Konfrontation mit der Vergangenheit

Pogacars Tour-Revanche – oder doch nur “Blablabla“?

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Pogacars Tour-Revanche – oder doch nur “Blablabla“?"
Tadej Pogacar (UAE - Emirates - XRG) | Foto: Cor Vos

17.07.2025  |  (rsn) – Kaum ein Kilometer des Schlussanstiegs war gefahren, da machte Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) auch schon Ernst. Tim Wellens ging aus der Führung, übergab an Jhonatan Narvaez. Adam Yates hatte es gar nicht bis nach vorn geschafft, war schon vorher ausgeschert. Und auch Narvaez war mit Tempo am Anschlag nicht weit gekommen. 13,5 Kilometer lang ist der Anstieg nach Hautacam – 11,9 vor dem Ziel der 12. Etappe der Tour de France ging der Weltmeister aus dem Sattel.

Selbst Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) hatte dem wie entfesselt fahrenden Pogacar nur wenige Meter folgen können, bis auch er einsehen musste, dass auf dieser ersten Pyrenäenetapp kein Kraut gegen den Slowenen gewachsen war. Die frühe Attacke von Pogacar, sie kam überraschend. Ihre sportliche Notwendigkeit? Fraglich.

Andrej Hauptman, Sportlicher Leiter bei UAE, versuchte sie damit zu erklären, dass sein Team dem angeschlagenen Matteo Jorgenson (Visma – Lease a Bike), Vingegaards Edelhelfer und vermeintlicher Joker, den Rest geben wollte. “Wir sahen, dass Jorgenson am Limit war. Deswegen sind wir gleich unten voll in den Schlussanstieg reingefahren“, sagte er Eurosport.

Der US-Amerikaner kassierte letztlich mehr als zehn Minuten und verabschiedete sich damit fast sogar aus den Top 10 des Klassements. Doch um Jorgenson loszuwerden, hätte auch das Tempo gereicht, das Pogacars Helfer anschlugen. Was also trieb den 26-Jährigen an, das doch eher hohe Risiko einer so frühen Attacke zu gehen, wo er doch derjenige ist, der seinen Vorsprung “nur“ verteidigen muss?

Pogacar: "Ich hatte den Tag fast vergessen"

Pogacar selbst sah sich schon den ganzen Tag über mit einem eher emotionalen Thema konfrontiert. “Ich freute mich einfach auf heute. Aber alle Menschen kamen vor der Etappe die ganze Zeit zu mir und meinten, dass es heute Zeit für Revanche ist. Blablabla“, zeigte sich Pogacar im Sieger-Interview nicht ganz glücklich. 

Doch tatsächlich ist Hautacam der Anstieg, an dem er 2022 letztlich die Tour gegen Vingegaard verlor. “Ich lag im Klassement zurück und wollte mit dem Kopf durch die Wand, um das Gelbe Trikot zurück zu holen. Jumbo war damals aber zu stark“, erinnerte sich Pogacar im selben Interview und fügte an: “Ich hatte den Tag damals fast schon wieder vergessen.“

Bis ihn eben die Leute an die 1:04 Minuten erinnerten, die er an Ort und Stelle drei Jahre zuvor auf Vingegaard verlor. In dieser Hinsicht bietet die Tour 2025 aber noch mehr. Allzu viele Berge gibt es nicht, an denen Pogacar schonmal den Kürzeren ziehen musste. Doch in diesem Jahr wird sich der Slowene gleich mit drei von fünf Hochgebirgs-Bergankünften mit schwächeren Momenten der Vergangenheit auseinandersetzen müssen, an denen er Vingegaard unterlag. 

Neben Hautacam sind das noch der Col de la Loze, an dem Pogacar 2023 die bisher vielleicht größte Niederlage seiner Karriere einstecken musste und mehr als fünf Minuten Rückstand auf Vingegaard kassierte. Diesmal wartet der Loze auf der 18. Etappe. Aber auch am Mont Ventoux, der zwei Tage zuvor ansteht, musste Pogacar schon einmal Vingegaard den Vortritt lassen. Damals, 2021, als der Berg gleich zwei Mal bewältigt wurde, bekam er einen Vorgeschmack davon, dass der Däne perspektivisch wohl sein größter Konkurrent werden würde, auch wenn er ihn damals in der Abfahrt noch stellte.

Riis bleibt Rekordhalter in Hautacam

Auch dort gäbe es also Anlass, sich zu revanchieren – wenn das denn Pogacars Ziel wäre. Ein erklärter Aspekt, aus dem er Motivation zieht, ist die Jagd nach Rekorden. Höher, schneller, weiter. Vor allem schneller. Viele Berge haben in der Ära von Pogacar und Vingegaard bereits neue Rekordzeiten bekommen. Rekordhalter in Hautacam war aber immer noch Bjarne Riis, der den Anstieg 1996 auf seinem Weg zum Tour-Sieg in 34:38 Minuten bezwungen hatte und dabei aus statistischer Sicht eine der besten Kletterleistungen seiner Epoche ablieferte.

Riis bleibt allerdings auch künftig Rekordhalter, denn Pogacar wurde diesmal mit 35:08 Minuten gestoppt. Vielleicht war es aber auch gar nicht dieser Bestwert, den der dreimalige Toursieger unbedingt für sich beanspruchen wollte. Vielleicht wollte er auch einfach auf Nummer sicher gehen, dass dem nun 20-fachen Tour-de-France-Etappensieger keiner dabei in die Quere kommt, eben jenen Sieg unter Dach und Fach zu bringen, der Pogacar im Allzeit-Ranking nun gleichauf mit dem Luxemburger Nicolas Frantz, der in den 1920er Jahren Tageserfolge – und zwei Gesamtsiege – feierte, auf Rang sechs sieht. 

Davor rangiert der französische Sprinter André Darrigade mit 22 Siegen. Die sind in diesem Jahr noch drin. Bis zu Rekordhalter Mark Cavendish und seinen 35 Erfolgen ist es dagegen noch ein ganzes Stück.

Mehr Informationen zu diesem Thema

11.08.2025Gianetti: “Pogacar zu sein ist schön, aber nicht einfach“

(rsn) – Mauro Gianetti, der Teamchef von UAE – Emirates – XRG hat sich zum kommenden Rennkalender und zum Vuelta-Verzicht von Tadej Pogacar geäußert. Am Ende der Tour de Pologne sagte er gege

03.08.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrerinnen / 9. Etappe

(rsn) - 154 Profis aus 22 Teams sind am 26. Juli im westfranzzösischen Vannes zur 4. Tour de Frances Femmes (2.WWT) angetreten, darunter sieben Deutsche, sechs Schweizerinnen und drei Österreicheri

31.07.2025Pogacar “langweilte“ sich in der zweiten Hälfte der Tour

(rsn) – Neben dem Gelben und dem Gepunkteten Trikot sicherte sich Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) bei der Tour de France 2025 vier Etappensiege. Den letzten davon feierte der Slowene ab

30.07.2025Häuslicher Unfall: Vauquelin bricht sich den Knöchel

(rsn) – Spätestens mit seinem siebten Platz bei der 112. Tour de France hat Kevin Vauquelin (Arkéa – B&B Hotels) auch international seinen Bekanntheitsgrad deutlich erhöht. Die Freude über das

29.07.2025Zwei Tage nach der Tour: Aldag verlässt Red Bull - Bora - hansgrohe

(rsn) – Rolf Aldag und Red Bull – Bora – hansgrohe gehen ab sofort getrennte Wege. Das kündigte der deutsche WorldTour-Rennstall überraschend zwei Tage nach Ende der Tour de France an, bei der

28.07.2025Lipowitz: “Manchmal ist der Sportchef nicht glücklich mit mir“

(rsn) - Nur Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – hansgrohe) konnte in den Bergen der Tour de France ansatzweise mit Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und dem Zweitplat

28.07.2025Im Überblick: Alle Gelbe Karten bei der 112. Tour de France

(rsn) – Drei Tage hat es gedauert, bis die UCI-Jury bei der Tour de France 2025 zum ersten Mal hart durchgegriffen und Gelbe Karten verteilt hat: Im Sturzchaos von Dünkirchen bestraften die Kommiss

28.07.2025Angst, natürlicher Schwund und finanzielle Ungleichheit

(rsn) – Die Tinte in den Radsport-Geschichtsbüchern ist gerade erst getrocknet: Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat bei der Tour de France 2025 im direkten Duell mit seinem großen Widersa

28.07.2025Vingegaards “merkwürdige Tour“ endet auf Platz zwei

(rsn) – Das große Ziel hat Visma – Lease a Bike bei dieser Tour de France verfehlt. Jonas Vingegaard musste in Paris mit der zweiten Stufe auf dem Podium vorliebnehmen, der ewige Rivale Tadej Po

28.07.2025Montmartre wirklich einmalig? Prudhomme zieht Tourmalet-Vergleiche

(rsn) – Es sollte etwas Besonderes werden. Immerhin gab es ja auch einen runden Geburtstag zu feiern. Vor 50 Jahren endete die Tour de France erstmals in Paris auf den Champs-Élysées, Ex-Telekom-T

28.07.2025Bericht: Pogacar verzichtet auf die Vuelta

(rsn) – Nach der Tour de France wird es wohl nicht zum nächsten Duell der beiden Topfahrer Tadej Pogacar (UAE - Emirates - XRG) und Jonas Vingegaard (Visma - Lease a Bike) bei der Vuelta a España

28.07.2025Ineos: Von “Null Toleranz“ zu “Null Transparenz“

(rsn) - Es hat etwas gedauert, bis die ARD-Reportage “Geheimsache Doping: Im Windschatten“ auch bei der Tour de France ankam. Aber auf der Pressekonferenz der 20. und vorletzten Etappe sah sich sc

Weitere Radsportnachrichten

24.10.2025Niermann: “Viele Berge, das ist gut für Jonas“

(rsn) – Von den Protagonisten der vergangenen Tour de France liegen noch keine offizielle Kommentare zur Strecke der am 5. Juli 2026 im spanischen Barcelona beginnenden 113. Tour de France vor. Doch

24.10.2025WM-Debütant Augenstein kam erst mit Verspätung zum Jubeln

(rsn) – Es war schon ein kurioses Ende des zehn Kilometer langen Scratch-Rennens der Männer im Velodromo Penalolen in Santiago de Chile. Denn als die letzte der 40 Runden angeläutet werde sollte u

24.10.2025Kontinental-Fahrer Kevin Bonaldo im Alter von 25 Jahren verstorben

(rsn) - Einen Monat, nachdem er beim italienischen Eintagesrennen Piccola Sanremo einen Herzstillstand erlitten hatte und ins künstliche Koma versetzt worden war, ist der Italiener Kevin Bonaldo laut

24.10.2025Turconi-Brüder künftig gemeinsam bei VF Group – Bardiani

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

24.10.2025Ferrand-Prévot nimmt sich nun auch noch Zeitfahren vor

(rsn) – Pauline Ferrand-Prévot zeigte sich vom Parcours der mit 1.175 Kilometern bislang längsten Tour de France Femmes begeistert. “Es ist eine super schöne Strecke. Es wird wunderschön und i

24.10.2025Im Video: Augensteins Triumphfahrt zu WM-Gold im Scratch

(rsn) – Moritz Augenstein hat bei seiner WM-Premiere in Santiago de Chile den Titel im Scratch gewonnen und German Cycling die erste Goldmedaille bei den diesjährigen Welttitelkämpfen beschert. De

24.10.2025Del Toro rauscht zum Mexikanischen Zeitfahrtitel

(rsn) – Isaac Del Toro hat seinen herbstlichen Siegeszug auch in seiner Heimat fortgesetzt. Der 21-jährige Mexikaner gewann völlig ungefährdet die Nationalen Zeitfahrmeisterschaften und feierte d

24.10.2025Triumph beim WM-Debüt: Augenstein holt Gold im Scratch

(rsn) - Der zweite Tag der Bahn-Weltmeisterschaften von Santiago de Chile brachte die ersten Medaillen für das deutsche Team. Im Vierer der Frauen schafften Franziska Brauße, Lisa Klein, Messane BrÃ

24.10.2025Das Programm der UCI-Bahn-WM von Santiago de Chile

(rsn) – Bei den UCI-Bahn-Weltmeisterschaften in Santiago de Chile (21. – 26. Oktober) werden Medaillen in insgesamt 22 Disziplinen vergeben - jeweils elf bei Männern und Frauen. Den Anfang mache

23.10.2025“Verkrampft“: Van Aert nach Urlaub zurück auf dem Rad

(rsn) – Wout Van Aert (Visma – Lease a Bike) ist einen Monat nach dem Ende seiner Straßenrad-Saison wieder ins Training eingestiegen. Nach einem Familienurlaub postete er am Dienstag und Mittwoc

23.10.2025Dempster: “Schauen mit Klassement-Ambitionen auf die Route“

(rsn) – In Paris ist die Strecke der Tour de France 2026 (2.UWT) vorgestellt worden. Ein Mannschaftszeitfahren zum Auftakt in Barcelona, zahlreiche Bergetappen und ein – ebenfalls anspruchsvolles

23.10.2025Alle Etappen im Detail: Die Strecke der Tour de France 2026

(rsn) – Die Tour de France 2026 wird vom 4. bis 26. Juli ausgetragen und von Barcelona nach Paris führen. Während das über die 113. Ausgabe der Frankreich-Rundfahrt bereits bekannt war, stellten

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine