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17.04.2022 | (rsn) – Wie Ergebnisse doch täuschen können: Mit ihrem 87. Rang im Velodrome von Roubaix hat Tanja Erath (EF Education – Tibco – SVB) am Samstag das schlechteste ihrer bisher fünf Saisonergebnisse eingefahren. Doch auch wenn die 32-Jährige nach 124,7 Kilometern erst mit 14:09 Minuten Rückstand auf Siegerin Elisa Longo Borghini (Trek – Segafredo) den Zielstrich überquerte, so stand sie doch im Fokus bei dieser zweiten Austragung des Paris-Roubaix Femmes: Erath war die Frau der ersten Rennhälfte.
Sie fuhr von kurz nach dem Start bis 61 Kilometer vor Schluss an der Spitze des Rennens, die letzten 9.000 Meter davon ganz allein. Und im Ziel durfte sie sich - dank im Gegensatz zur Premiere im vergangenen Oktober deutlich früher beginnender Live-TV-Übertragung – über viele Glückwünsche freuen. Eraths pinkfarbenes EF-Trikot sollte sich den Zuschauern im inneren Auge eingebrannt haben.
"Als letzte Fahrerin der Ausreißergruppe noch übrig zu sein und ganz vorne alleine übers Kopfsteinpflaster zu fahren, das war schon sehr besonders", gestand sie radsport-news.com im Ziel. "Vor dem Rennen hätte ich nicht gedacht, dass ich irgendwann denken würde: 'Oh, ich führe gerade Paris-Roubaix an'."
Doch genau das tat sie, weil sie in der hektischen Anfangsphase auf den vier Auftaktrunden um den Startort Denain in die Gruppe des Tages sprang und dort schließlich die Stärkste war. "Ich habe vor dem Rennen gemerkt, dass ich etwas für die Moral brauche, weil es mir nach dem Sturz im letzten Jahr im Peloton zuletzt schwergefallen ist. Als ich dann gesehen habe, dass vier Fahrerinnen vorne weggefahren sind, dachte ich mir: Das ist meine beste Chance, aus dem Chaos draußen zu bleiben! Ich muss da hinspringen", erklärte Erath, die so auch zahlreichen Stürzen im Hauptfeld auf dem Weg zum ersten Kopfsteinpflastersektor aus dem Weg ging.
Schon sehr früh plagten Krämpfe Eraths Beine
Doch nicht nur das: Auf besagtem ersten Sektor von Hornaing über Erre nach Wandignies kristallisierte sich auch heraus, dass Erath aus dem Ausreißer-Quintett am besten übers Pflaster fuhr. Sie führte die Spitzengruppe dort an und hängte auf den folgenden zwei Sektoren schließlich all ihre Begleiterinnen ab – zuletzt 70 Kilometer vor Schluss die 22-jährige Norwegerin Amalie Lutro (Uno-X).
Die folgenden neun Kilometer wurden dann zur Erath-Solo-Show, bevor die Kölnerin kurz vor dem berüchtigten Orchiés-Sektor vom Hauptfeld wieder geschluckt wurde. Was auf den TV-Bildern aber nicht zu sehen war: Erath litt schon da körperlich sehr – und zwar weniger wegen ihrer bei einem Sturz bei der Flandern-Rundfahrt vor zwei Wochen arg in Mitleidenschaft gezogenen Fingerkuppe, sondern eher in den Beinen.
Die fünfköpfige Ausreißergruppe des Tages setzte sich auf den ersten zehn Kilometern rund um Denain bereits ab. | Foto: Cor Vos
"Ich habe schon nach dem ersten Kopfsteinpflasterstück Krämpfe bekommen – weiß gar nicht warum. Vielleicht ist die neue Aero-Position doch etwas zu aggressiv", erklärte sie im Ziel. "Ich musste mir die Krämpfe dann etwas rausstrampeln, und als ich dann eingeholt war, habe ich so arg angefangen zu krampen auf dem Pflasterstück, dass ich abgehängt wurde und auch noch eine weitere Gruppe an mir vorbeikam. Ich konnte einfach nicht mehr treten. Das war etwas deprimierend, weil ich eigentlich gehofft hatte, in der ersten großen Gruppe bleiben zu können."
So wurde Erath nach ihrem Solo durchgereicht, aufgeben kam aber nicht in Frage. Dass am Ende 14 Minuten Rückstand auf der Uhr standen, dürfte ihr egal gewesen sein. Wichtiger war zu diesem Zeitpunkt die Cola im Ziel und der obligatorische Gang in die geschichtsträchtigen Duschkabinen von Roubaix.
Lieber nasses Kopfsteinpflaster als eine Staublunge
Diesmal wusch sie sich dort viel Staub ab – im Gegensatz zum Schlamm vom vergangenen Oktober. Und auch wenn Ersterer wohl leichter vom Körper zu spülen gewesen sein dürfte, so ist Erath an diesem Oster-Samstag klar geworden: Paris-Roubaix ohne Regen ist nicht unbedingt angenehmer als mit Regen.
Erath führte die Spitzenreiterinnen über den ersten Kopfsteinpflaster-Sektor bei Hornaing. | Foto: Cor Vos
"Ich dachte vorher, dass ich es im Trockenen besser finde. Aber nachdem ich jetzt etwa zwei Kilo Staub in der Lunge habe und man sehr blind fährt, weil von den Autos und Motorrädern so viel Staub aufgewirbelt wird, glaube ich tatsächlich, dass mir jetzt der Matsch lieber war", überlegte sie. "Außerdem wäre es mir vielleicht sogar entgegengekommen, wenn die Verfolgergruppe durch die nassen, rutschigen Pflastersteine kleiner gewesen wäre."
Dass sie dann allein bis ins Ziel hätte durchziehen können, scheint trotzdem natürlich unrealistisch. Doch etwas länger hätte das Solo der Deutschen dann vielleicht sogar tatsächlich gedauert.
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