Belgier gewinnt 52. Amstel Gold Race

Gilbert gerät nicht in Panik und kocht Kwiatkowski ab

Von Lorenz Rombach

Foto zu dem Text "Gilbert gerät nicht in Panik und kocht Kwiatkowski ab"
Philippe Gilbert (Quick-Step Floors) bezwingt Michal Kwiatkowski (Sky) beim 52. Amstel Gold Race | Foto: Cor Vos

16.04.2017  |  (rsn) - Nach 261 schweren Kilometern durch die Hügel Limburgs setzte Philippe Gilbert mit einem strahlenden Lächeln zur letzten großen Attacke an, als er den ersten langen Schluck seines Amstel-Siegerbieres machte. Und auch beim traditionellen "Wetttrinken" auf dem Podium in Berg en Terbijt war der Belgier der Schnellste: Als Gilbert sein leeres Glas schon absetzte, hatten der Pole Michael Kwiatkowski (Sky) und der Schweizer Michael Albasini (Orica-Scott), noch etwa die Hälfte ihres wohlverdienten Bieres in ihren Gläsern.

Eine sinnbildliche Szene, wobei es im spannenden Finale einige Minuten zuvor doch knapper zwischen Gilbert und Kwiatkowski zugegangen war. Nach schweren 261 Kilometern von Maastricht nach Berg en Terblijt hatte der Gewinner der diesjährigen Flandern-Rundfahrt den Mailand-Sanremo-Sieger im Sprint bei Gegenwind clever abgekocht und sich seinen vierten Amstel-Gold-Sieg gesichert. Zehn Sekunden hinter den beiden sprintete Albasini auf den dritten Platz.

Auf dem letzten Kilometer des 52. Amstel Gold Race hatte Gilbert noch einmal die Schuhe fesgezurrtt, um sich auf den finalen Sprint gegen Kwiatkowski vorzubereiten. Mit festen Schuhwerk und dem Selbstvertrauen eines dreimaligen Champions setzte sich der 34-Jährige schließlich deutlich gegen den Amstel Gold Race-Gewinner des Jahres 2015 durch und baute seinen Rekord beim größten holländischen Eintagesrennen weiter aus. "Er hat mich im Sprint ein bisschen überrascht, aber wir hatten Gegenwind, weshalb ich nicht in Panik geriet und ich sah, dass ich näher und näher kam und am Ende lief es für mich perfekt", sagte Gilbert im Ziel.

Die 52. Auflage des ersten der drei Ardennen-Klassiker endete in diesem Jahr erstmals nicht kurz nach dem Cauberg, sondern gut 15 Kilometern nach der letzten Passage des berühmten Anstieges vor den Toren Maastrichts – und die Streckenänderung führte, wie von den Organisatoren gewünscht, zu einem aggressiven und spannenden Rennen.

Bereits 40 Kilometer vor dem Ziel ritten Sergio Henao (Sky), Tiesj Benoot (Lotto-Soudal) und der spätere Sieger Gilbert die entscheidende Attacke: "Das war ein hartes Finale. Wir haben am schon am Kruisberg angegriffen, das war wieder eine lange Flucht. Wir alle hätten den Sieg verdient gehabt, da wir sehr gut zusammengearbeitet haben. Am Ende kann nur einer gewinnen, aber wir haben alle sehr gute Arbeit gemacht auf den letzten 40 Kilometern“ lobte Gilbert im Siegerinterview seine Fluchtgefährten, die jedoch am Ende nur zuschauen konnten, als der Quick-Step-Kapitän und Kwiatkowski am letzten Anstieg des Tages, dem Bemelerberg, davonfuhren.

Dabei hatte Kwiatkwoski  zuvor die Attacke von Benoot, Gilbert, Henao, Albasini, Nathan Haas (Dimension Data), José Joaquin Rojas (Movistar) und Ion Izagirre (Bahrain-Merida) am Kruisberg verpasst, konnte jedoch im steilen Keutenberg überraschenderweise Greg Van Avermaet (BMC) und Alejandro Valverde (Movistar) und die anderen Verfolger stehen lassen und im Alleingang zur Spitze aufschließen.

