagte Deutschland Tour wieder in den Mittelpunkt von Spekulationen gerückt. Im Inte

20.08.2009"Für ganz vorne fehlte noch ein bisschen was"

(rsn) – Nach schwachem Saisonstart hat Gerald Ciolek (Milram) in den vergangenen Monaten beständig gute Leistungen gezeigt, auch wenn es bisher erst zu einem Sieg reichte. Im Interview mit Radsport

20.04.2009"Ich bin froh, dass im Radsport soviel kontrolliert wird"

(sid) - Linus Gerdemann gehört zu den deutschen Hoffnungsträgern bei der diesjährigen Tour de France. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) spricht der Milram-Kapitän über seine F

19.03.2009"Wir sind als böse Ketzer dargestellt worden"

(sid) - Der wochenlangen Schlammschlacht folgt der Showdown im Nobelhotel: BDR-Präsident Rudolf Scharping stellt sich am Samstag auf der Bundesversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer zur Wiederwah

17.03.2009Claußmeyer: "Wir leben von unserer Stärke als Team"

(rsn) - Aus dem Continental-Team Sparkasse wurde zur neuen Saison das Team Nutrixxion Sparkasse. In Gespräch mit Radsport News erklärte Teamchef Mark Claußmeyer die Zusammensetzung des Teams, die S

04.03.2009„Letztendlich geht es immer um den Erfolg“

(rsn) – Mit neuem Hauptsponsor und einigen namhaften Neuzugängen wie Sebastian Sielder und René Haselbacher ist das österreichische Team Vorarlberg-Corratec in die neue Saison gegangen. Im Interv

26.02.2009„Kein Sieg im letzten Jahr – das hat mich gewurmt“

(rsn) – Paul Martens steht in seiner zweiten Saison beim niederländischen Rabobank-Team. Im letzten Jahr gelang dem 25-Jährigen trotz guter Leistungen kein Sieg. Das soll in dieser Saison anders w

24.02.2009„Ich habe mich als Co-Kapitän sehr wohl gefühlt“

(rsn) – Als Vierter der Andalusien-Rundfahrt zeigte Martin Velits (Milram) schon früh in der Saison sein großes Potenzial. Im Interview mit Radsport News sprach der 24-jährige Slowake über seine

13.02.2009"Schlimmer kann es nicht mehr kommen"

(rsn) - Der Australier William Walker, 2005 Vize-Weltmeister in der U23-Klasse, zählt zu den großen Talenten des Radsports. Das konnte der 23-Jährige in den letzten beiden Jahren im Rabobank-Trikot

11.02.2009"Ich will mich 2009 für höhere Weihen empfehlen"

(rsn) - Christian Müller (26) galt in seiner U23-Zeit als eines der größten deutschen Zeitfahrtalente. Nach einer guten Neo-Profi-Saison 2005 bei CSC lief in den folgenden drei Jahren nur wenig zus

07.02.2009"Wir sind eines der jüngsten Continental-Teams"

(rsn) - Das Bochumer Continental-Team Vlassenroot startet 2009 unter dem Namen Seven Stones. Im Gespräch mit Radsport News erklärt der Sportliche Leiter Lars Diemer, was hinter der Namensänderung s

05.02.2009"In Topform zu den Ardennenklassikern"

(rsn) - Robert Gesink ist das größte niederländische (Kletter-)Talent seit vielen Jahren. 2008 machte der 22-jährige Rabobank- Profi in mehreren großen Rennen mit Spitzenplatzierungen bereits von

Weitere Radsportnachrichten

11.05.2025Van Aert hat beim Giro nicht “die gewünschten Beine“

(rsn) – Vor dem 108. Giro d’Italia wurde gemeldet, dass Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) krank geworden sei. Nachdem er auf der 1. Etappe nur knapp an Mads Pedersen (Lidl – Trek) scheitert

11.05.2025Roglic konnte sich auf Pedersen und Lidl - Trek verlassen

(rsn) - Für Red Bull – Bora - hansgrohe läuft zu Beginn des 108. Giro d’Italia viel nach Plan. Auch für sich selbst etwas überraschend hatte Primoz Roglic schon am zweiten Tag das Rosa Trikot

11.05.2025Highlight-Video der 3. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Viel besser hätte der Grande Partenza in Albanien für Mads Pedersen und sein Team Lidl – Trek nicht laufen können. Nachdem der Däne bereits die 1. Etappe des 108. Giro d’Italia für

11.05.2025Begleitmotorrad entscheidet Lüttich-Bastogne-Lüttich der Junioren

(rsn) – Der Brite Harry Hudson (Fensham Howes – MAS Design) und der Belgier Leander de Gendt (Cannibal Victorious) stürmten am Samstag bei der 4. Ausgabe von Lüttich-Bastogne-Lüttich der Junior

11.05.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 3. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 9. Mai im albanischen Durres zum 108. Giro d‘Italia (2.UWT) angetreten, darunter zehn Deutsche, zwei Luxemburger sowie je ein Österreicher und Schweizer.

11.05.2025Strong: “Ich wollte mit einem großen Sieg zurückschlagen“

(rsn) – Während Mads Pedersen (Lidl – Trek) sich beim 108. Giro d’Italia quasi mit Ansage den Etappensieg holte und damit das Rosa Trikot wieder in seinen Besitz brachte, konnte der Neuseeländ

11.05.2025Tronchon amüsiert sich bei seinem ersten Profisieg prächtig

(rsn) – Die Trikots waren mit Matsch bedeckt, trotzdem wird das Siegerfoto von Bastien Tronchon bei der 42. Tro-Bro Leon (1.Pro) am Sitz seiner Mannschaft Decathlon – AG2R sicher einen Ehrenplatz

11.05.2025Nach Plan: Pedersen tauscht in Vlore Ciclamino gegen Rosa

(rsn) – Mit seinem zweiten Tagessieg hat sich Mads Pedersen (Lidl – Trek) beim 108. Giro d’Italia das Rosa Trikot zurückgeholt. Der 29-jährige Däne setzte sich auf der 3. Etappe über 160 Kil

11.05.2025TotalEnergies angeblich kurz vor Einigung mit Ineos Grenadiers

(rsn) – Bereits im März wurde über einen möglichen Einstieg des französischen Energiekonzerns TotalEnergies beim britischen Ineos-Team berichtet. Wie die Londoner “Times“ nun schreibt, sei e

11.05.2025Brenner: “Habe schon höhere Ansprüche in Sachen Ergebnisse“

(rsn) - An den ersten beiden Tagen des 108. Giro d’Italia ließ es Marco Brenner (Tudor) nach eigenen Worten etwas ruhiger angehen. Aber schon die 3. Etappe mit einem Berg der 2. Kategorie könnte e

11.05.20253,2,1 los: Evenepoels Tour-Vorbereitung hat begonnen

(rsn) – Während in Albanien die ersten Tage des 108. Giro d’Italia absolviert werden, ist Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step) in seine Vorbereitung auf die am 5. Juli in Lille beginnende Tour d

11.05.2025Konrad: “Ziel ist, das Rosa Trikot zurückzuholen“

(rsn) – Trotz einer starken Leistung im ersten Zeitfahren musste Mads Pedersen (Lidl – Trek) auf der 2. Etappe des 108. Giro d’Italia sein Rosa Trikot an Primoz Roglic (Red Bull – Bora – han

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d`Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Erzgebirgs-Rundfahrt (BLM, GER)
  • Gent - Wevelgem U23 (1.2u, BEL)
  • Gran Premio Inudstrie del (1.2u, ITA)
  • Radsportfest Märwil (1.2, SUI)
  • Ringerike GP (1.2, NOR)
  • Tour de Kumano (2.2, JPN)
  • Tro-Bro Léon (1.Pro, FRA)