Massensturz verhilft Carapaz zum Gelben Trikot

Girmay überrascht beim ersten Sprint Royal dieser Tour

Von Sebastian Lindner

Foto zu dem Text "Girmay überrascht beim ersten Sprint Royal dieser Tour"
Biniam Girmay (Intermarché – Wanty) | Foto: Cor Vos

01.07.2024  |  (rsn) – Lange passierte nichts, dann aber umso mehr. Die 3. Etappe der 111. Tour de France sah in Biniam Girmay (Intermarché – Wanty) den ersten eritreischen Etappensieger ihrer Geschichte, nachdem ein Massensturz 2,4 Kilometer vor dem Ziel den Top-Favoriten auf den Tagessieg, Jasper Philipsen (Alepcin-Deceuninck), um seine Chancen brachte. Auch Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) im Gelben Trikot, Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) in Weiß und Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) wurden aufgehalten, kamen aber ohne Verletzungen davon und wurden zeitgleich mit Tagessieger Girmay gewertet.

Der 24-Jährige hatte nach 230,8 Kilometern zwischen Piacenza und Turin die Nase vor Fernando Gaviria (Movistar) und Arnaud De Lie (Lotto Dstny) vorn, die vor Mads Pedersen (Lidl – Trek) Zweiter und Dritter wurden. Phil Bauhaus (Bahrain Victorious) landete als bester Deutscher auf Rang sechs. Auch Pascal Ackermann (Israel – Premier Tech) hatte sich am Sturz vorbei manövriert, konnte bei seinem ersten Tour-Sprint aber dennoch nicht vorn eingreifen und wurde 15.

Zuvor musste die längste Etappe der Rundfahrt ohne den klassischen Verlauf auskommen. Keine – ernstgemeinten – Ausreißversuche, keine Spitzengruppe. Schonung war nach dem schweren Tour-Auftakt angesagt, der sich auf der 4. Etappe mit der Fahrt über den Col du Galibier und dem Wechsel nach Frankreich direkt fortsetzt. Erst 66 Kilometer vor dem Ziel ging Fabien Grellier (TotalEnergies) ein Solo an, dass ihm zumindest die Ehrung als kämpferischsten Fahrer sicherte. Lange vor dem Finale war er aber wieder Teil des ansonsten fast dauerhaft geschlossen fahrenden Feldes.

Wenn du auf den Link klickst und darüber einkaufst, bekommen wir von dem Online-Shop oder Anbieter eine kleine Provision. Somit unterstützt du unsere Arbeit und radsport-news.com. Danke!

Girmay wird episch

So wie Girmay, für den in Turin allerhand glückliche Umstände zusammenkamen, nachdem nicht alle Sprinter in den Kampf um den Tagessieg eingreifen konnten. “Normalerweise wäre es der Plan gewesen, den Sprint für Gerben Thijssen zu fahren. Aber auf dem letzten Kilometer haben wir uns verloren und dann habe ich es selbst versucht. Es war einfach unglaublich“, so Girmay, der im Siegerinterview in Tränen ausbrach.

Der Afrikaner, der vor zwei Jahren beim Giro d’Italia seine erste Etappe bei einer Grand Tour gewinnen konnte, wurde in seinen Worten episch und holte weit aus. “Zuerst muss ich mich bei Gott für alles bedanken, für die Kraft und Unterstützung, die er mir gegeben hat. Als ich mit dem Radfahren begann, habe ich mich gar nicht getraut, daran zu denken, jemals bei einer Tour de France dabei zu sein. Ich möchte mich bei meiner Familie, meiner Frau, bei allen Eritreern und Afrikanern bedanken. Wir können stolz auf uns sein. Wir sind nun wirklich Teil der größten Rennen im Radsport. Jetzt ist unser Moment, unsere Zeit.“

Während Jonas Abrahamsen (Uno-X Mobility) sowohl sein Grünes als auch das Bergtrikot verteidigen konnte, gibt es in der Gesamtwertung einen Wechsel an der Spitze. Richard Carapaz (EF Education – EasyPost) ist der neue Mann in Gelb. Er hatte es als einziger aus dem zeitgleichen Spitzenquartett in die vorderste Gruppe nach dem Massensprint geschafft. Er wurde 14. und steht dadurch in der Addition aller Tagesergebnisse besser da als Pogacar, der darüber aber nicht besonders traurig sein dürfte. Evenepoel bleibt Führender der Nachwuchswertung.