Die beiden Favoriten hatten der Power Kwiatkowskis in dem steilen Anstieg nichts entgegenzusetzen und musste sich bereits da geschlagen geben. Van Avermaet wurde am Ende Zwölfter, Valverde fuhr auf Rang 19. Zeitgleich mit dem Duo kamen auch Paul Martens (20.) als bester deutscher Fahrer und JayMcCarthy (17.) als bester Vertreter des deutschen Bora-hansgrohe-Teams ins Ziel. Mit der Enscheidung hatten sie alle aber nichts zu tun.

Die fiel zwischen Gilbert und Kwiatkowsi, wobei der Sky-Kapitän auf dem letzten Kilometer an Gilberts Hinterrad blieb und ein Sprinterloch von etwa fünf Metern ließ. Doch dann eröffnete der Weltmeister des Jahres 2014 seinen Sprint bei starkem Gegenwind bereits 300 Meter vor dem Ziel - deutlich zu früh, um Gilbert auf Distanz zu halten. "Gratulation an Phil, das war ein wirklich gutes Rennen von ihm. Natürlich wollte ich gewinnen, aber er ist ein großartiger Fahrer. Was kann ich sagen: Ich habe versucht das Rennen zu gewinnen, in dem ich ihn überraschte, aber es war starker Gegenwind und mir haben einige Meter gefehlt. Es war sehr hart, bis zur Linie durchzuziehen - das ist alles“, zollte Kwiatkowski im Ziel dem Sieger seinen Respekt.

Die diesjährige Auflage des holländischen Traditionsrennens fand unter ungemütlichen Bedingungen statt: rund zehn Grad und ein frischer Wind begleiteten die Fahrer über die 261 Kilometer durch die Provinz Limburg. Schon nach wenigen Kilometern bildete sich eine zwölf Fahrer starke Spitzengruppe mit Lars Boom (LottoNL-Jumbo), Stijn Vandenbergh (AG2R-La Mondiale), Mads Wurtz Schmidt (Katusha-Alpecin), Tim Ariesen (Roompot), Nikita Stalnov (Astana), Michal Paluta (CCC Sprandi Polkowice), Brendan Canty (Cannondale-Drapac), Johann Van Zyl (Dimension Data), Kenneth Van Rooy (Sport Vlaanderen-Baloise), Pieter Van Speybrouck (Wanty-Groupe Gobert), Vincenzo Albanese (Bardiani-CSF) und Fabien Grellier (Direct Energie).

Die Ausreißer erarbeiteten sich einen Maximalvorsprung von mehr als acht Minuten, während im Feld die Mannschaften der Favoriten, allen voran Sunweb, Movistar, Bahrain-Merida und Sky das Tempo kontrollierten. Als der Vorsprung 75 Kilometer vor dem Ziel auf vier Minuten gesunken war, übernahm BMC die Kontrolle und erhöhte die Schlagzahl deutlich. Vor allem der Schweizer Silvan Dillier spannte sich lange vors Feld, um das Rennen schwer zu machen für die Konkurrenten seines Kapitäns Van Avermaet. So lief bereits 40 Kilometer vor dem Ziel alles zusammen, als der letzte verblieben Ausreißer der 22-jährige Grellier gestellt wurde.

Kurz darauf kam es am Kruisberg zur vorentscheidenden Situation. Sergio Henao (Sky) führte das Feld in den Anstieg und an der Kuppe konnte er sich zusammen mit Gilbert, Benoot, Albasini und Haas lösen. Wenige Kilometer später schlossen noch die beiden Spanier Izagirre und Rojas auf. Am nächsten Anstieg, dem Keutenberg, bekam dann Benoot Probleme und musste die Segel streichen – damit geht das enttäuschende Frühjahr der Lotto-Soudal-Mannschaft auch in den Ardennen weiter. Derweil schloss von hinten Kwiatkowski auf, der im bis zu 18 Prozent steilen Anstieg die hoch gehandelten Van Avermaet und Valverde stehen ließ, wobei der Spanier immerhin noch Rojas an der Spitze hatte, während BMC trotz der vielen Arbeit am Ende mit leeren Händen dastand.

Die sieben Fahrer an der Spitze waren sich einig und einzig Rojas verweigerte die Führungsarbeit, da er noch auf Valverde hoffte. Hinter der Spitze hatte sich nach dem Keutenberg eine Verfolgergruppe mit Van Avermaet, Valverde, Fabio Felline (Trek-Segafredo), Tim Wellens (Lotto-Soudal), Warren Barguil (Sunweb), Rui Costa (UAE Abu Dhabi) und Bob Jungels (Quick-Step Floors) zusammengefunden, die jedoch immer weiter an Boden verlor und schließlich sogar noch vom Feld gestellt wurde.

An der Spitze attackierte Kwiatkowski gleich zu Beginn des Bemelerbergs, des letzten der 35 Anstiege, und konnte sich schließlich gemeinsam mit Gilbert absetzen, als dieser konterte und sich die restlichen Fahrer kurz anschauten. Die Beiden arbeiteten gut zusammen und ließen es schließlich auf den Sprint ankommen, wo Gilbert die größeren Reserven hatte und seine beeindruckende Renaissance fortsetzte.

Zehn Sekunden später gewann der 36-jährige Albasini den Sprint der Verfolger und wurde hervorragender Dritter, der Österreicher Michael Gogl (Trek-Segagfredo) fuhr ebenfalls ein gutes Rennen und belegte Rang acht, nachdem er sich auf den letzten Kilometern noch alleine vom Feld absetzen konnte.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

18.04.2017Gilbert muss Pause verlängern und auch auf den Giro verzichten

(rsn) - Nach einem zweitägigen Krankenhaus-Aufenthalt ist Amstel-Gold-Sieger Philippe Gilbert (Quick-Step Floors) am Dienstag entlassen worden und nun auf dem Heimweg zu seiner Familie. Wie sein Team

18.04.2017Kwiatkowski: "Ich wurde von einem großen Champion geschlagen"

(rsn) - Bei einem Ardennenklassiker im Sprint gegen Philippe Gilbert (Quick- Step Floors) zu verlieren ist wahrlich keine Schande. Trotzdem war Michal Kwiatkowski (Sky) nach Platz zwei bei der 52. Auf

17.04.2017Gilbert muss nach Amstel-Sieg mit Nierenverletzung pausieren

(rsn) - Gerne hätte Philippe Gilbert (Quick-Step Floors) nach seinem vierten Triumph beim Amstel Gold Race den Sonntagabend gemeinsam mit seinen Teamkollegen bei einem Amstel-Bier ausklingen lassen.

17.04.2017Sturz raubte Matthews die Chancen auf ein Top-Ergebnis

(rsn) – Zwar sprang für das deutsche Sunweb-Team beim Amstel Gold Race in Form des zehnten Platzes durch Michael Matthews eine Top Ten-Platzierung heraus, doch angesichts der Tatsache, dass der Aus

16.04.2017Van der Breggen kommt pünktlich zum Höhepunkt in Top-Form

(rsn) - Mit einem Doppelsieg beim ersten Amstel Gold Race für Frauen seit 14 Jahren hat sich das Team Boels-Dolmans nur wenige Kilometer vom Hauptquartier seines zweiten Titelsponsors an der Spitze d

16.04.2017Albasini: “Ich hatte am Ende nichts mehr zuzulegen"

(rsn) - Am frühen Nachmittag sicherte Annemiek van Vleuten dem australischen Frauenteam Orica-Scott den dritten Platz beim Amstel Gold Race. Einige Stunden später machte es im Männerrennen der Schw

16.04.2017Konrad mit Defekt, McCarthy gestürzt - kein Traumergebnis für Bora

(rsn) - Mit einem "Traumergebnis“ (Sportdirektor Jens Zemke) ist es für das deutsche Bora-hansgrohe-Team beim 52. Amstel Gold Race nichts geworden. Möglicherweise hätte es dazu gelangt, wenn die

16.04.2017Lefevere: "Ich hoffe, dass alle Veranstalter daraus lernen"

(rsn) - Im Vorfeld des 52. Amstel Gold Race wurde wegen des Verschwindens des Caubergs aus der Schlussrunde viel spekuliert: Wird der niederländische Ardennen-Klassiker dadurch so leicht, dass bergfe

16.04.2017Jungels nach einmonatiger Rennpause: "Die Form stimmt"

(rsn) - Platz 39 sprang am Ende für Bob Jungels (Quick-Step Floors) heraus. Doch das spielte keine Rolle. Der Luxemburgische Meister konnte sich in Berg-en-Terblijt am Ende des Amstel Gold Race über

16.04.2017Highlight-Video des 52. Amstel Gold Race

(rsn) - Am Ende eines spannenden Amstel Gold Race kam es in Berg en Terblijt zum Duell zweier später Ausreißer: Nach 261 Kilometern der 52. Auflage des ersten der drei Ardennenklassiker verwies Phil

16.04.2017Gilbert triumphiert beim Ardennen-Auftakt zum vierten Mal

(rsn) - Philippe Gilbert (Quick-Step Floors) hat sich am Sonntag seinen vierten Sieg beim Amstel Gold Race geholt. Der 34-jährige Belgier setzte sich bei der 52. Auflage des ersten der drei Ardennenk

15.04.2017Gilbert und Van Avermaet auf Rekordjagd

(rsn) - Die ersten drei Monumente der Saison sind bewältigt, mit dem Amstel Gold Race steht am Sonntag ein nicht minder prestigeträchtiger Klassiker auf dem Programm. Ein stetiges Auf und Ab durch d

Weitere Radsportnachrichten

19.04.2024Die Aufgebote für das 8. Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen

(rsn) – Mit der 8. Ausgabe des Lüttich-Bastogne-Lüttich der Frauen endet die Ardennenwoche. Während das Männerrennen von Lüttich aus nach Süden zum Wendepunkt in Bastogne und von dort wieder z

19.04.2024Die Aufgebote für das 110. Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Zum krönenden Abschluss der sogenannten steht am 21. April die 110. Ausgabe von Lüttich-Bastogne-Lüttich an. La Doyenne, wie das 1892 erstmals ausgetragene und damit älteste Eintagesrenn

19.04.2024Lopez wehrt alle Angriffe ab und gewinnt Tour of the Alps

(rsn) – Juan Pedro Lopez (Lidl – Trek) kam am Schlusstag der 47. Tour of the Alps (2.Pro) nicht mehr in Schwierigkeiten. Der Spanier selbst hat auf dem schweren letzten Teilstück seine Kontrahent

19.04.2024Die Strecke des vierten Monuments: Lüttich-Bastogne-Lüttich

(rsn) – Zum 110. Mal findet am Sonntag Lüttich-Bastogne-Lüttich (1.UWT) für die Männer statt – die Frauen bestreiten ´La Doyenne´ dagegen erst zum achten Mal. Die Strecke hat sich für beide

19.04.2024Im Chaos-Finale fahren Malmberg, Röber und Paluta in die Top 10

(rsn) - Auch im chaotischen Finale der 2. Etappe von Belgrade Banjaluka (2.2) waren die drei deutschen Kontinental-Teams vorne mit dabei. Während der Däne Matias Malmberg (Maloja Pushbikers) und Do

19.04.2024Kehrt der Intergiro bei der Italien-Rundfahrt zurück?

(rsn) - Auf einigen der von der RCS veröffentlichen Profilen der Italien-Rundfahrt taucht der Intergiro zum ersten Mal seit 2005 wieder auf. Der Intergiro ist eine Sonderwertung, bei dem die Zeit all

19.04.2024Skjelmose erklärt seine Unterkühlung beim Flèche Wallonne

(rsn) - "Skjelmose wird hier gerade vom Rad getragen und ist vollkommen am Zittern. Komplett kalt. Komplett im Arsch", hieß es nach einem Augenzeugenbericht unseres Mannes vor Ort am Mittwoch in unse

19.04.2024Querfeldeinstar Kuypers steigt auf und gibt Debüt in Lüttich

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Profiradsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder RÃ

19.04.2024Lüttich-Bastogne-Lüttich im Rückblick: Die letzten zehn Jahre

(rsn) – Lüttich-Bastogne-Lüttich bildet traditionell den krönenden Abschluss der Ardennenwoche. La Doyenne, das älteste Eintagesrennen der Welt, ist mit seinen kurzen, teils extrem steilen Anst

18.04.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wie geht´s zum Liveticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

18.04.2024TotA-Sturz: Harper kommt mit leichter Gehirnerschütterung davon

(rsn) – Entwarnung für Chris Harper: Der Australier von Jayco – AlUla ist bei seinem Sturz rund 25 Kilometer vor dem Ziel der Königsetappe der Tour of the Alps ohne schlimmeren Verletzungen dav

18.04.2024Steinhauser: Giro-Test mit Prädikat sehr gut

(rsn) – Den Feinschliff für sein Grand-Tour-Debüt holt sich Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) derzeit bei der 47. Tour of the Alps (2.Pro). In wenigen Wochen geht es für den Allgäue

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Belgrade Banjaluka (2.2, BIH)