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25.02.2022 | (rsn) - Drei Jahre war Torsten Schmidt raus aus der Profiszene. Dann rief Ralph Denk an und holte den 50-Jährigen als Sportlichen Leiter in die WorldTour zurück. Bei Bora - hansgrohe wird Schmidt vor allem bei den Klassikern im Einsatz sein. Wie bereitet er sich auf die neue Aufgabe vor, wie integriert er sich in ein Team? Und wie sieht er seine Mannschaft für die Klassiker aufgestellt? Im Gespräch mit radsport-news.com gewährte Schmidt Einblicke.
Im vergangenen Sommer fielen die Dinge für Torsten Schmidt harmonisch zusammen. Erst gab es seine Stelle als Landestrainer in Nordrhein-Westfalen auf. Kurz darauf klingelte bereits das Handy. ___STEADY_PAYWALL___ Ralph Denk war dran: Ob er sich vorstellen könnte, für Bora-hansgrohe zu arbeiten. Zu jener Zeit habe es weitere Angebote aus der WorldTour gegeben, sagt Schmidt. Auch während seiner Tätigkeit als Landestrainer erreichten ihn Anfragen. Da fühlte er sich aber noch nicht bereit für eine Rückkehr in den Profisport. Bei Bora passte es nun. “Als mich Ralph anrief und mir mehr über die Pläne des Teams erzählte, war für mich klar: Da möchte ich dabei sein.“
Als Sportlicher Leiter stand Schmidt bereits bei CSC, Saxo Bank und Leopard in der Verantwortung. Zuletzt war Schmidt sieben Jahre für Katusha tätig, zum Ende hin jedoch mit gemischten Gefühlen: Das Team kämpfte aufgrund interner Querelen und ausbleibenden Erfolgen mehr mit sich als mit den sportlichen Gegnern. “Ich war müde. Alles bei Katusha war ein Kampf. Für mich stand irgendwann fest, dass ich diesen Kampf nicht mehr möchte. Das war nicht meine Philosophie, wie man mit einem Team und den Profis umgeht.“ Das damalige Angebot des Landesverbands NRW kam für Schmidt zur richtigen Zeit. Ende 2018 verließ er Katusha. Ein Jahr später war das gesamte Team Geschichte.
Nach einer dreijährigen Auszeit kehrt Torsten Schmidt in den Profiradsport zurück. | Foto: Bora - hansgrohe
Drei Jahre war Schmidt raus aus der Profiszene. Im ersten Jahr verfolgte er gar keinen Profiradsport, sondern konzentrierte sich als Landestrainer auf die Arbeit an der Basis. Später übernahm er zusätzlich die Position als Sportlicher Leiter bei Rund um Köln, auch wenn er wegen der Corona Pandemie nie eine Austragung verantwortete. Dann kam der Anruf von Denk.
“Die Umstrukturierung mitzugestalten, das ist natürlich reizvoll“
Die Entwicklung von Bora - hansgrohe, die Auftritte und Erfolge sowie die ambitionierten Ziele, das imponierte Schmidt schon länger. Das Angebot, nun selbst Teil davon zu sein, konnte er nach eigener Aussage nicht ausschlagen. Zumal sich der Raublinger Rennstall in der sportlichen Führung neu aufstellte. “Die Umstrukturierung mitzugestalten, das ist natürlich reizvoll“, sagt Schmidt und fügt an: “Das hat es auch leichter gemacht, als wenn man in eine festgefahrene Gruppe reinkommt. Rolf Aldag steht über uns. Und dann hat er seine Sportlichen Leiter, die sich alle gut kennen.“
Mit Jens Zemke fuhr er selbst Rad, mit Aldag absolvierte Schmidt die Grundausbildung bei der Bundeswehr. Auch die anderen neuen Sportlichen Leiter, Bernhard Eisel und Enrico Gasparotto, sind Schmidt bekannt. “Wir haben einen guten Austausch, treffen uns aber jetzt nicht jede Woche. Das läuft eher über WhatsApp. Jeden Tag ist irgendwo ein Radrennen und wer das betreut, erstellt einen Race Report als Sprachnachricht für die anderen. So hat man jeden Tag Kontakt“, sagt Schmidt.
Rolf Aldag ist wie Schmidt neu bei Bora - hansgrohe und als Teamchef verantwortlich. | Foto: Cor Vos
Die Auszeit merkt er bei seinen Einsätzen nicht: “Ich war zuvor über 20 Jahre im Profiradsport. Da kommen mir die drei Jahre nun sehr wenig vor. Das war wie einmal gute Nacht zu sagen und wieder aufzuwachen. Alles ist noch unheimlich vertraut.“ Hat sich trotzdem etwas verändert? “Die Rennfahrer sind heute noch professioneller. Jeder hat einen Trainer in der WorldTour, mit dem er tagtäglich kommuniziert. Das gab es vor drei Jahren zwar auch schon, aber noch nicht auf dem Niveau wie heute“, sagt Schmidt. Auch bei der Ernährung und dem Equipment habe sich seitdem einiges getan.
Rolf Aldag für die belgischen Klassiker ausgewählt
Mallorca Challenge, Murcia-Rundfahrt, Clasica de Almeria und zuletzt mehrere Tage bei der Algarve-Rundfahrt: Schmidt hat bereits einige Einsätze in dieser Saison hinter sich. Nach zwei Tagen in Deutschland ging es am Donnerstag mit dem Auto weiter nach Oudenaarde in Belgien. Das Eröffnungswochenende der belgischen Klassikersaison aus Omloop Het Nieuwsblad und Kuurne-Brüssel-Kuurne steht an.
Gemeinsam mit dem Belgier Jean-Pierre Heynderickx verantwortet Schmidt dieses Jahr bei Bora - hansgrohe die flämischen Rennen. “Irgendwann im Herbst hat uns Rolf angerufen und gefragt, welche Rennen wir gerne machen wollen. Ich hätte auch andere Rennen genommen, aber da ich viele Jahre die Klassiker gemacht habe, lag es auf der Hand“, sagt er. Im Januar war Schmidt zur Vorbereitung bereits in Belgien und schaute sich die Strecken an. “Das ist wie Vokabeln lernen. Wenn man alles wiedergesehen hat, dann sind die Bilder drin. Ich weiß, was bei welchem Kilometer kommt und wie lang gewisse Abschnitte sind.“
Neu sind hingegen das Umfeld und viele Fahrer, mit denen er nun eng zusammenarbeitet. “Beim ersten Teamtreffen ist man schon ein wenig fremd. Wie in der Schule, wenn man als Lehrer einen neuen Klassenraum betritt. Aber wenn man in dem Job nicht mit Menschen umgehen und kommunizieren kann, ist man ohnehin fehl am Platz." Bora -hansgrohe startet am Wochenende in Belgien beim Omloop Het Nieuwsblad, der für das Team zu einer ersten Standortbestimmung werden soll. | Foto: Cor Vos
Im Vorfeld erkundigte er sich unter anderem per Internet über die neuen Fahrer, über Stärken und Schwächen, vorherige Rennprogramme und holte sich Informationen bei den anderen Sportlichen Leitern ein. Auch die Klassiker der vergangenen Jahre schaute er sich als Vorbereitung an. Im Dezember nutzte er die Chance und begleitete vorab zum Trainingslager mit Rolf Aldag einige Fahrer nach Mallorca, die dem schlechten Wetter in Mitteleuropa entflohen. “In der Praxis lernt man die Jungs am besten kennen“, sagt Schmidt.
Politt ist für Schmidt der Kopf der Klassikerfraktion
Bora - hansgrohe hat mit Peter Sagan jedoch den Klassikerkapitän der vergangenen Jahre abgegeben. Die Ambitionen für die großen Rundfahrten sind nach vorne gerückt. Was bedeutet das für das Frühjahr? “Bora wird immer konkurrenzfähig für die Klassiker sein. Das große Namen immer Lücken hinterlassen, ist normal. Das ist aber auch eine positive Chance für andere, nach vorne zu stürmen“, sagt Schmidt. Nils Politt nennt er nun den Kopf der Klassikerfraktion. Auch Neuzugang Marco Haller bringt viel Erfahrung fürs Kopfsteinpflaster mit. Mit beiden arbeitete Schmidt zuvor viele Jahre bei Katusha zusammen.
Politt gehört neben Sam Bennett, Ryan Mullen, Martin Laas und Jonas Koch auch zu jenen Fahrern, für die Schmidt als Kontakt in der Sportlichen Leitung dient. “Dass haben wir unter uns Sportlichen Leitern aufgeteilt – je nach Rennprogramm. Damit man seine Fahrer regelmäßig sieht, anstatt nur über E-Mail und Telefon zu kommunizieren“, sagt er. Viel wichtiger sei für ihn aber ohnehin der Kontakt zwischen Trainer und Fahrer.
Schmidt, hier mit Andy Schleck, war unter anderem Sportdirektor bei CSC / Saxo Bank. | Foto: Cor Vos
Vor dem Start beim Omloop Het Nieuwsblad steht am Freitag noch eine gemeinsame Ausfahrt an. Später geht es für die Sportlichen Leiter zur Sitzung nach Gent, es folgt im Hotel der “Zimmerdurchgang“, wie es Schmidt nennt: “Da quatschen wir mit den Fahrern noch einmal und tauschen uns über das Rennen aus.“ Was ihm inzwischen ebenfalls auffällt: Früher seien die Fahrer quasi “zwangsverpflichtet“ worden, an den Pavé-Rennen teilzunehmen. “Da wollte niemand Roubaix fahren. Heute sind die jungen Fahrer ganz heiß drauf.“
Beim “Openingsweekend“ steht Politt nach einer Bronchitis allerdings mit Rückstand am Start. “Bei der Algarve haben wir irgendwann gesagt: Kurier dich aus. Da fehlen einem dann schon ein paar Trainingstage“, sagt Schmidt. Trotzdem sieht er sein Team mit Haller, Koch, Patrick Gamper, Ide Schelling, Lukas Pöstlberger und Sprinter Jordi Meeus gut aufgestellt. “Viele Teams haben im Moment damit zu kämpfen, dass Fahrer krank waren oder sind. Ich glaube daher schon, dass wir ein gutes Ergebnis einfahren können“, sagt Schmidt. Mit ihm zurück am Steuer.
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