In Brüssel sensationell ins Gelbe Trikot

Teunissen: Der Windschattenmann sprintet aus dem Schatten

Von Joachim Logisch aus Brüssel

Foto zu dem Text "Teunissen: Der Windschattenmann sprintet aus dem Schatten "
Eddy Merckx überreicht Mike Teunissen (Jumbo - Visma) das Gebe Trikot. | Foto: Cor Vos PRÜFEN

06.07.2019  |  (rsn) - Die Tour schreibt die verrücktesten Geschichten. Auch die 106. Ausgabe fing gleich am Anfang damit an. Sensationell gewann der Niederländer Mike Teunissen (Jumbo – Visma)  die Auftaktetappe und damit das erste Gelbe Trikot. Ein Mann, den auf den 194,5 Kilometern rund um Brüssel niemand auf der Rechnung hatte. Ein Edelhelfer, der seinen Kapitän Dylan Groenewegen normalerweise im Windschatten zum Sieg führt.

Auch in der belgischen Hauptstadt gehörte Groenewegen zu den Topfavoriten. Doch weniger als zwei Kilometer vor dem Ziel lag er plötzlich auf der Straße. Teunissen, der noch vor ihm fuhr, fasste sich ein Herz und kämpfte im Fotofinish Ex-Weltmeister Peter Sagan  (Bora – hansgrohe) nieder.

"Nach dem Sturz haben wir nicht gedacht, dass dieses Rennen noch mal diese Wendung findet“, freute sich Jumbos Sportlicher Leiter Grischa Niermann über den niemals erwarteten Erfolg. "Wir sind für Dylan Groenewegen um das Gelbe Trikot gefahren. Nach seinem Sturz konnten wir nur noch schnell zu Wout van Aert und Mike Teunissen sagen, dass sie ihren eigenen Sprint fahren sollen. Dass es dann so endet, haben wir in unseren kühnsten Träumen nicht erwartet. Jetzt ist es natürlich ein super, super, mega Gefühl, diese Etappe gewonnen und das Gelbe Trikot zu haben. Andererseits ist unser Leader gestürzt, der es eigentlich hätte machen sollen. Da sind natürlich gemischte Gefühle", fügte der Hannoveraner an.

"Ich kann es nicht glauben. Wir haben wochenlang, monatelang darauf hingearbeitet, mit Dylan hier zu gewinnen und Gelb zu holen. Und dann etwa 1,5 Kilometer vor dem Ziel scheint alles verloren, da er zu Boden ging. Da dachte ich mir: Ich bin noch da, immer noch frisch und wir können es probieren. Dann sah ich, wie sie alle starben auf den letzten Metern, sogar Sagan, zu dem ich aufschloss und bin mit ihm gemeinsam auf die Ziellinie gekommen, und wie ich sagte, es geht über jegliche Vorstellung hinaus, es ist unbegreiflich", freute sich Teunissen im Siegerinterview immer noch fassngslos über seinen Erfolg.

Immerhin konnte Groenewegen die Etappe zu Ende fahren. "Ihm geht es gut. Er hat natürlich ein Haufen Schürfwunden durch den Sturz bei hoher Geschwindigkeit. Er wird jetzt vom Doc behandelt. Wir hoffen, dass er morgen weiterfahren kann“, erklärte Niermann vor dem Mannschaftsbus.

Wie der Unfall passierte, konnte bislang niemand so recht erklären. Auch nicht Groenewegens Teamkollege Tony Martin, der rund 20 Kilometer vor dem Ziel selbst in den Sturz von Tour-Mitfavorit Jakob Fuglsang (Astana) verwickelt war. “Ich war eine oder zwei Positionen hinter Dylan. Ich konnte nicht wirklich etwas sehen. Wir waren unheimlich schnell. Mindestens 60 km/h. Ich habe mich auch schon auf dem Boden gesehen, konnte mich aber irgendwie noch retten. Als einer der ersten bin ich ohne zu stürzen vorbeigekommen. Die Ursache habe ich nicht gesehen", sagte der viermaluge Zeitfahrweltmeister.

Der Plan B funktionierte

Martin glaubt, dass die Streckensicherungen das Peloton behindert haben könnten. "Aus meiner Sicht wurden auf den letzten zwei, drei Kilometern Verengungen durch die Barrieren herbeigeführt, die überhaupt nicht notwendig waren. Dadurch konnte man nicht immer die gerade Linie halten. Das hat vielleicht auch zu Sturz beigetragen", mutmaßte er.

Groenewegens Pech dämpfte Martins Glücksgefühl, endlich mit seinem Team das Gelbe Trikot zu Beginn einer Tour erobert zu haben. Dreimal hatte er es vergeblich versucht. Nun freute er sich, es in der Mannschaft zu haben. "Das ist ein absolut tolles Gefühl. Es wird natürlich von der Unklarheit überschattet, wie es Dylan geht“, sagte Martin zu radsport-news.com.

Gänzlich unerwartet kam Teunissen Coup für ihn nicht. "Er ist der letzte Mann von Dylan. Er ist schnell, sonst wäre er nicht dessen Anfahrer. Auf ansteigenden Etappen ist er unser Plan B“, verriet Martin das nun nicht mehr so große Taktikgeheimnis. Der Erfolg ist für den 34-Jährigen auch der Lohn der kollektiven harten Arbeit: "Wir waren die letzten zwei Monate mit dem Sprintzug unterwegs. Dabei sind wir eine Einheit geworden. Es spricht fürs Team, dass die zweite Reihe einspringen kann, wenn der Topmann ausfällt. Vor allem, dass die zweite Reihe sich das traut. Das gibt es nicht in vielen Teams. Das spricht für uns.“

Das spricht auch für einen Spitzenplatz im Mannschaftszeitfahren. Jumbo – Visma hat morgen gute Chancen, das Gelbe Trikot zu verteidigen!

 

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