RSNplusKommentar zum Sockenlängen-Diskurs

Gebt den Radlern endlich die Kompressionsstrümpfe frei!

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Gebt den Radlern endlich die Kompressionsstrümpfe frei!"
Wer trägt sie höher, die ´Socken´? Riejanne Markus (links) und Marlen Reusser (rechts) auf der Zielgeraden der Zeitfahr-EM 2023 in Emmen. | Foto: Cor Vos

21.09.2023  |  (rsn) – Sie ist seit ihrer Einführung am 15. Oktober 2018, gut zwei Wochen nachdem Annemiek van Vleuten in Innsbruck mit extrem langen Überschuhen Zeitfahr-Weltmeisterin geworden war, die am meisten diskutierte und belächelte Regel im Radsport: Paragraph 1.3.033bis des UCI-Reglements, der Sockenlängen-Paragraph. Immer wieder machen sich Fans und Beobachter des Sports, aber auch Mitglieder des Pelotons selbst, über diese Regel lustig.

Wann immer es in den letzten Jahren darum ging, dass die UCI die Regeln zum Thema Sicherheit gegenüber den Veranstaltern nicht gut durchsetzt und damit Fahrer und Fahrerinnen großen Risiken aussetzt, wurde gefrotzelt: 'Die UCI kümmert sich nur um wichtige Dinge, zum Beispiel die Socken der Fahrer', hieß es dann sarkastisch. Die Sockenlänge, sie wurde zum Synonym für alles, was beim Weltverband schief läuft.

Dabei kann man der UCI doch gar nicht vorwerfen, dass sie sich um die Sockenlänge ihrer Athleten und Athletinnen über Gebühr kümmert. Denn das tut sie doch gar nicht! Ganz offensichtlich, wie der Sieg von Marlen Reusser im EM-Zeitfahren von Emmen am Mittwoch mal wieder eindrucksvoll unterstrich, ist es den Verantwortlichen doch ziemlich egal, wie lang Socken oder Überschuhe sind!

___STEADY_PAYWALL___ Auszug aus dem UCI-Reglement: Pragraph 1.3.033bis definiert, wie lange Socken oder Überschuhe sein dürfen. | Grafik: UCI

Das Spannende daran: Dass Marlen Reussers Socken ganz eindeutig viel zu lang waren – die Regel erlaubt die halbe Höhe zwischen Knöchel und Wadenbeinkopf als Maximallänge, und dass die Schweizerin dieses Maß bei weitem überschritt, dafür brauchte es kein Maßband, das sahen Zusehende bei bloßem Hingucken – bringt das Thema an sich nun endlich nochmal auf den Tisch. Diesmal wurde die Sockenregel nicht nur benutzt, um sich über andere Missstände lächerlich zu machen, diesmal ging es wirklich um die Socken!

Und deshalb sollte man auch ganz akut jetzt nochmal darüber diskutieren, ob Paragraph 1.3.033bis nicht doch vielleicht einfach abgeschafft gehört – oder ob er aus ästhetischen Gründen so wichtig ist, dass er bestehen bleiben soll. Denn Rennradler machen sich doch so gern über Triathleten und deren Kompressionsstrümpfe lustig! Wäre doch ein Drama, wenn sie das nicht mehr könnten, weil plötzlich auch die besten Zeitfahrer und Zeitfahrerinnen alle mit Kniestrümpfen herumfahren. Um das zu verhindern müsste man sich bei den UCI-Kommissären endlich mal darauf einigen, das Regelwerk auch durchzusetzen.

Marlen Reusser auf dem Weg zum EM-Titel 2022 in München. | Foto: Cor Vos

Ein erster Schritt dahin wäre, überhaupt mal hinzuschauen. Denn, und das ist das Witzige: Reusser ist ähnlich lange Socken bei der EM 2023 nicht zum ersten Mal gefahren. Schon vor einem Jahr in München gewann sie Gold mit Überschuhen, die zumindest sehr hart an der Grenze zur textilen Überlänge waren. Und als sie vor gut einem Monat bei der WM in Glasgow vorzeitig vom Rad stieg, ragte das Weiß ziemlich genauso nah ans Knie heran, wie jetzt in Emmen. Bei anderen Zeitfahren mit ihrem Team SD Worx, etwa ihrem Sieg beim Tour-de-France-Finale in Pau, trug sie die vom Rennstall gebrandeten Überschuhe, die etwas kürzer sind.

Doch die Sockenlänge, und das ist wichtig festzuhalten, sie ist kein exklusives Reusser-Thema. Die Schweizerin ist bei weitem nicht die Einzige, die das Limit des Regelwerks aus- und überreizt. Auf dem Zielstrich in Emmen beispielsweise musste man nur ein paar Meter hinter sie schauen und konnte Riejanne Markus mit ähnlich hohen Überschuhen entdecken. Und schon ein Jahr nach Einführung der neuen Regel machte sich die ganze Welt darüber lustig, als Remco Evenepoel vor dem Start des WM-Zeitfahrens von Yorkshire 2019 von der Jury auf die zu hohen Socken hingewiesen wurde, sie daraufhin etwas hinunterschob, um sie dann kurz nach dem Start im Rennen aber wieder heraufzuziehen. Deutlicher als er damals konnte man den Kommissären in Sachen Paragraph 1.3.033bis nicht auf der Nase herumtanzen – durchgegriffen wurde schon dort nicht und wird es auch weiterhin nicht.

Also, liebe UCI: Dann streicht den Paragraphen doch bitte endlich ganz! Dann dürfen auch Rennradler endlich Kompressionsstrümpfe tragen, wenn sie das wirklich wollen…

Marlen Reusser im Zeitfahren bei den Weltmeisterschaften im August in Glasgow. | Foto: Cor Vos

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