Vorschau auf das erste Zeitfahren der Tour

Die direkten Kontrahenten sehen Evenepoel ganz vorne

Von Jan Zesewitz

Foto zu dem Text "Die direkten Kontrahenten sehen Evenepoel ganz vorne"
Remco Evenepoel (Soudal - Quick-Step) ist der Topfavorit | Foto: Cor Vos

05.07.2024  |  (rsn) – Bei der vergangenen Austragung der Tour de France (2. UWT) bot das einzige Einzelzeitfahren eine Vorentscheidung in der Gesamtwertung. Auf den damaligen 22 Kilometern machte Jonas VIngegaard (Visma – Lease a Bike) aus einem Sekunden-Thriller mit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) einen Vorsprung von fast zwei Minuten.

1:38 Minuten war er damals schneller als sein slowenischer Kontrahent, der allerdings auch schon mit einem Herpesbläschen an der Lippe von der Startrampe gerollt war und tagsdrauf am Col de la Loze dann völlig einbrach. Vingegaards Teamkollege Wout van Aert (Visma – Lease a Bike) war 2:51 Minuten langsamer als der Däne.

Aber: Das Zeitfahren damals ist nicht mit dem heutigen Kampf gegen die Uhr im Burgund zu vergleichen. Die Länge ist mit 25,3 Kilometern zwar ähnlich, aber die Strecke weist nur halb so viele Höhenmeter und keinen vergleichbar steilen Anstieg auf wie den hinauf nach Combloux am 18. Juli 2023. Die Vorzeichen sind also völlig andere – und der heutige Topfavorit war im vergangenen Jahr gar nicht dabei.

Das ist laut einhelliger Meinung seiner Kontrahenten nämlich Zeitfahr-Weltmeister Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step. "Ich sehe Remco als klaren Favoriten", sagte Pogacar am Donnerstagabend. "Er ist Weltmeister und hat immer wieder gezeigt, dass er jeden schlagen kann. Er wird morgen der Mann sein, den es zu besiegen gilt, aber ich denke, ich kann auch gut abschneiden. Natürlich ist er ein ernsthafter Anwärter auf die Gesamtwertung. Ich glaube, er hat dieses Ziel seit Dezember im Auge."

Vingegaard erneut mit den größten Fragezeichen

Vingegaard stimmte seinem großen Rivalen zu: "Tadej ist immer gut in Zeitfahren, das erwarte ich auch diesmal von ihm. Der große Favorit ist Remco. Ich werde einfach mein Bestes geben und dann werden wir sehen", meinte der Titelverteidiger.

Auf Basis der Vorergebnisse im Zeitfahren ist diese zugeschobene Favoritenrolle nicht nur Tiefstapelei der beiden anderen, sondern das erwartbare Ergebnis. Im direkten Duell konnte Pogacar den amtierenden Zeitfahr-Weltmeister aus Belgien noch nie schlagen. Keines dieser Duelle fand allerdings bei einer Grand Tour statt, die Mehrzahl bei Welt- und Europameisterschaften.

Jonas Vingegaard dominierte das Zeitfahren von Combloux bei der vergangenen Tour de France. | Foto: Cor Vos

 

Im Burgund wird sich auch zeigen, wie gut Vingegaards Form nach dem schweren Sturz bei der Baskenland-Rundfahrt Anfang April ist. Die Belastung auf dem Zeitfahrrad ist schließlich nochmal eine andere, als die in der kurzen, steilen Rampe von Bologna oder am Col du Galibier.

Im Vergleich zu seinen großen Kontrahenten hat Vingegaard einen klaren Nachteil: "Ich habe mir die Strecke für morgen noch nicht angeschaut. Eigentlich wollte ich, aber dann bin ich gestürzt und es kam nicht mehr dazu. Ich habe es nur auf einem Video gesehen, scheint einigermaßen hügelig zu sein, aber nicht zu technisch. Es wird schnell werden", sagte der Däne.

Evenepoel und Pogacar, aber auch Zeitfahr-Olympiasieger Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe), haben den Kurs im Vorfeld intensiv besichtigt. Evenepoel schaute nach eigener Aussage während des Weihnachtsurlaubs kurz vorbei und wenige Tage vor Tour-Start noch einmal. "Die Strecke liegt mir gut“, sagte der 24-Jährige. “Wir peilen den Sieg an. Als Weltmeister im Zeitfahren werde ich alles für den Etappensieg geben, aber auch mit Blick auf eine gute Position in der Gesamtwertung, wo ich hoffentlich Aufsehen erregen werde."

Rückt das Gesamtklassement zusammen?

