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30.07.2022 | (rsn) – Nachdem sie in der ersten Wochenhälfte von Magenproblemen geplagt wurde, hat Annemiek van Vleuten (Movistar) mit einer Gala-Vorstellung auf der 7. Etappe der Tour de France der Frauen über 127,1 Kilometer von Sélestat nach Le Markstein (1.183 Meter) alle ihre Konkurrentinnen in den Schatten gestellt. Die 39-jährige Niederländerin triumphierte auf der ersten der beiden abschließenden Bergetappen nach einem Solo-Ritt über 62 Kilometer und übernahm das Gelbe Trikot von ihrer Landsfrau Marianne Vos (Jumbo – Visma).
Van Vleuten, die kürzlich bereits den Giro d’Italia der Frauen für sich entscheiden konnte, hatte bereits am Fuß des Petit Ballon, des ersten der drei schweren Berge des Tages, attackiert und danach am Col du Platzerwasel ihre einzige Begleiterin Demi Vollering (SD Worx) ohne sichtliche Mühe abgeschüttelt. Die 25-jährige Niederländerin behauptete danach ihre zweite Position, war aber chancenlos gegenüber van Vleuten und kam mit 3:26 Minuten Rückstand auf die Siegerin ins Ziel.
“Das war eine unglaubliche Achterbahnfahrt, nachdem ich hier zu Beginn so krank war. Ich war so krank und dann so zu gewinnen, das ist wirklich unglaublich – incroyable. Es ist wunderschön, solo ins Ziel zu kommen“, sagte van Vleuten lachend nach ihrem Coup, mit dem sie sich vom achten auf den ersten Platz der Gesamtwertung verbesserte.
“Natürlich musste ich es versuchen. Ich hatte ja einige Sekunden eingebüßt. Meine Art ist es, immer zu attackieren und nicht bis zum Finale zu warten. Ich hatte mir das Profil angeschaut und gesehen, dass der Petit Ballon richtig schwer ist. Nach sechs Tagen des Wartens und des Überlebenskampfs und des Erholens wollte ich so große Zeitabstände wie möglich herausfahren. Und das bedeutete, am ersten Berg des Tages zu attackieren.“
Vollering mit Abstand "best of the rest"
Im Kampf um den dritten Platz setzte sich 5:16 Minuten hinter van Vleuten im Sprint von drei Verfolgerinnen die Dänische Meisterin Cecilie Uttrup Ludwig (FDJ – Suez – Futuroscope) vor der Französin Juliette Labous (DSM) und der Polin Kasia Niewiadoma (Canyon – SRM) durch. Auf den Plätzen sechs und sieben folgten die beiden Italienerinnen Silvia Persico (Valcar Travel & Service / +6:56) und Elisa Longo Borghini (Trek – Segafredo / +6:56), Achte wurde die Slowenin Urska Zigart (BikeExchange – Jayco / +7:23) vor Évita Muzic (FDJ – Suez – Futuroscope / +8:27), der zweibesten Französin des Tages.
Vor der entscheidenden Schlussetappe zur Planches des Belles Filles führt van Vleuten das Gesamtklassement mit 3:14 Minuten Vorsprung auf Vollering, die auch das Bergtrikot übernahm. Niewiadoma (+4:33) fiel auf den dritten Platz zurück. Labous (+5:22) rückte auf den vierten Platz vor, Ludwig (+5:59) ist Fünfte.
Die 34-jährige Vos musste zwar wie erwartet das Gelbe Trikot abgeben, behauptete aber das Grüne der bestesn Sprinterin, neue Trägerin des Weißen Nachwuchstrikots ist ihre Landsfrau Shirin van Anrooij (Trek - Segafredo), die sich auf Platz 15 der Gesamtwertung verbesserte.
So lief das Rennen:
Auf den ersten flachen Kilometern der ersten Bergetappe dieser Tour der Frauen verpufften sämtliche Attacken wirkungslos, ehe sich nach gut 30 Kilometern und schon kurz vor dem ersten von drei schweren Bergen des Tages mehr als 30 Fahrerinnen lösen konnten.
Doch die große Gruppe wurde nach nur wenigen Kilometern wieder gestellt, ehe gleich zu Beginn des 9,3 Kilometer langen und mehr als acht Prozent steilen Petit Ballon die von Magenproblemen in der ersten Wochenhälfte offensichtlich vollständig genesene van Vleuten attackierte und bis auf Vollering sämtliche Begleiterinnen abschütteln konnte. Dagegen war kurz zuvor die gestern schwer gestürzte zweimalige Etappensiegerin Lorena Wiebes (DSM) vom Rad gestiegen und hatte das Rennen vorzeitig beendet.
