RSNplusRevanche fürs erste Giro-Zeitfahren

Ganna kommen am Tag der Glorie die Tränen

Von Tom Mustroph aus Desenzano del Garda

Foto zu dem Text "Ganna kommen am Tag der Glorie die Tränen"
Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) feiert seinen Giro-Etappensieg. | Foto: Cor Vos

18.05.2024  |  (rsn) - Ein Schrei der Erleichterung breitete sich auf der Uferpromenade am Gardasee in Desenzano aus. Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) war gerade ins Ziel gekommen. Doch der Mann in Rosa hatte die bisherige Bestzeit von Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) verpasst. Mal kein Sieg für den Slowenen, selbst wenn er in der Gesamtwertung seine Führung ausbaute. Aber zumindest die Bühne für den Tagessieg gehörte jemandem anderem: Filippo Ganna.

Und so jubelte die Piazza lauthals. Schließlich hatte der Lokalheld gewonnen. Italienischer Zeitfahrmeister ist er, Olympiasieger und Weltmeister auf der Bahn. Aus dem Norden Italiens stammt Ganna und lebt jetzt im italienischen Teil der Schweiz. “Die Straßen hier kenne ich aber gut. Ich bin oft hier, auch weil ich hier für die Bahn trainiere. Es ist ein schöner Erfolg in meinem zweiten Zuhause“, sagte Ganna im italienischen Fernsehen.

___STEADY_PAYWALL___

Da hatte er sich die Tränen gerade aus den Augenwinkeln gewischt. Ja, Ganna war tatsächlich gerührt über seinen Sieg, auch über den Zuspruch der Fans. Gedankenverloren sah man ihn später auf der Piazza sitzen, eine Hand im Fell eines seiner Hunde verborgen, den er versonnen kraulte.

Filippo Ganna (Ineos Grenadiers) stürmt im zweiten Zeitfahren des Giro d’Italia zum Etappensieg. | Foto: Cor Vos

Der 27-jährige Ganna hatte bangen müssen für diesen Sieg. Er selber hatte er zwar alles dafür getan. Er hatte all diejenigen, die vor ihm auf der Strecke waren, mit seiner zweiten Zwischenzeit und erst recht der Endzeit geschockt. Eine Minute war es nach der zweiten Zwischenzeit, anderthalb Minuten im Ziel. Dann aber kam Pogacar. Der Slowene blieb anfangs in Schlagdistanz zu Ganna, eine bis fünf Sekunden hinter dem Italiener. Dann kam er näher, zog gleich und schließlich färbte sich der Balken, der seine Zeitdifferenz angab, grün. Drei, vier, fünf Sekunden Vorsprung hatte Pogacar.

Pogacars Bestzeit lässt Gannas Miene versteinern

An der ersten Zwischenzeit setzte der Slowene dann auch die Bestmarke. Und Gannas Gesicht, immer wieder eingeblendet, versteinerte Minute für Minute. “Es war schwer für mich. Zeitfahren ist eine besondere Disziplin. Du gibst alles, aber dann musst du warten und warten, ein, zwei Stunden, und immer kann jemand kommen, der deine Zeit schlägt“, sagte er.

Erleichterung verschaffte ihm sein Bahnkollege Jonathan Milan (Lidl – Trek). “Er kam wirklich zu meiner Unterstützung. Wir scherzen dann, dass er drei, vier Stunden warten muss, bevor er seine 20 Sekunden Sprint hat. Ich aber muss warten, wenn ich schon alles gegeben habe“, berichtete Ganna von der Konversation der beiden Bahnolympiasieger. Der Zuspruch von Sprintkönig Milan schien zu helfen. Pogacars Vorsprung schmolz dahin. Zur zweiten Zwischenzeit und dann auch im Finale war Ganna wieder vorn, am Ende sogar deutlich.

Geschafft: Die Erleichterung war dem Italiener bei der Siegerehrung deutlich anzumerken. | Foto: Cor Vos

Den Ausschlag dafür hatte aber eher der Parcours gegeben. “Am Anfang ging es hoch und runter. Das hat mir gefallen. Der zweite Teil war eher für Ganna geeignet. Ich habe dann bei der letzten Zwischenzeit gesehen, dass ich schon magische Beine für den Etappensieg hätte haben müssen. Aber magische Beine fallen dir nicht zu im Radsport“, erklärte Pogacar die entscheidenden Momente.

