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07.09.2020 | (rsn) - Nach neun von insgesamt 21 Etappen hat das Peloton der 107. Tour de France den ersten Ruhetag erreicht. Zeit für eine Zwischenbilanz. Welche Erkenntnisse lassen sich aus den ersten Tagen ziehen?
Duell zwischen Jumbo und Ineos? Es heißt nur Roglic gegen Bernal
Viel geredet wurde vor der Tour, wie Jumbo - Visma und Ineos ihre starken Kader taktisch einsetzen würden. Würden Tom Dumoulin (Jumbo - Visma) oder Richard Carapaz (Ineos Grenadiers) in die Offensive geschickt, um die Konkurrenz unter Druck zu setzen? Es wäre ein probates taktisches Mittel gewesen, das sich aber schon am ersten Ruhetag erledigt hat. Denn die Tour ist derzeit ein Duell Roglic gegen Bernal. Die Co-Kapitäne hatten auf den ersten Etappen nicht die Form, um bis zum Schluss mitzuhalten und büßten schon viel Zeit ein. Das Rennen zeigt: Wollen Jumbo - Visma oder Ineos Grenadiers die Tour gewinnen, dann geht es nur über die individuelle Stärke der Kapitäne.
Ist Jumbo- Visma das neue Ineos?
Auffällig auch, dass Ineos Grenadiers in diesem Jahr nicht über die mannschaftliche Stärke verfügt, um die Tour zu dominieren. Die britische Mannschaft zeigte sich auf den ersten Etappen überraschend selten an der Spitze und konnte dem Rennen, abgesehen von der Windkantenaktion auf der 7. Etappe, noch nicht ihren Stempel aufdrücken. Ganz anders Jumbo - Visma, das sich praktisch auf allen Etappen vorne zeigte, als man noch nicht das Gelbe Trikot in den eigenen Reihen hatte. Fast in kompletter Mannschaftsstärke jagte die Helferriege von Roglic am Wochenende die Berge der Pyrenäen hinauf. Erst spät im Rennen war Roglic auf sich allei gestellt. Das war früher bei Ineos übrigens anders. Da wusste etwa der diesmal fehlende Chris Froome oft bis kurz vor dem Ziel noch einen Helfer an seiner Seite. Diesmal muss es Bernal dagegen meist allein richten..
Nur bei 100 Prozent kann man die Tour vorne beenden
Diese bittere Erfahrungen machten bisher schon Emanuel Buchmann (Bora - hansgrohe) und Thibaut Pinot (Groupama - FDJ) . Beide gingen nach Stürzen beim Critérium du Dauphiné schon angeschlagen ins Rennen. Der Traum, die Tour auf dem Podium zu beenden, ist für beide nach den Pyrenäen schon vorbei. Bora - hansgrohe ging dabei sogar das Wagnis ein, mit gleich drei angeschlagenen Fahrern - neben Buchmann noch Maximilian Schachmann und Gregor Mühlberger - in Nizza anzutreten. Bisher ging die Rechnung nicht auf. Zudem stürzte auch noch Lennard Kämna zum Auftakt gleich drei Mal und ist deshalb wohl ebenfalls nicht in der Verfassung, die sich die Sportliche Leitung wünschte.
Ein Dauphiné-Gewinner ist noch lange kein Anwärter auf den Toursieg
Mit seinem Sieg beim Critérium du Dauphiné fuhr sich Daniel Martinez (EF) auch in den erweiterten Favoritenkreis für die Tour. Doch auch diesmal scheint wieder zu gelten: Wer bei der Generalprobe in Topform ist, hat es bei der Tour schwer. Martinez verlor zwar auch Zeit durch einen Sturz, konnte aber aber danach auch nicht mit den Besten mithalten und belegt im Gesamtklassement abeschlagen Rang 40 mit 45 Minuten Rückstand auf Roglic.
Van Aert der beste Fahrer der Welt?
Der Belgier scheint wirklich alles zu können. Seine Hauptaufgabe bei der Tour sollte es sein, Kapitän Roglic auf den Flachetappen zu beschützen. Doch Van Aert bewies auch im Hochgebirge seine Klasse und blieb deutlich länger an der Seite des Slowenen als erwartet. Zudem gewann er auch noch zwei Etappen und rangiert in der Wertung um das Grüne Trikot auf Rang drei - in Schlagdistanz zu Peter Sagan. Sollte Jumbo - Visma in Paris Gelb und Grün in seinen Reihen haben, würde das kaum jemanden überraschen, auch wenn Van Aert weiterhin alle Ambitionen von sich weist. Viele Beobachter sind sich einig: Derzeit ist Van Aert, der nach dem Re-Start schon Strade Bianche, Mailand - Sanremo und eine Dauphiné-Etappe gewann, der kompletteste Fahrer im Peloton.
Die Sprinter tun sich bisher schwer, es fehlt an Konstanz
Caleb Ewan (Lotto Soudal) und Alexander Kristoff (UAE - Team Emirates) waren bereits erfolgreich, Peter Sagan (Bora - hansgrohe) fährt in Grün. Die Sprinter hatten bisher zwar ihre Erfolgsmomente. Aber dafür mussten sie hart kämpfen. Auffällig auch, dass es bisher keiner von ihnen überragt. Die Dauerbrenner in den Sprints sind Cees Bol (Sunweb), Sam Bennett (Deceuninck - Quick und Sagan, die drei Mal in die Top Ten fuhren, aber noch auf einen Sieg warten. Bol überzeugte allerdings schon mit einem zweiten und dritten Platz. Gleiches gilt für Bennett, derzeit Sagans nächster Verfolger in der Punktewertung. Dass Sagan ohne eine einzige Podiumsplatzierung das Grüne Trikot trägt zeigt: In diesem Jahr gibt es keinen Dominator bei den Massenankünften.
Sunwebs Offensiv-Plan geht bisher (fast) auf
Auch ohne ausgewiesenen Kapitän fährt Sunweb bisher eine starke Tour. Die Mannschaft von Manager Iwan Spekenbrink verpasste mit offensiver Fahrweise mehrmals nur knapp einen Etappensieg. Marc Hirschi war als Etappenzweiter und -dritter zwei Mal ebenso knapp dran wie Bol. In den Massensprints imponierte Sunwebs Sprintzug um Nikias Arndt. Es scheint nur eine Frage der Zeit, wann es mit dem großen Coup klappt.
Die besten Rundfahrer sind die um die 30? Das war einmal
In der Vergangenheit hieß es oft, dass man in jungen Jahren kaum eine GrandTour gewinnen kann. Meistens waren die Sieger der großen Landesrundfahrten zwischen 28 und 35 Jahre alt. Sieger unter 25 waren eine Raritär. Dies scheint sich nun aber zu ändern. 2019 gewann Bernal die Tour im Alter von gerade einmal 22 Jahren. In diesem Jahr könnte sich mit Pogacar gar ein noch jüngerer Fahrer zum Toursieger krönen. Der Slowene wird am 21. September, einen Tag nach dem Ende der Tour, 22 Jahre alt. Pogacar könnte übrigens sogar schon am ersten Ruhetag das Gelbe Trikot tragen, wenn er am Freitag auf der Windkante nicht 1:21 Minuten eingebüßt hätte. Rechnet man diese Zeit heraus, so würde er das Gesamtklassement mit 37 Sekunden Vorsprung auf seinen neun Jahre älteren Landsmann Roglic anführen.
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