Lediglich Longo Borghini konnte dem überragenden Duo an der Spitze mit gebührendem Abstand von rund 1:30 Minuten folgen, eine weitere Gruppe mit Ludwig, Muzic, Persico, Labous, Niewiadoma und Zigart wies bereits um die drei Minuten auf, um die bisherige Spitzenreiterin Vos herum bildete sich ein großes Gruppetto, das fast nacht Minuten hinter der den beiden Spitzenreiterinnen den Gipfel überquerte. Den ersten Bergpreis und damit zehn Punkte sicherte sich Vollering vor van Vleuten, danach schüttelte die Fahrerin von SD Worx in der Abfahrt ihre Landsfrau sogar kurzzeitig ab.
Van Vleuten schüttelt Vollering am Col du Platzerwasel ab
Doch die Giro-Gesamtsiegerin schaffte schnell wieder den Anschluss und gab im sieben Kilometer langen und acht Prozent steilen Col du Platzerwasel, dem nächsten großen Hindernis des Tages, dann wieder ein Tempo vor, mit dem die beiden Niederländerinnen ihren Vorsprung weiter ausbauten.
Auf den letzten knapp 1.000 Metern des Anstiegs und 62 Kilometer vor dem Ziel schüttelte van Vleuten in ihrem typisch unruhigen Stil ihre Begleiterin problemlos ab und holte sich den Bergpreis und die damit verbundenen zehn Punkte mit knapp 30 Sekunden Vorsprung auf Vollering. Longo Borghinis Rückstand betrug hier schon mehr als vier Minuten, eine weitere Minute dahinter folgte die sechsköpfige Gruppe um Ludwig und Niewiadoma. Das Gruppetto um die Trägerin des Gelben Trikots wies bereits rund 15 Minuten Rückstand auf.
In der langen Abfahrt zeigte van Vleuten diesmal keinerlei Schwäche und legte weitere Sekunden zwischen sich und Vollering. Beim ersten Überqueren der Ziellinie 54 Kilometer vor Schluss war der Abstand zu ihrer ersten Verfolgerin auf mehr als eine Minute angewachsen, gegenüber Longo Borghini auf mehr als fünf Minuten und gegenüber der ersten Gruppe, in der Zigart große Probleme hatte, den Anschluss zu halten, sogar auf über sechs Minuten.
Auch am Grand Ballon war van Vleuten eine Klasse für sich
Im Tal holte sich van Vleuten als erste am Zwischensprint in Oderen die Maximalpunktzahl (25), ehe es kurz darauf in den 13,5 Kilometer langen Anstieg zum Grand Ballon, dem längsten Berg der Rundfahrt, hinein ging. Während van Vleuten hier weiter ihren Rhythmus hielt, quälte sich Vollering regelrecht den Berg hinauf und büßte weiter Zeit auf die Spitzenreiterin ein. Zwölf Kilometer vor dem Ziel schloss die um Muzic reduzierte und von Niewiadoma angeführte Gruppe der Verfolgerinnen zu Longo Borghini auf. Kurz darauf konnte sich auch die bisherige Gesamtdritte Persico nicht mehr in der Gruppe halten.
Doch die Italienerin steckte nicht auf, schaffte wieder den Anschluss an die Gruppe – nur um dann gemeinsam mit ihrer Landsfrau Longo Borghini und Zigart einer Tempoverschärfung von Niewiadoma zum Opfer zu fallen. Während van Vleuten an der Spitze einsam ihre Kreis zog und acht Kilometer vor dem Ziel auf 1.335 Metern Höhe auch die letzte Bergwertung des Tages gewann, behauptete die zäh kämpfende Vollering ihre zweite Position vor dem Verfolgertrio, in dem Niewiadoma unverändert für Tempo sorgte, wodurch der Vorsprung gegenüber den drei ehemaligen Mitgliedern der Gruppe weiter anwuchs.
Im Ziel war van Vleutens Vorsprung gegenüber ihrer ersten Verfolgerin auf fast 3:30 Minuten angewachsen. Offensichtlich von Krämpfen geplagt, rollte Vollering mit letzter Kraft über die Ziellinie, dahinter musste Niewiadoma ihrer Tempoarbeit im Bergaufsprint Tribut zollen, in dem sie chancenlos gegen Ludwig und Labous war.
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