So lief die 3. Etappe der Tour de France

Bei deutlich angenehmeren Temperaturen als an den Vortagen mit 25 Grad am Start in Piacenza setzten sich 175 Fahrer in Bewegung. Bis sie wirklich ein Rennen fuhren, sollte es aber eine ganze Weile dauern. Nachdem sechs Kilometer lang keiner auch nur die Anstalten gemacht hatte, eine Attacke zu starten, erbarmten sich Abrahamsen im Grünen Trikot und sein Uno-X-Teamkollege Johannes Kulset, jüngster Starter der Tour in diesem Jahr, und arbeiteten anderthalb Minuten heraus.

Allerdings meinten es die beiden Norweger keineswegs ernst, machten ihre Späße mit den Zuschauern und stellten sich schließlich an den Straßenrand, um sich wieder einholen zu lassen. In Summe war das kein gutes Bild, aber 218 Kilometer vor dem Ziel war es bereinigt. Danach schickten die Sprinterteams zwar allesamt einen Helfer an die Spitze des Feldes, aber schneller wurde es damit auch nicht.

Das Streckenprofil der 3. Etappe der Tour de France | Foto: Veranstalter

Auf den nächsten Kilometern passierte weiter lange nichts. Es bildete sich keine Gruppe, auch das Tempo ging nur marginal nach oben. Die erste Bergwertung nach 70 Kilometern in Tortona (4. Kategorie) - zu Ehren Fausto Coppis ausgetragen, der hier im Alter von 40 Jahren an Malaria verstarb - erreichte das Feld geschlossen eine Viertelstunde nach dem langsamsten geplanten Schnitt. Abrahamsen, auch Führender in der Bergwertung, sicherte sich den einzigen Punkt.

Auch am Zwischensprint nach 94 Kilometern blieb alles verhalten. Pedersen räumte die 20 Zähler vor Philipsen (17) und Bryan Coquard (Cofidis, 15) ab, ohne seine kompletten Fähigkeiten aufbieten zu müssen und wahrte somit zumindest in der Theorie die Chance, am Ende des Tages mit einem Sieg Grün zu übernehmen.

Grellier sorgt für etwas Abwechslung

Nach 156 Kilometern stand die zweite Bergwertung des Tages (4. Kategorie) auf dem Plan. Dieses Mal kam dem Norweger Matteo Sobrero (Red Bull – Bora – hansgrohe) aber in die Quere. Der Italiener räumte den Punkt ab. Kurz nach der Wertung gab es dann doch noch eine echte Attacke. Grellier nahm die Beine in die Hand und fuhr bis zu einer knappen Minute Vorsprung heraus, die er auch über die letzte Bergwertung (4. Kategorie) des Tages knapp 50 Kilometer vor dem Ziel rettete.

Mit noch 28 zu fahrenden Kilometern wurde der Franzose gestellt, denn das Feld hatte nun deutlich Fahrt aufgenommen und nahezu wieder den mittleren errechneten Schnitt von 41 km/h erreicht. Das Tempo steigerte sich weiter, was die ersten Stürze provozierte. Zunächst erwischte es Casper Pedersen (Soudal – Quick Step), später auch Bruno Armirail (Decathlon – AG2R La Mondiale). Mathieu van der Poel (Alpecin – Deceuninck) musste mit Defekt im Finale passen.

2,4 Kilometer vor dem Ziel krachte es dann aber richtig. Ein Massensturz auf der rechten Fahrbahnseite einer langen Geraden riss das Feld komplett auseinander. Pogacar, Evenepoel und Vingegaard wurden aufgehalten und kamen – zeitgleich mit allen anderen gewertet – in späteren Gruppen ins Ziel. Auch Philipsen und Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) konnten nicht in den Kampf um den Tagessieg eingreifen. Ansonsten hatten sich die Sprinter weitestgehend schadlos gehalten und kamen gemeinsam auf die Zielgerade. Dort war Pedersen dann etwas zu früh im Wind, um sich der Konkurrenz hinter ihm bis zum Strich zu erwehren. Girmay zog innen an der Bande an ihm vorbei, auch De Lie wählte diese Spur und machte damit den Weg für Dylan Groenewegen (Jayco – AlUla) zu. Links von Pedersen kam Gaviria mit hoher Endgeschwindigkeit, konnte Girmay aber nicht mehr abfangen.