45 Sekunden beträgt der Abstand zwischen Pogacar im Maillot Jaune und Evenepoel. Der Weltmeister müsste rund zwei Sekunden pro Kilometer aufholen, um das Gelbe Trikot zu übernehmen. Seinen Aussagen nach ist das sein Ziel. Doch anders als am Ende der 3. Etappe wird der Slowene das Führungstrikot nicht kampflos hergeben wollen und der relativ kurze, schnelle Kurs spricht nicht dafür, dass dort riesige Abstände entstehen könnten, wenn nicht einer einen richtig schlechten Tag hat.

Auch Pogacar ist vorbereitet: "Ich habe die Zeitfahrstrecke schon vor langer Zeit erkundet. Ich muss sagen, ich liebe sie, es ist ein fantastisches Zeitfahren. Es wird schnell sein, aber Aerodynamik allein reicht nicht aus, es braucht auch Pep", so der 25-Jährige.

Diese Analyse unterstützte auch sein Team-Manager Joxean Matxin Fernandez, der den Kurs "perfekt" für Evenepoel hält. Und Vingegaard? Der sagte nach der 4. Etappe, dass er mit zwei Minuten Rückstand auf Pogacar in der Gesamtwertung gerechnet hätte – könnte dieser Rückstand jetzt erreicht werden oder überrascht der Däne wie schon an den ersten Tagen? Vingegaard selber lässt sich wie meist nicht in die Karten schauen.

Der letzte Sieg im Zeitfahren gelang Tadej Pogacar beim Giro d'Italia im Rosa Trikot. | Foto: Cor Vos

 

Wichtige Tipps von der Strecke wird Vingegaard von seinem Teamkollegen Wout van Aert erhalten, der anderthalb Stunden vor ihm startet. Van Aert könnte neben den beispielsweise den Schweizern Stefan Bissegger (EF Education – EasyPost) und Stefan Küng (Groupama – FDJ) auch einer jener Fahrer sein, die den "Großen Vier" im Tagesklassement in die Quere kommen können. Gegenüber Sporza bestätigte er, dass er den Tag im Kalender markiert hat: "Es ist ein Ziel. Ich freue mich schon darauf. Meine Vorbereitung auf das olympische Zeitfahren lief wegen meines Sturzes völlig anders als geplant. Ich konnte kaum dafür trainieren. Der morgige Tag ist ein wichtiger Tag."

Für Wout van Aert, aber auch in der Gesamtwertung - obwohl es wahrscheinlich kein vorentscheidender Tag wie im vergangenen Jahr sein wird.

Mehr Informationen zu diesem Thema

24.07.2024Geschke würde “gerne nochmal zur WM fahren“

(rsn) – Simon Geschke hat seine letzte Tour de France beendet. Bei zwölf Teilnahmen gelang ihm 2015 in Pra-Loup einer seiner drei Profisiege der Karriere, die zum im Oktober ihr Ende finden wird. V

24.07.2024Wirbelfraktur bei Roglic

(rsn) – Die 12. Etappe der Tour de France 2024 wird Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch länger in Erinnerung bleiben. Nicht nur, dass sein Sturz weniger Kilometer vor dem Ziel in V

23.07.2024Nach Tour-Aus noch Fragezeichen hinter Roglics Vuelta-Start

(rsn) – Nachdem er die Tour de France in Folge von zwei Stürzen binnen 24 Stunden vorzeitig verlassen musste, befindet sich Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch in der Erholungsphas

23.07.2024Tour-Dritter Evenepoel: “Noch etwas größer als der Vuelta-Sieg“

(rsn) – Nach seinem erfolgreichen Tour-de-France-Debüt blickt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) zuversichtlich nach vorn. “Ich denke, dieser Podestplatz bedeutet für meine Zukunftspläne,

22.07.2024Titelverteidiger bezwungen, zwei Topteams gehen leer aus

(rsn) – In Nizza endete am Sonntag die 111. Austragung der Tour de France. Das Rennen rund um Frankreich, welches heuer erstmals in Italien begann, sorgte für viel Action, Dramatik, Freude und Trä

22.07.2024Pogacar: “Superdumm, etwas zu nehmen, was Dich gefährdet“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nicht nur den Giro d’Italia, sondern auch die Tour de France fast nach Belieben dominiert. Der Slowene gewann beide Rundfahrten dank jeweils sechs Et

22.07.2024Pogacar und UAE auch im Preisgeld-Ranking der Tour Nummer 1

(rsn) – UAE Team Emirates hat bei der 111. Tour de France dank Tadej Pogacar auch beim Preisgeld groß abgesahnt. Dagegen ist das deutsche Team Red Bull – Bora – hansgrohe das Schlusslicht des

22.07.2024Pogacar kehrt auf den Thron zurück, Girmay Afrikas Radsportheld

(rsn) – Drei Wochen Tour de France sind am Sonntagabend in Nizza zu Ende gegangen. Erstmals fand das Finale des größten Radrennens der Welt nicht in der französischen Hauptstadt Paris statt, son

