Die Frühjahrsklassiker und ihre Geschichte

22.03.2002  |  Mailand (ra/ar) - Das Frühjahr beginnt mit der Classicissima „Mailand-San Remo“, dem ersten Eintagesklassiker im Radsportjahr. Oft genug war die Fahrt von der Norditalienischen Metropole an die Riviera ein Sinnbild für den Frühlingsanfang. Vom nicht selten kalten und nebeligen Mailand aus machen sich die Fahrer auf den beinahe 300 Kilometer langen Weg Richtung Mittelmeer, strampeln hinein in den farbenfrohen Frühling am Mittelmeer. Biegen die Fahrer auf die 400 Meter lange Zielgerade ein, hat die Radsportsaison endlich richtig begonnen.

Die Namen der Klassiker klingen wie Musik in den Ohren der Radsportgemeinde. Durch ihre lange, oft mehr als hundertjährige Tradition haben sich die Start und Zielorte der berühmten Eintagesrennen in das Gedächtnis der Velofans eingebrannt. Begonnen hat die Geschichte dieser Radrennen im Jahre 1891 mit der Idee, zwischen den Städten Bordeaux und Paris ein Rennen von 560 Kilometern Länge auszutragen. Veranstalter der ersten Ausgabe war eine französische Radsportzeitung, deren Verkaufszahlen nach dem erfolgreich durchgeführten Rennen in die Höhe schossen. Es war also – wie so oft im Radsport – eine clevere Geschäftsidee, die eine sportliche Tradition begründete. Der bei der Premiere siegreiche Engländer George Pilkington Mills benutzte als erster Rennsportler montierbare Luftreifen, die ihm durch die Vorteile beim Beheben von Defekten mit zum Sieg verholfen haben dürften. Heute spielt dieses Rennen, das aufgrund seiner Länge von Anfang an nur mit Hilfe von Schrittmachern bewältigt werden konnte, keine Rolle mehr.

Ganz im Gegensatz zum Ardennenrundrennen Lüttich-Bastogne-Lüttich, das 1894 seine Premiere erlebte und deshalb als „Mutter alles Klassiker“ bezeichnet wird. Durch die vielen tückischen Anstiege und die oftmals mörderischen Windverhältnisse hat sich „L-B-L“ in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu einem Ausscheidungsrennen entwickelt, bei dem sich am Ende der austrainierteste Fahrer durchsetzt, während so manche noch so ausgeklügelte Taktik nicht aufgegangen ist. Tückisch ist vor allem die Redoute, ein 1700 Meter langer Anstieg mit einer durchschnittlichen Steigung von 11 %, an dem schon oft die Vorentscheidung gefallen ist. Auch der Anstieg zum Ziel in Ans, einem Vorort von Lüttich, hat es in sich. Wer sich dafür keine Kräfte hat aufsparen können, hat mit dem Sieg nichts zu tun.

Noch extremer ist die Fahrt durch die sogenannte „Hölle des Nordens“. 1896 wurde das Rennen Paris-Roubaix zum ersten Mal ausgetragen. Ein Gutteil der Strecke führt über uralte Kopfsteinpflasterstraßen im Nordwesten Frankreichs. Diese sogenannten pavés sorgen dafür, dass die Fahrer kräftig durchgeschüttelt werden und sind verantwortlich für so manche technische Spielerei an den Rennmaschinen. Um für bessere Federung zu sorgen, werden Gabeln mit größerem Vorlauf verwendet, auch Federgabeln sind schon zum Einsatz gekommen. Sogar die gute, alte Holzfelge kommt aufgrund der Elastizität des Materials bisweilen zu neuen Ehren. Übrigens spricht man nicht von der „Hölle des Nordens“, weil dort das Rennradfahren so höllisch ist, sondern weil der Landstrich durch die Verheerungen des Ersten Weltkriegs jahrelang wie eine unbewohnbare Mondlandschaft gewirkt haben muss. Daran werden wohl die wenigsten Fahrer denken, wenn sie sich über eigentlich unbefahrbare Wege in Richtung Ziel quälen. Dass die Profis auch weiterhin Höllenqualen erleiden müssen, dafür ist gesorgt. Während überall sonst in Frankreich beinahe jeder Feldweg asphaltiert ist, stehen die pavés im Nordwesten des Landes unter Denkmalschutz.

Kopfsteinpflasterpassagen machen auch den Reiz des zweiten großen Klassikers auf belgischen Boden aus. Seit 1913 gehört die Flandernrundfahrt als fester Bestandteil zum Radsportkalender. Zwei Wörter beherrscht wohl jeder Profi auf Flämisch: hellingen und kasseien. 16 bissige hellingen (Anstiege) müssen die Fahrer überwinden, nicht selten auf kasseien (Kopfsteinpflaster). Einer der am meisten gefürchteten Anstiege ist der Koppenberg. 15 Jahre lang stand er nicht auf dem Programm. Der äußerst schmale Kopfsteinpflasterweg mit einer Steigung von bis zu 25% (!) hatte in der Vergangenheit immer wieder für spektakuläre Sturzorgien gesorgt. Als 1987 ein Begleitfahrzeug den gestürzten Dänen Jesper Skibby über den Haufen fuhr, wurde der Koppenberg aus dem Programm gestrichen. 2002 steht er erstmals wieder auf dem Programm.

Zunächst aber beginnt die Klassikersaison mit der inzwischen 95 Jahre alten Classicissima, dem Rennen dem ein Deutscher in den vergangenen Jahren seinen Stempel aufzudrücken wusste. Vier Mal hat Erik Zabel nunmehr auf der Via Roma die Arme nach oben reißen können und die nicht gerade üppige Geschichte deutscher Klassikertriumphe fortgeschrieben.

Wer das Amstel Gold Race zu den Klassikern zählt, liegt übrigens nicht ganz richtig. Die Geschichte dieses Rennens beginnt erst 1966. Vorbild für die erste Ausgabe war das Rennen Rund um den Henninger Turm, das genauso wie das Gold Race von einer Brauerei veranstaltet wird. Der „deutsche Klassiker“ erlebte seine Premiere 1962, beinahe ein dreiviertel Jahrhundert nach dem ersten Rennen von Bordeaux nach Paris.

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