Sie gaben den Ausschlag für Ganna, den erklärten Favoriten auf diesem Parcours. Für den Italiener war der Sieg aber nicht selbstverständlich. “Alle denken, Ganna kommt und dann gewinnt er das Zeitfahren. Dem ist aber nicht so. Viel Arbeit ist dafür nötig, viel Aufmerksamkeit für Details“, meinte er. Stunden im Windkanal erwähnte er, um immer noch weiter an der Position zu feilen.

Windkanalarbeit war offenbar bei Ineos Grenadiers Teamsache. Gleich fünf Mann brachte der britische Rennstall unter die ersten 12. Wäre dies ein Mannschaftszeitfahren gewesen, wäre der Giro möglicherweise wieder offen geworden. Das sah das Etappenprogramm aber nicht vor. Und so hatte Ganna seinen einen Tag der Glorie.

Der siebte Etappensieg ist Bestmarke der aktuellen Giro-Starter

Er holte damit zugleich seinen siebten Etappensieg beim Giro – Bestmarke der aktuellen Giro-Teilnehmer. In der ewigen Bestenliste zog er unter anderem mit André Greipel und Vincenzo Nibali gleich. Bis zu den 42 Siegen von Mario Cipollini ist es aber noch eine ganze Menge. Und zu sicher sein, dass Pogacar nicht schon bei diesem Giro mit ihm gleich ziehen kann in dieser Spezialwertung, darf er auch nicht.

Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) erzielte am ersten Messpunkt Bestzeit und ließ Ganna zittern. Doch im flachen zweiten Streckenteil spielte der Italiener seine Stärken voll aus und setzte sich schließlich deutlich durch. | Foto: Cor Vos

Immerhin hat er seinen Ruf als Zeitfahrkönig verteidigt. Und für den Kampf im Gesamtklassement steht er auch wieder voll als Helfer zur Verfügung. “In den vergangenen Tagen habe ich nicht unbedingt Energie gespart, aber ich habe versucht, bis zum Zeitfahren ökonomisch damit umzugehen“, verriet er.

Ob Kapitän Geraint Thomas diese Herangehensweise gefällt, erscheint fraglich. Sicher kann der Waliser allerdings sein, dass die Dampflok Ganna nun bis zum letzten Krümelchen alles an Brennstoff für ihn verfeuern wird.

Mehr Informationen zu diesem Thema

07.05.2025Pidcock: Die Gesamtwertung ist kein Ziel, Rosa aber schon

(rsn) – Es war noch im Trikot der britischen Talenteschmiede Trinity Racing, als Thomas Pidcock schon einmal beim Giro zu überzeugen wusste. Drei Etappensiege fuhr der Brite ein. Auf einen wie Anto

05.06.2024Kanter “super motiviert“, Fragezeichen hinter der Form

(rsn) – Sein Giro-Debüt musste Max Kanter bereits nach der 9. Etappe beenden. Der Sprinter von Astana Qazaqstan musste wie zahlreiche weitere Profis auch wegen eines grippalen Infekts das Rennen au

28.05.2024Gianetti: “Jetzt sind wir bereit für die Tour de France“

(rsn) – Den ersten Teil seines großen Plans, als erster Fahrer nach Marco Pantani 1998 im Lauf einer Saison das Double aus dem Giro d’Italia und der Tour de France zu gewinnen und damit ein weite

28.05.2024Grande Partenza 2026 in Albanien?

(rsn) – Kurz nach dem Finale des 107. Giro d’Italia, der am Sonntag in Rom mit dem überlegenen Gesamtsieg von Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) endete, kursieren bereits zahlreiche Berichte über

27.05.2024Martinez macht beim Giro einen Kindheitstraum wahr

(rsn) - Trotz eines fünften Platzes beim Giro d’Italia 2021 galt Daniel Martinez bisher eher als Mann für einwöchige Rundfahrten. Mit seinem zweiten Rang bei der 107. Italien-Rundfahrt hat der Ne

27.05.2024O´Connor zeigte beim Giro große Grand-Tour-Klasse

(rsn) – Viele Jahre galt Ben O´Connor (Decathlon AG2R La Mondiale) als Rohdiamant im Hinblick auf dreiwöchige Landesrundfahrten. Nach vielversprechenden Leistungen aber gelang es ihm bislang nur s

27.05.2024Bora-Teamchef Denk bestätigt Abschied von Buchmann

(rsn) – Nach den Verwerfungen im Zusammenhang mit der Giro-Ausbootung von Bora – hansgrohe war bereits über einen bevorstehenden Abschied von Emanuel Buchmann berichtet worden. Nun bestätigte Te

27.05.2024Giro-Debütant Steinhauser: “Grand Tours sind was für mich“

(rsn) – Mit einem Etappensieg und zwei dritten Plätzen kehrt Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) von seinem Grand-Tour-Debüt zurück. Der 22-jährige Allgäuer gehörte zu den großen Ü

27.05.2024Giro-Entdeckung Pellizzari auf dem Weg zu Bora - hansgrohe

(rsn) – Neben Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) war er die Entdeckung dieses Giro d´Italia: Giulio Pellizzari (VF Group – Bardiani CSF). Der 20-jährige Italiener aus den Marken fuhr

26.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 21. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

26.05.2024Highlight-Video der 21. Etappe des Giro d´Italia

(rsn) – Mit einem spektakulären Sprintfinale ist der 107. Giro d’Italia in Rom zu Ende gegangen. Nach 125 Kilometern durch die italienische Hauptstadt holte sich Tim Merlier (Soudal - Quick Step)

26.05.2024Pogacar: “Das Rosa Trikot ist eine verrückte Erfahrung“

(rsn) – Mit einem spektakulären Sprintfinale ist der 107. Giro d’Italia in Rom zu Ende gegangen. Nach 125 Kilometern durch die italienische Hauptstadt holte sich Tim Merlier (Soudal - Quick Step)

Weitere Radsportnachrichten

12.12.2025Canyon spendiert van der Poel eine frische Lackierung

(rsn) - Laut Canyon geht die Geschichte folgendermaßen: 2017 hatte man zum ersten Mal ein Cyclocross-Carbonrad, das Canyon Inflite, entwickelt und wollten ein dazu passendes Cyclocross-Team. Ziemlic

12.12.2025Lidl-Trek-Neuzugang Ayuso will bei der Tour aufs Podium

(rsn) – Mit ziemlich genau einer halben Stunde Verspätung trat Juan Ayuso beim Medientag seiner neuen Mannschaft Lidl – Trek in Delia vor die anwesenden Journalisten. Die hatten zwar 30 Minuten a

12.12.2025Van der Poel: “Sollte reichen, um sofort um den Sieg mitzufahren“

(rsn) – Drei Monate nach seinem bisher letzten Renneinsatz – Platz 29 bei der Mountainbike-WM – brennt Mathieu van der Poel darauf, wieder in den Wettbewerbsmodus umzuschalten. “Ich fühle mic

12.12.2025Die Trikots der WorldTour-Teams für die Saison 2026

(rsn) - Wie sieht das Peloton 2026 aus? Welche Farben werden in der kommenden Saison vorherrschend sein? Nach und nach stellen die WorldTour-Rennställe ihre Trikots für das neue Jahr vor - den Anfan

12.12.2025Auf welchen Rädern sind die Frauen 2026 unterwegs?

(rsn) - Bei den Profiteams der Frauen fühlen sich offenbar alle Hersteller bei ihren aktuellen Partnern wohl. Zumindest wechselt oder verlässt keine Radmarke das Team. Veränderungen gibt es nur, we

12.12.202556 Fahrerinnen und Fahrer: Movistar stellt seine Teams vor

(rsn) – Insgesamt 56 Radsportler und Radsportlerinnen, verteilt auf das Männer-, das Frauen und das neu gegründete Nachwuchsteam, präsentierten sich am Donnerstag im Palau de les Arts von Valenci

12.12.2025Quereinsteigerin verdiente sich Respekt im WorldTour-Feld

(rsn) – Aus Bonaduz in der Nähe von Chur stammt Ginia Caluori, die in diesem Jahr nicht nur auf der Straße ihre ersten Topresultate einfahren konnte, sondern auch auf dem Mountainbike - und das al

12.12.2025Visma verlängert vorzeitig mit Top-Talent Brennan

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

12.12.2025Nur ein Sieg fehlte zur perfekten ersten Profisaison

(rsn) – 58 Renntage weist unser Statistikpartner firstcycling.com für Tim Torn Teutenbergs erstes Profijahr bei Lidl – Trek aus. 27 Mal landete er dabei unter den ersten Zehn. Eine herausragen

12.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Frauen 2025

(rsn) – Seit dem Jahr 2013 blicken wir am Ende der Straßenradsaison neben der Jahresrangliste der Männer auch auf das Jahr der Frauen mit entsprechendem RSN-Ranking zurück. Berücksichtigt werden

12.12.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

12.12.2025Uijtdebroeks: Als klarer Leader endlich zum Glück?

(rsn) – Auf der Bühne bei der Teampräsentation seines neuen Movistar-Teams im Kunstpalat der Königin Sofia, einem architektonisch beeindruckenden Opernhaus in Valencia, wurde er erst einmal gefop

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)