Results powered by FirstCycling.com

Mehr Informationen zu diesem Thema

10.11.2024Cavendish gewinnt in Singapur den letzten Sprint seiner Karriere

(rsn) – Mark Cavendish (Astana Qazaqstan) hat das letzte Rennen seiner Karriere standesgemäß beendet. Der 39-jährige Brite ließ in Singapur beim von der ASO organisierten Prudential Critérium i

24.07.2024Geschke würde “gerne nochmal zur WM fahren“

(rsn) – Simon Geschke hat seine letzte Tour de France beendet. Bei zwölf Teilnahmen gelang ihm 2015 in Pra-Loup einer seiner drei Profisiege der Karriere, die zum im Oktober ihr Ende finden wird. V

24.07.2024Wirbelfraktur bei Roglic

(rsn) – Die 12. Etappe der Tour de France 2024 wird Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch länger in Erinnerung bleiben. Nicht nur, dass sein Sturz weniger Kilometer vor dem Ziel in V

23.07.2024Nach Tour-Aus noch Fragezeichen hinter Roglics Vuelta-Start

(rsn) – Nachdem er die Tour de France in Folge von zwei Stürzen binnen 24 Stunden vorzeitig verlassen musste, befindet sich Primoz Roglic (Red Bull – Bora – hansgrohe) noch in der Erholungsphas

23.07.2024Tour-Dritter Evenepoel: “Noch etwas größer als der Vuelta-Sieg“

(rsn) – Nach seinem erfolgreichen Tour-de-France-Debüt blickt Remco Evenepoel (Soudal – Quick-Step) zuversichtlich nach vorn. “Ich denke, dieser Podestplatz bedeutet für meine Zukunftspläne,

22.07.2024Titelverteidiger bezwungen, zwei Topteams gehen leer aus

(rsn) – In Nizza endete am Sonntag die 111. Austragung der Tour de France. Das Rennen rund um Frankreich, welches heuer erstmals in Italien begann, sorgte für viel Action, Dramatik, Freude und Trä

22.07.2024Pogacar: “Superdumm, etwas zu nehmen, was Dich gefährdet“

(rsn) – Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) hat nicht nur den Giro d’Italia, sondern auch die Tour de France fast nach Belieben dominiert. Der Slowene gewann beide Rundfahrten dank jeweils sechs Et

22.07.2024Pogacar und UAE auch im Preisgeld-Ranking der Tour Nummer 1

(rsn) – UAE Team Emirates hat bei der 111. Tour de France dank Tadej Pogacar auch beim Preisgeld groß abgesahnt. Dagegen ist das deutsche Team Red Bull – Bora – hansgrohe das Schlusslicht des

22.07.2024Pogacar kehrt auf den Thron zurück, Girmay Afrikas Radsportheld

(rsn) – Drei Wochen Tour de France sind am Sonntagabend in Nizza zu Ende gegangen. Erstmals fand das Finale des größten Radrennens der Welt nicht in der französischen Hauptstadt Paris statt, son

21.07.2024Auch ohne Etappensieg eine Tour-Bilanz mit Erfolgen

(rsn) – Acht deutsche Fahrer starteten vor drei Wochen in Florenz in die 111. Tour de France und sieben davon erreichten das Ziel in Nizza. Zwar müssen die deutschen Fans weiter auf den ersten Eta

21.07.2024Tadej, der Gnadenlose: Pogacar unterwirft sich die Tour

(rsn) - Die Geschichte kennt Iwan, den Schrecklichen, Vlad, den Pfähler und Eddy, den Kannibalen. Mit ersterem ist nicht der frühere Giro-Sieger Ivan Basso gemeint, sondern der grausame Zar, der sei

21.07.2024Vingegaard: “Unter normalen Umständen wäre ich enttäuscht“

(rsn) - Mit seinem sechsten Etappensieg vollendete Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) nicht nur das Double aus Giro d´Italia und der Tour de France, sondern stellte auch seine Anzahl an Tageserfolgen

Weitere Radsportnachrichten

21.12.2024Schöne Highlights und ein sehr starker August

(rsn) – 22 Jahre ist Fabio Christen (Q36.5 Pro Cycling) alt, und der Schweizer kommt aus einer wahren Radsportfamilie. Schon sein Großvater gehörte zu den besten Straßensportlern und auch sein Va

21.12.2024Red-Bull-Sportchef Aldag über die Transfers von Lazkano und Co.

(rsn) – Es war abzusehen, dass Red Bull – Bora – hansgrohe auch in diesem Winter wieder allerhand Veränderungen am Kader für die neue Saison vornehmen würde. Neun Profis stoßen 2025 zum Team

21.12.2024Vandeputte mit Start-Ziel-Sieg zum ersten Weltcuperfolg

(rsn) – Dank einer technischen Glanzleistung hat Niels Vandeputte (Alpecin – Deceuninck) in Hulst nicht nur einen Start-Ziel-Sieg, sondern auch seinen ersten Weltcup-Erfolg gefeiert. Der Belgier w

21.12.2024Schreiber startet am schnellsten und bleibt bis zum Schluss vorn

(rsn) – Schnellstarterin Marie Schreiber (SD Worx – Protime) hat den Cross-Weltcup in Hulst mit einem Start-Ziel-Sieg für sich entschieden. Lucinda Brand (Baloise – Trek Lions) baute als Zweite

21.12.2024Knolle, Groß, John und Zemke zu rad-net - Rembe - Sauerland

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

21.12.2024Vom Niemandsland nach Alpe d’Huez in wenigen Monaten

(rsn) – Als Ruderin stand Valentina Cavallar schon bei den Olympischen Spielen am Start und ihr Einstieg in den Radsport kam dann doch sehr überraschend. Erst im April fand sie einen Platz bei der

21.12.2024“Riesige Erleichterung“: Auf dem Weg zurück zu alter Stärke

(rsn) – Er war noch nicht ganz wieder der Alte, doch nach zwei krankheitsbedingt schwarzen Saisons hat Maximilian Schachmann 2024 endlich erneut aufblitzen lassen können, wozu er fähig ist. Das ge

21.12.2024Van Empel muss Cross-Wochenende auslassen

(rsn) - Wegen eines Trainingssturzes muss Weltmeisterin Fem van Empel (Visma – Lease a Bike) die beiden Cross-Weltcups in Hulst und Zonhoven an diesem Wochenende auslassen. Wie die Niederländerin a

21.12.2024Die Radsport-News-Jahresrangliste 2024

(rsn) - Auch diesmal starten wir am 1. November mit unserer Jahresrangliste. Wir haben alle UCI-Rennen der vergangenen zwölf Monate (1. November 2023 bis 31. Oktober 2024) ausgewertet - nach unserem

20.12.2024Meisterschaftsdoppel versöhnte nach Olympia-Enttäuschung

(rsn) – Die Olympischen Spiele in Paris hatten die Österreicherin Anna Kiesenhofer (Roland) wieder in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit zurückgeholt. Immer wieder wurde ihre Sensationsfahrt v

20.12.2024Van Aert kehrt in Mol zu seiner ersten Liebe zurück

(rsn) - Viel Zeit zur Vorbereitung konnte sich Wout van Aert (30) nicht gönnen. Nach nur drei Tagen im Cross-Training will der Belgier am Montag beim Superprestige in Mol starten. Der Cross-Vizeweltm

20.12.2024Van Schip wegen Drohungen und Beleidigungen gesperrt

(rsn) - Wegen "Beleidigungen, Drohungen und unangemessenem Verhalten“ bei der Bahn-WM in Ballerup (Dänemark) hat die UCI den Niederländer Jan-Willem van Schip vom 27. Dezember 2024 bis zum 1. Febr

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine