Ex-Profi Albasini über seine Hassliebe zur Mur de Huy

“In eine Kreissäge zu greifen, braucht mentale Überwindung“

Von Christoph Adamietz

Foto zu dem Text "“In eine Kreissäge zu greifen, braucht mentale Überwindung“"
Michael Albasini beim Fleche Wallonne 2012 | Foto: Cor Vos

19.04.2022  |  (rsn) - Der Fleche Wallonne, der kleinste der drei Ardennenklassiker, endet an der Mur de Huy, einem der spektakulärsten Anstiege des Rennkalenders. Einer, der mit der nur 1,4 Kilometer langen, aber bis zu 20 Prozent steilen “Mauer“ bestens zurechtkam, war Michael Albasini . Acht Mal landete der Schweizer Ex-Profi beim Fleche Wallonne in den Top Ten, zwei Mal davon sogar auf dem Podium. Nur ein Sieg war ihm nicht vergönnt.

“Kurze, abrupte Steigungen konnte ich schon immer schnell hochfahren. Das liegt wohl an meiner Physiologie“, erklärte Albasini gegenüber radsport-news.com, weshalb er an der “Mur“ zu den stärksten zählte. Dabei nutzte er eine Nische, die sich ihm mit dem Fleche Wallonne bot. “Oft war es so, dass Amstel (Gold Race) und Lüttich(-Bastogne-Lüttich) die großen Ziele meiner Teamkapitäne waren. Meist sind sie den Fleche gar nicht oder nicht voll gefahren. So hatte ich da jeweils meine Chance und nach den ersten paar Resultaten war ich plötzlich Fleche-Spezialist“, sagte Albasini.

Den Schlussanstieg von Huy beschrieb er als “speziellen Mix aus Bergankunft und Sprint“. Er selbst sei zwar weder auf dem einen noch dem anderen Terrain ein Spezialist, “aber in der Schnittmenge kann ich mich da behaupten“, nannte Albasini sein Erfolgsgeheimnis.

Zwar entscheidet sich an der Mur der Fleche Wallonne, aber auch, wenn die Ausreißer letztlich immer chancenlos waren, so hat die “Vorgeschichte des Rennens“, wie Albasini sagte, durchaus ihren Einfluss auf das Schlussresultat. “Mal hatten Bergspezialisten Vorteile, mal waren die endschnelleren Fahrer im Vorteil. Bei der perfekten Mischung und wenn ich optimal (in den Schlussanstieg) reingekommen bin, konnte ich aufs Podium fahren, ansonsten reichte es für die Top Ten“, sagte Albasini.

Besonders wichtig sei es, so frisch wie möglich zum Schlussanstieg zu gelangen. “Das ist sicher der Schlüssel zum Erfolg. Da es aber ein recht hektisches und nervöses Rennen ist, bei dem es viele wichtige Abschnitte gibt, an denen man gut positioniert sein muss, ist dies gerade die Schwierigkeit“, berichtete der Allrounder.

“Mythos, Bierfahne, Schmerz“

Eminent wichtig sei es, sich möglichst schon am Fuße der “Mur“ in der Pole Position zu befinden. “Die Steigung ist sehr schmal, man ist schnell blockiert, wenn man zu weit hinten ist“, begründete er. Um sich die Kraft im Schlussanstieg bestmöglich einzuteilen, setzte sich Albasini dabei Referenzpunkte. “Ich wusste, dass ich bei den beiden Kehren ganz vorne sein musste, ohne dabei zu überdrehen. Ich musste jeweils die kurze Rampe direkt danach abwarten, um meinen Sprint zu eröffnen, ansonsten würde es mich hinstellen. Der weiße Schrein auf der rechten Seite war zum Beispiel auch ein Referenzpunkt für mich. Je nachdem, wie grau ich an dem Punkt war, wusste ich, wo die Reise hingehen würde“, fügte er an.

Zwei Mal hätte die Reise fast auf der obersten Stufe des Treppchens geendet. 2012 musste Albasini sich nur Joaquim Rodriguez geschlagen geben, drei Jahre später siegte Rekordmann Alejandro Valverde, der das Rennen bis dato fünf Mal für sich entscheiden konnte, vor Julian Alaphilippe und Albasini. “Alejandro ist Bergspezialist wie auch Sprinter. In Kombination ist er da beinahe unschlagbar“, erklärte der Routinier.

Auch wenn er zahlreiche Spitzenergebnisse einfahren konnte, so empfindet Albasini eine Art Hassliebe für den Schlussanstieg von Huy. “Die Mur ist ein spezieller Anstieg im Radsport. Ich habe mich immer gefreut, da mitten drin zu sein. Auf der anderen Seite hat mir keine Steigung mehr Schmerzen bereitet als diese. Ich war jeweils 60 bis 80 Meter vor dem Ziel komplett übersäuert, da beendet man normalerweise jegliche Belastung. Diese letzten Meter zu ertragen ist das Schwierigste, weil du weißt, dass sie kommen“, erläuterte Albasini die physischen wie die psychischen Komponenten des brutalen Schlusskilometers.

“Über den Punkt hinauszugehen, das klappt nicht jedes Mal. Absichtlich in eine Kreissäge zu greifen, das braucht eben mentale Überwindung“, lieferte Albasini ein treffendes Bild für die Torturen an der Mur, die er in drei Worten beschrieb: “Mythos, Bierfahne, Schmerz.“

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals im April 2020 und wurde nun modifiziert 

Mehr Informationen zu diesem Thema

20.04.2022Finale des 86. Flèche Wallonne im Video

(rsn) - Viel hat Alejandro Valverde (Movistar) nicht zum sechsten Sieg an der Muur de Huy gefehlt. Letztendlich musste sich der 41-Jährige nach 202 Kilometern aber Dylan Teuns (Bahrain Victorious), d

20.04.2022Teuns verdirbt Valverde beim Fleche die Abschiedsvorstellung

(rsn) - Auf den letzten 50 Metern der Mur de Huy rang Dylan Teuns (Bahrain Victorious) Altmeister Alejandor Valverde (Movistar) nieder und sicherte sich beim Flèche Wallone seinen ersten Klassikers

20.04.2022Cavalli siegt vor van Vleuten, Lippert Siebte

(rsn) - Marta Cavalli (FDJ Nouvelle - Aquitaine) hat den Flèche Wallonne der Frauen (1.WWT) gewonnen und ist damit auch die Nachfolgerin von Anna van der Breggen, die das Rennen zuvor sieben Mal in

20.04.2022Dominatoren der letzten Jahre erneut Sieganwärter

(rsn) – Zwei Namen dominierten in den vergangenen Jahren den Fleche Wallonne. Sieben der letzten acht Austragungen des belgischen Ardennenklassikers sahen Alejandro Valverde (2014 bis 2017) oder Ju

20.04.2022Kein Flèche für Matthews

(rsn) – BikeExchange – Jayco muss beim Wallonischen Pfeil auf seinen Kapitän verzichten. ”Leider wurde Michael Matthews über Nacht krank. Er hat Fieber (kein Covid) und wird heute nicht starte

20.04.2022Vorschau auf die Rennen des Tages / 20. April

(rsn) - Welche UCI-Rennen stehen heute auf dem Programm, wie sieht die Streckenführung aus, welche Fahrer und Teams stehen am Start und wer sind die Favoriten? Wir geben Ihnen kompakt und übersichtl

19.04.2022Konrad gibt beim Fleche Wallonne sein Comeback

(rsn) - Nach einer sechswöchigen Zwangspause kehrt Patrick Konrad (Bora - hansgrohe) am Mittwoch beim Fleche Wallonne in den Rennbetrieb zurück. Zunächst hatte ihn eine bei der Strade Bianche Anfa

Weitere Radsportnachrichten

26.07.2025UCI bestraft eigenen Fahrzeugführer mit Gelber Karte

(rsn) – Was an Spannung um den Tour-Sieg in den vergangenen Wochen etwas fehlte, ersetzten die Organisatoren der Tour de France (2.UWT) mehr oder weniger unfreiwillig. Jedem Zuschauer dürfte noch

26.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

26.07.2025Müssen Pogacar, Lipowitz und Co. den Montmartre fürchten?

(rsn) - Die Anfahrt auf die Schlussrunden über den Champs Elysees waren bei der Tour de France der versöhnliche Abschluss eines über drei Wochen bitterhart ausgefochten Kampfes um das Gelbe Trikot!

26.07.2025Reusser raus, Lippert gestürzt: Tour für Movistar fast schon gelaufen

(rsn) - Viel schlechter hätte die 1. Etappe der Tour de France Femmes für das Team Movistar kaum laufen können. Zuerst wird schon vor dem Start bekannt, dass die Kapitänin Marlen Reusser sich ein

26.07.2025Montmartre statt Sprintboulevard

(rsn) – Nach 20 harten Tagen bricht die Tour de France auf ihrer letzten Etappe mit einer langen Tradition. Zum 50-jährigen Jubiläum der Zieleinfahrt auf der Champs-Élysées führt die 132 Kilome

26.07.2025Jegat nutzt vorletzte Chance für den Sprung in die Top 10 der Tour

Was vorgestern noch mit Ben O’Connors (Jayco - AlUla) großem Triumph am Col de la Loze nach einer sehr versöhnlichen Tour de France aussah, bekam auf der 20. Etappe einen bitteren Beigeschmack. De

26.07.2025Vos gewinnt Auftakt der Tour de France Femmes im Bergaufsprint

(rsn) – Marianne Vos (Visma – Lease a Bike) hat den Auftakt der 4. Tour de France Femmes (2.WWT) in einem Zweiersprint für sich entschieden. Im Stile einer wahren Finisseurin ließ sie dabei auf

26.07.2025Strong sprintet in Wallonien am Hügel allen davon

(rsn) – Corbin Strong (Israel – Premier Tech) hat den Auftakt zur 46. Tour de Wallonie gewonnen (2.Pro). Der Neuseeländer war nach 182 Kilometern rund um Nassogne im Hügelsprint der mit Abstand

26.07.2025Kaden Groves: Regenkönig und Montmartre-Vorbeuger

(rsn) - Wer braucht einen Wetterfrosch, wenn er Kaden Groves kennt? Gewinnt der Australier, muss es geregnet haben. So war es auf der 6. Etappe des Giro d’Italia in diesem Jahr, als Groves im extre

26.07.2025Van den Broek: “‘Glückwunsch, hier verschenkst du die Etappe‘“

(rsn) – Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) hat die 20. Etappe der Tour de France 2025 gewonnen und damit sein Grand-Tour-Triple komplettiert. Er löste sich aus der Spitzengruppe, die mit noch 16

26.07.2025Sprinter Groves feiert Solo-Sieg in Pontarlier

(rsn) – Der Sprinter Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) hat seinen Mitstreitern in der Ausreißergruppe ein Schnippchen geschlagen und die 20. Etappe der Tour de France von Nantua nach Pontarlie

26.07.2025Zwei Millionen Euro Ablöse für Evenepoel? Nächstes Kapitel im Wechselpoker

(rsn) – Ob Remco Evenepoel diesen Winter von Soudal – Quick-Step zu Red Bull - Bora – hansgrohe wechseln wird, beschäftigt seit Wochen die Gemüter. Verschiedene Journalisten melden verschieden

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Puchar MON (1.2, POL)
  • Grand Prix de Pérenchies (1.2, FRA)
  • Vuelta a Castilla y Leon (1.1, ESP)
  • Ethias-Tour de Wallonie (2.Pro, BEL)
  • Radrennen Frauen

  • Kriterium Gießen (BLF, GER)