21.07.2024Auch ohne Etappensieg eine Tour-Bilanz mit Erfolgen

(rsn) – Acht deutsche Fahrer starteten vor drei Wochen in Florenz in die 111. Tour de France und sieben davon erreichten das Ziel in Nizza. Zwar müssen die deutschen Fans weiter auf den ersten Eta

21.07.2024Tadej, der Gnadenlose: Pogacar unterwirft sich die Tour

(rsn) - Die Geschichte kennt Iwan, den Schrecklichen, Vlad, den Pfähler und Eddy, den Kannibalen. Mit ersterem ist nicht der frühere Giro-Sieger Ivan Basso gemeint, sondern der grausame Zar, der sei

21.07.2024Vingegaard: “Unter normalen Umständen wäre ich enttäuscht“

(rsn) - Mit seinem sechsten Etappensieg vollendete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht nur das Double aus Giro d´Italia und der Tour de France, sondern stellte auch seine Anzahl an Tageserfolgen

21.07.2024Pogacar macht mit Zeitfahr-Triumph das Giro-Tour-Double klar

(rsn) –Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nach 2020 und 2021 zum dritten Mal die Tour de France gewonnen. Im Abschlusszeitfahren über 33,7 Kilometer von Monaco nach Nizza holte sich der Slowene

Weitere Radsportnachrichten

04.10.2024Geschke startet mit Baby in die nächste Etappe seines Lebens

(rsn) - Aus den Lautsprechern tönte “Simply the best“ von Tina Turner. Gemeint war Simon Geschke (Cofidis), mit 38 Jahren der älteste Teilnehmer des 18. Sparkassen Münsterland Giro, der gerade

04.10.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die w

04.10.2024Nach Niewiadoma sagt auch Ferrand-Prévot für die Gravel-WM ab

(rsn) – Nach Vorjahressiegerin Kasia Niewiadoma hat nun auch Mountainbike-Olympiasiegerin Pauline Ferrand-Prévot für die Gravel-Weltmeisterschaften im belgischen Leuven abgesagt. Ähnlich wie die

04.10.2024Andresen hat in der Schlussrampe den stärksten Punch

(rsn) – Brandon McNulty (UAE Team Emirates) hat auf der Königsetappe des CRO Race (2.1) das Rote Trikot des Gesamtführenden souverän behauptet, musste sich im Kampf um den Tagessieg aber mit Rang

04.10.2024Vanhoucke wird Teamkollege von Steimle

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

04.10.2024Im Überblick: Die Transfers der Profiteams für 2025

(rsn) – Nachdem zahlreiche Transfergerüchte seit Monaten in der Radsportwelt zirkulieren, dürfen die Profimannschaften seit dem 1. August ihre Transfers offiziell bekanntgeben. Radsport-news.c

04.10.2024Pogacar im Regenbogentrikot zum ersten Sieg in San Luca?

(rsn) – Mit seinem 23. Saisonsieg machte Tadej Pogacar (UAE Team) Emirates in Zürich das Triple aus Giro, Tour und dem Weltmeistertitel perfekt – ein Kunststück, das vor ihm nur Eddy Merckx und

04.10.2024De Kleijn verpasst Hattrick - Tarozzi bejubelt Ausreißersieg

(rsn) - Arvid de Kleijn (Tudor) hat bei der Tour de Langkawi (2.Pro) einen Hattrick verpasst. Der 30-jährige entschied auf der 6. Etappe nach 123,4 Kilometern von Batu Pahat nach Kulai zwar ein weite

03.10.2024Kommentar: Auf Technologie zu verzichten, ist grob fahrlässig

(rsn) – Eine Woche ist vergangen, seit Muriel Furrer im WM-Straßenrennen der Juniorinnen in der Abfahrt durch die Schmalzgruebstrasse im Wald hinunter nach Küsnacht gestürzt ist und sich dabei ei

03.10.2024Vor Omas Haustür: Dreßler Bergkönig im Münsterland

(rsn) – Zum Abschluss der deutschen Radsportsaison beim Münsterland Giro (1.Pro) haben sich die deutschen Kontinental-Teams von ihrer offensiven Seite gezeigt, am Ende aber ein Spitzenergebnis verp

03.10.2024Philipsen lässt Meeus in Münster keine Chance

(rsn) - Der 18. Münsterland Giro endete mit einem Favoritensieg. Nach 202 Kilometern mit Start in Haltern am See und Ziel in Münster setzte sich der Belgier Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck)

03.10.2024McNulty trotzt dem Regen und erobert Gesamtführung

(rsn) – Die 3. Etappe des Cro Race ging nach nur 89,5 Kilometern an den US-Amerikaner Brandon McNulty (UAE Team Emirates), der sich nach einem 41 Kilometer langen Solo den Tagessieg als auch die Ge

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine