Anna Knauer-Blog

Auf und ab mit der Achterbahn

Von Anna Knauer

Foto zu dem Text "Auf und ab mit der Achterbahn"
Im Olympiapark in Athen, oben: Mieke Kröger, Anna Knauer, unten: Gudrun Stock, Lisa Küllmer | Foto: Anna Knauer

13.07.2015  |  (rsn) - „Fahren wir zur Achterbahn?“ Das war die häufigste Frage, wenn mein Bruder und ich als Kinder mit dem Mountainbike unterwegs waren. Man muss natürlich wissen, dass die Achterbahn ein alter Steinbruch ist, der wegen seiner kurzen auf-ab-links-rechts Kombinationen für uns der Spielplatz schlecht hin war. Ein paar Jahre später, nämlich genau jetzt, trifft der Begriff Achterbahn wieder zu. Allerdings nun auf meinen bisherigen Saisonverlauf.

Nach einer mental schwierigen Woche konnte ich mich Ende Mai bei den schweren Rennen „Holland Hills“ und „Gooik-Gerardsbergen-Gooik“ selbst mit guten Leistungen überraschen und die Zuversicht für meinen persönlichen Saisonhöhepunkt, die AVIVA Women’s Tour, wuchs. Ich wusste, dass es die eine oder andere Etappe geben würde, auf der das Team erstmals komplett auf mich setzen würde und wollte die anderen, vor allem aber mich selbst natürlich nicht enttäuschen.

Der deutsche Meistertitel im Punktefahren gegen Charlotte Becker und Weltmeisterin Stephanie Pohl ließ mich weiterhin glauben, dass ich in guter Verfassung an den Start gehen würde. Es ging also immer noch bergauf bei meiner Achterbahnfahrt. Doch diese Bergauffahrt endete leider fünf Kilometer zu früh. Denn genau diese fünf Kilometer vor dem Ziel der 1. Etappe machten meine bis dahin so guten Beine schlapp und ich konnte nicht mal mehr das Hinterrad meiner Teamkollegin halten. Die richtige Bergabfahrt auf meiner Achterbahn fing aber 50 Meter nach dem Zielstrich an.

Ich selbst konnte noch rechtzeitig bremsen, als die Fahrerinnen vor mir stürzten, doch von hinten kam eine unaufmerksame Kollegin und rauschte ungebremst in mich hinein. Ich konnte mich zwar auf dem Rad halten, aber meine Schulter meldete sich sofort mit einer Zerrung, die mich vor allem die nächsten Tage immer wieder an die 1. Etappe erinnerte. Leider hielt die Talfahrt an und erreichte auf der 4. und vorletzten Etappe ihren Tiefpunkt.

Ich kann davon aber nicht viel erzählen, denn ab dem Zeitpunkt, als der Platz zwischen Straßengraben und Begleitfahrzeug gefährlich eng wurde, weiß ich nichts mehr. Aufgewacht bin ich auf der Straße sitzend und mit der Meinung, ich würde träumen. Auch an die Zeit danach, als ich erst im Besenwagen und dann im Krankenwagen saß, kann ich mich nur verschwommen und bruchstückhaft erinnern.

Erst als ich erfahren hatte, welchen Wochentag und welche Etappe wir haben, konnte ich mir ein Puzzleteil nach dem anderen wieder zusammensetzen. So dramatisch es aber auch klingen mag, dass ich von einem Auto umgefahren wurde und mir dabei eine Gehirnerschütterung zuzog: Ich hatte unheimlich viel Glück und es hätte mir weitaus schlechter ergehen können. Außerdem hat der Sturz mir sogar wieder einmal gezeigt, in welch einem großartigen Team ich fahren darf.

Bereits am Samstagnachmittag unterbrachen unsere Physios alle 15 Minuten ihre Massagen, um nach mir zu sehen. Unser sportlicher Leiter kam, nachdem er zwei Stunden mit meiner Teamkollegin, die zu Beginn der Etappe schwer gestürzt war, im Krankenhaus gewartet hatte, direkt zu mir, ohne vorher überhaupt seine Taschen abzulegen. Meine Zimmerpartnerin stellte mitten in der Nacht den Wecker um sicherzustellen, dass es mir gut geht und am Sonntag konnte ich keine Minute stehen, ohne dass ich gleich wieder in einen Stuhl gedrückt wurde. Danach durfte ich glücklicherweise nach Hause fliegen und stieg am Mittwoch bereits wieder auf’s Rad. Dass die Deutsche Straßenmeisterschaft mehr von Runde zu Runde ablief und ich hauptsächlich froh war, überhaupt schon wieder Rennen fahren zu können, war zu erwarten.

Doch eine Achterbahn wäre keine Achterbahn, wenn es nicht bald schon wieder bergauf gehen würde. Und so durfte ich am vergangenen Wochenende, nur zwei Wochen nach meinem Sturz, schon wieder auf das Podest steigen. Ich war wieder auf der Bahn unterwegs und musste mich beim Omnium in Polen nur Olympiasiegerin Laura Trott geschlagen geben.

Bleibt zu hoffen, dass es weiter bergauf geht, denn im Moment bereite ich mich auf die U23 Europameisterschaften auf der Bahn in Athen vor und nur drei Wochen später finden die Titelkämpfe auf der Straße in Estland statt. Danach darf es gerne kurz bergab gehen, denn dann habe ich eine Woche Urlaub.

Bis bald
Eure Anna


Nach Elke Gebhardt, die ihre Karriere beendet hat, übernimmt die 19-jährige Anna Knauer den virtuellen Füllfederhalter als Bloggerin auf radsport-news.com. Trotz ihres jungen Alters geht sie bereits in ihre zweite Saison bei Rabobank-Liv, dem besten Team der Welt, und kämpft zugleich noch auf der Bahn um die Olympia-Qualifikation. Es wird in den kommenden zwölf Monaten also einiges zu erzählen geben – wir wünschen viel Spaß beim Lesen!

Mehr Informationen zu diesem Thema

01.01.2016Ab dem 1. Januar beginnt ein neues Abenteuer!

(rsn) - Das Jahr 2015 ist zu Ende. Wie immer um diese Zeit lasse ich mir durch den Kopf gehen, was so alles passiert ist in den vergangenen zwölf Monaten. Zwölf Monate scheinen eine lange Zeit, wenn

29.09.2015Die Kombination von Urlaub und Olympia ist die beste Motivation

(rsn) - Off-Season, Saisonpause, Urlaub, …. Egal, wie man es nennen will, nach einer langen Saison freut sich jeder auf die paar Wochen im Jahr, in denen das Rad in die Ecke gestellt werden darf. Da

27.04.2015Mit einem Tritt in den Hintern erstmals aufs Podest

(rsn) - „Every champion was once a contender who refused to give up.“ An diesen Satz musste ich in den letzten Wochen immer denken. Bevor ich nämlich gestern zum ersten Mal in einem großen Renne

31.03.2015Trotz des Sturms war Gent-Wevelgem etwas ganz Besonderes

Das war mal ein großes Hallo, das wir Bahnfahrer am Sonntag bei unserem Einstieg in die Straßensaison bekommen haben. Im Gegensatz zum vergangenen Jahr, als wir bei Sonnenschein und frühlingshaften

17.02.2015Mit dem organisierten Chaos angefreundet

(rsn) - Eine Nacht Frankfurt/Main, sieben Tage Cali (Kolumbien; Bahnweltcup), fünf Tage Calpe (Spanien; Trainingslager), ein Tag Handel (Niederlande), ein Tag Emmen (Niederlande; Teampräsentation),

07.01.2015Mit dem Rad auf professioneller Weltreise

(rsn) - Nach Elke Gebhardt, die ihre Karriere beendet hat, übernimmt die 19-jährige Anna Knauer den virtuellen Füllfederhalter als Bloggerin auf radsport-news.com. Trotz ihres jungen Alters geht si

Weitere Radsportnachrichten

03.05.2024Muzic schlägt Vollering! Erst festgebissen, dann abgesprintet

(rsn) – Évita Muzic (FDJ – Suez) hat an der Laguna Negra in 1.715 Metern Höhe die 6. Etappe der Vuelta Espana Femenina gewonnen. Die 24-jährige Französin setzte sich am Ende der 6,5 Kilometer

03.05.2024Blackmore nimmt bei Israel - Premier Tech Zabels Platz ein

(rsn) – Nach dem Karriereende von Rick Zabel wird Joseph Blackmore den frei werdenden Platz des Deutschen bei Israel – Premier Tech einnehmen. Wie der Zweitdivisionär meldete, wechselt der 21-jÃ

03.05.2024Was Selbstvertrauen alles ausmachen kann

(rsn) - Servus liebe Leserinnen und Leser, nach gut zwei Monaten voller Wettkämpfe melde ich mich mal wieder. Es ist viel passiert, worüber ich gerne berichten würde. Bereits zum zweiten Mal in d

03.05.2024Bénin: Lührs verpasst um Millimeter seinen ersten Saisonsieg

(rsn) – Auf der 4. Etappe der Tour du Bénin (2.2) hat das Team Bike Aid erneut einen Tagessieg knapp verpasst, konnte sich aber zumindest über die Verteidigung des Gelben Trikots von Yoel Habteab

03.05.2024Niewiadoma und Realini bei Vuelta Femenina ausgestiegen

(rsn) - Ohne zwei der Favoritinnen ist am Mittag die 6. Etappe der Vuelta Femenina gestartet worden. Wie ihr Team Canyon – SRAM auf X meldete, habe man beschlossen, dass Kasia Niewiadoma aus gesundh

03.05.2024Geschke von 2500 Metern in Freiburg zum Giro d´Italia

(rsn) – Vor dem letzten Giro d’Italia seiner Karriere strahlt Simon Geschke viel Optimismus aus. “Meine Form ist sehr gut, ich konnte mich so gut wie noch nie auf einen Giro vorbereiten“, sagt

03.05.2024Giro-Favorit Pogacar hält Fixierung auf seine Person für “Bullshit“

(rsn) – Am Samstag beginnt der 107. Giro d’Italia – mit Tadej Pogacar (UAE Team Emirates) als haushohem Favoriten, der in der öffentlichen Wahrnehmung alle seine Konkurrenten in den Schatten st

03.05.2024HLN: Van Aert kehrt Ende Mai ins Feld zurück

(rsn) – Wout van Aert (Visma - Lease a Bike) nimmt nach seinem schweren Sturz Ende März bei Dwars Door Vlaanderen sein Comeback ins Visier. Wie die Zeitung Het Laatste Nieuws schreibt, plant der B

03.05.2024Für Koch und Sütterlin heißt es: buckeln, buckeln, buckeln

(rsn) – Jonas Koch (Bora – hansgrohe) und Jasha Sütterlin (Bahrain Victorious) sind Helfer, wie sie sich jedes Teams wünscht. Beide erfüllen ohne viel Aufhebens auf fast jedem Terrain zuverlä

03.05.2024Merlier und Kooij führen die Riege der schnellen Männer an

(rsn) – Beim 107. Giro d’Italia wird es für die Sprinter kein gemütliches Einrollen geben. Am Samstag beginnt die erste Grand Tour des Jahres in Venaria Reale nördlich von Turin mit einer schwe

03.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morg

02.05.2024Offiziell bestätigt: Red Bull wird zur Tour als Titelsponsor sichtbar

(rsn) – Das deutsche WorldTeam Bora – hansgrohe wird ab der kommenden Tour de France (29. Juni - 21. Juli) als Red Bull – Bora – hansgrohe unterwegs sein. Das gab Manager Ralph Denk am Donners

RADRENNEN HEUTE
  • Keine Termine