Interview mit Marcel Sieberg

“André und ich wollen nochmal zeigen, was wir drauf haben“

Von Wolfgang Preß

Foto zu dem Text "“André und ich wollen nochmal zeigen, was wir drauf haben“"
Marcel Sieberg im Interview mit Radsport-News-Redakteur Wolfgang Preß | Foto: pressBureau.eu

29.12.2017  |  (rsn) - Nach einer schwierigen Saison hofft Marcel Sieberg im kommenden Jahr gemeinsam mit André Greipel bei Lotto Soudal wieder mehr Siege feiern zu können. Im Interview mit radsport-news.com blickt der 35-jährige Bocholter auf 2017 zurück, erklärt, weshalb Greipel nur auf fünf Siege kam, und schaut auf die neue Saison voraus, die er wie sein Teamkollege und Freund in Australien bei der Tour Down Under beginnen wird.

Wie beurteilen Sie Ihre Saison 2017?
Marcel Sieberg: Naja, eher durchwachsen... Vor zwei Jahren hatte ich eine Nasennebenhöhlen-Operation, weil ich nur sehr schwer Luft bekam. Ende der Saison 2016 ist das Problem wieder aufgetreten, vor allem bei hohem Renntempo, und ich musste erneut operiert werden. So bin ich erst später in die Saison eingestiegen. Bei Paris-Roubaix waren wir vorn dabei, auch die übrigen Klassiker waren ganz okay.

Und danach?

Sieberg: Die Tour lief eigentlich gut für mich, bis ich wenige Tage vor Paris wegen massiver Magen-Darm-Probleme und Fieber auf Anraten des Teamarztes aussteigen musste. Die Rennen danach waren nicht schlecht, aber dann hatte ich leider wieder Probleme mit den Nebenhöhlen, und musste zum dritten Mal operiert werden. Ich hoffe sehr, dass das Thema nun endgültig erledigt ist, und ich 2018 wieder voll angreifen kann.

Ihr Kumpel  André Greipel hat 2017 nur fünf Siege gefeiert. Ihn kennen Sie so gut wie keinen anderen Fahrer. Woran lag es Ihrer Meinung nach?

Sieberg: Das waren wohl mehrere Faktoren. Zum einen hatten wir in der vergangenen Saison auch leider immer wieder mal, wie man so schön sagt, die Kacke unterm Schuh, und sind einfach nicht durchgekommen. Aber tatsächlich hat André in so manchen Sprint wohl auch mal die falsche Entscheidung getroffen, ist links vorbei statt rechts, oder umgekehrt, und war dann eingebaut. Da hat er vielleicht wirklich zuviel nachgedacht, was mit der Situation mit seiner Mama zu tun haben könnte (Gudrun Greipel starb nach langer Krankheit im November, d. Red.). Als Sprinter braucht man da einfach einen freien Kopf.

André ist mit 35 Jahren der Älteste im Kreis der Weltklasse-Sprinter, auch Sie sind so alt. Werden Sie beide im kommenden Jahr noch mit den jüngeren Konkurrenten mithalten können?

Sieberg: Petacchi hat mit Ende 30 noch Rennen gewonnen, auch Zabel hat das in dem Alter geschafft. Deswegen glaube ich schon, dass wir in der kommenden Saison wieder vorn dabei sind. Und nachdem wir 2017 oft auch kein Glück hatten, hoffe ich doch, dass das 2018 wieder anders sein wird.

In diesem Jahr hatten Sie beide ein teilweise getrenntes Rennprogramm. Wie sieht es 2018 aus?
Sieberg: Mein Programm war 2017 durch die Nebenhöhlen-OP beeinflusst, vor allem im Frühjahr. Das wird in der kommenden Saison nicht so sein, und ich werde sicher wieder mehr zusammen mit André fahren. Zum Saisonstart sind wir bei der Tour Down Under in Australien, dann kommen die Frühjahrsklassiker, da sind wir auch wieder als Doppelpack unterwegs.

Im Jahr 2016 waren Sie Siebter bei Paris - Roubaix. Trauen Sie sich ein ähnliches Ergebnis nächstes Jahr zu?
Sieberg: Roubaix ist ein Rennen, das mir einfach liegt. Zudem sind wir da als Team recht offen aufgestellt, und ich kann auch mal fahren. Klar, wenn André vorn ist, unterstützen wir ihn. Aber das Rennen ist ein Überlebenskampf, in dem man vorne möglichst viele Karten haben will, damit am Schluss dann eine sticht.

Welche persönlichen Ambitionen haben Sie für 2018?

Sieberg: Sowohl Andrés als auch mein Vertrag läuft aus. Da wollen wir beide nochmal zeigen, was wir drauf haben. Wir fahren in einem belgischen Team, da sind natürlich die Klassiker besonders wichtig – da wollen wir auf jeden Fall punkten. Aber eigentlich gehen wir in jedes Rennen mit dem Anspruch, alles zu geben. Klar, es gibt bei den Rundfahrten immer Etappen, wo man sich was ausrechnet. In Australien sind da auch ein paar dabei, wo wir vorne mitspielen wollen.

Mit Roelandts und Gallopin haben zwei starke Eintages-Spezialisten, die auch im Sprintzug zum Einsatz kamen, das Team verlassen. Wie wird das Team die Lücke, die vor allem Roelandts hinterlässt, füllen?

Sieberg: Wir sind hier im Trainingslager gerade dabei, einiges auszuprobieren. Wir haben schon Fahrer, die das können, die in der vergangenen Saison aber oft bei anderen Rennen waren. Da sortieren wir nun neu. Klar, Jurgen war in den vergangenen Jahren sehr wichtig für uns. Schon schade, dass er nun geht, er war auch ein guter Freund. Aber er wollte einfach seine Chance wahrnehmen, noch woanders zu fahren. Mir hat er gesagt, wenn er's jetzt nicht macht, dann macht er's nie mehr, nach zehn Jahren im Team. Er will halt auch mal einen Sprint für sich fahren, das kann ich absolut verstehen...

Was wären denn die personellen Alternativen?
Sieberg: Jens Keukeleire ist ein richtig guter Fahrer, auch Lawrence Naesen ist sehr talentiert, oder Victor Campenaerts fürs Zeitfahren. Wie der Sprintzug aussehen wird, ist von Rennen zu Rennen wohl unterschiedlich. Wir haben da einige gute Optionen: De Buyst wird jedes Jahr besser, Debusschere gehört sicher dazu, ebenso Nikolas Maes.

Auch Ihre Mannschaft wird 2018 über weniger Fahrer verfügen. Wie beurteilen Sie die UCI-Reform, nach der die Aufgebote in den Rennen jeweils um einen Fahrer reduziert werden?

Sieberg: Ich sehe die Gefahr, dass es für die jungen Fahrer schwieriger wird, in WorldTour-Teams zu kommen. Die meisten Mannschaften werden wohl statt 28 oder 29 Fahrern nur noch 23 beschäftigen – das sind fünf oder sechs Plätze weniger. Vielleicht sollte die UCI die Teams verpflichten, weiterhin genauso viele U23-Fahrer zu engagieren. Ob das wie bisher meist fünf sind, ist schwer zu sagen. Dann bleiben nur noch 18 erfahrenere Profis, das ist den Teams sicher zu wenig. Wenn man das Thema von der Seite Nachwuchs her betrachtet, ist die Reduzierung wohl ein Problem.

Ihr Tip: Wie viele Siege wird André im neuen Jahr feiern?
Sieberg: Da sage ich jetzt einfach mal: 15!


Weitere Radsportnachrichten

26.07.2025Roodhooft: “Waren teilweise planlos und wussten nicht, was wir hier machen“

(rsn) – Kaden Groves (Alpecin – Deceuninck) hat die 20. Etappe der Tour de France 2025 gewonnen und damit sein Grand-Tour-Triple komplettiert. Er löste sich aus der Spitzengruppe, die mit noch 16

26.07.2025Groves gewinnt vorletzte Tour-Etappe als Solist

(rsn) - Mit einem 17 Kilometer langen Solo hat Kaden Groves (Alpecin - Deceuninck) die 20. Etappe der Tour de France gewonnen. Über 182 Kilometer zwischen Nantua und Portalier, die weitestgehend im R

26.07.2025Zwei Millionen Euro Ablöse für Evenepoel? Nächstes Kapitel im Wechselpoker

(rsn) – Ob Remco Evenepoel diesen Winter von Soudal – Quick-Step zu Red Bull - Bora – hansgrohe wechseln wird, beschäftigt seit Wochen die Gemüter. Verschiedene Journalisten melden verschieden

26.07.2025Niewiadoma, Vollering & Co. über ihre Chancen bei der Tour de France Femmes

(rsn) – Die 4. Tour de France Femmes steht in den Startlöchern. Sobald die Männer ihre 20. Etappe hinter sich gebracht haben, machen sich die Frauen auf den Weg zu ihrer ersten Etappe. Der Ausgang

26.07.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 20. Etappe

(rsn) - 184 Profis aus 23 Teams sind am 5. Juli im nordfranzzösischen Lille zur 112. Tour de France (2.UWT) angetreten, darunter zehn Deutsche, drei Österreicher und fünf Schweizer. Hier listen

26.07.2025Onley nahm den Kampf ums Podium auf und verlor - vorerst

(rsn) - Oscar Onley (Picnic – PostNL) hatte vor dem Start der 19. Etappe der Tour de France hinauf in die Skistation La Plagne einen großen Kampf angekündigt, um Florian Lipowitz (Red Bull – Bor

26.07.2025Acht Monate auf Bewährung für den Flitzer von Valence

(rsn) – Für seinen kurzen Moment der in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, den die französische Polizei im Ziel der 17. Etappe der Tour de France mit einem gut getimten Bodycheck schnell wied

26.07.2025Warum griff Roglic nach La Plagne an, statt Lipowitz zu helfen?

(rsn) - Als Primoz Roglic zu Beginn der 19. Etappe der Tour de France plötzlich attackierte, sah es nach einer guten Taktik aus, um Florian Lipowitz im Kampf um das Podium und dem Weißen Trikot zu u

26.07.2025Genau das Richtige für Puncheure und Klassikerjäger

(rsn) - Die 20. Etappe der Tour de France bietet eine letzte Chance für Ausreißer und Angreifer, bevor es nach Paris geht. Auf den 184 Kilometern von Nantua nach Pontarlier müssen immerhin 2.850 HÃ

26.07.2025Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir über die wic

25.07.2025Ausreißer Arensman foppt Pogacar zum zweiten Mal

(rsn) - Es war leider nicht herauszufinden, ob das Nordlicht aus der Provinz Gelderland mit dem größten Coup der Fangemeinde des FC St. Pauli aus Hamburg vertraut ist. Als der Bundesligaklub aus dem

25.07.2025Erst kurz hinter der Ziellinie geriet das Gelbe Trikot in Gefahr

(rsn) – Im Ziel der 19. Etappe der Tour de France wurde es für das Gelbe Trikot doch nochmal brenzlig. Ein übereifriger Ordner stürmte auf Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) zu und rannte d

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Tour de France (2.UWT, FRA)
  • Radrennen Männer

  • Dookola Mazowsza (2.2, POL)
  • Ethias-Tour de Wallonie (2.Pro, BEL)
  • Radrennen Frauen

  • Kriterium Offenbach (BLF, GER)