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15.06.2015 | (rsn) - Seit Jahren sind die deutschen Bahnfahrer Medaillen-Garanten bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Bundestrainer Detlef Uibel sprach am Rande der Bahn-DM in Berlin mit radsport-news.com unter anderem über den großen internen Konkurrenzkampf, die Chancen bei den Olympischen Spielen in Rio und über die vergangene WM in Paris, wo die deutschen Sprinter hinter den Erwartungen geblieben sind.
Herr Uibel, Sie haben im Hinblick auf den großen Konkurrenzkampf bei den Sprintern davon gesprochen, dass die deutschen Meisterschaften eine wichtige Standortbestimmung sind. Kann sich nun Maximilian Levy, der sowohl den Titel im Sprint als auch Keirin geholt hat, als den großen Gewinner sehen?
Uibel: Ja sicherlich kann man das so sehen. Er hat für sich fast das Maximale rausgeholt, aber viel wichtiger für mich ist, dass sich Max in seiner Leistungsfähigkeit deutlich verbessert hat. Er hat deutlich zu erkennen gegeben, dass er genau weiß, was notwendig ist, damit er bei Olympia dabei ist; und das hat er
nicht nur hier bewiesen. Für mich und auch für ihn war es sicherlich nicht optimal, dass in Berlin drei Leistungsträger gefehlt haben, denn ein direkter Vergleich wäre deutlich besser gewesen.
Levy selbst geht davon aus, dass er nicht in allen drei Disziplinen bei Olympia (Teamsprint, Sprint und Keirin) an den Start gehen kann. Sehen Sie das auch so?
Uibel: Das ist sicherlich richtig. Da ist die internationale Leistungsdichte viel zu groß, als das es noch Rennfahrer gibt, die in der Lage sind, in allen drei Disziplinen um die Medaillen zu fahren. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer alle drei Disziplinen fährt, ist gering, aber auch nicht ausgeschlossen.
Bei den Weltcups und Weltmeisterschaften konnten die deutschen Sprinter in allen Disziplinen um die Medaillen mitfahren. Ist es ihr Anspruch, auch bei Olympia in allen Disziplinen im Kurzzeitbereich um die Medaillen mitzufahren?
Uibel: Ja, das ist ganz klar unser Ziel. Wir haben in den letzten Jahren bewiesen, dass wir dazu in der Lage sind. Wir haben aber auch bei dieser WM gesehen, dass das kein Selbstläufer wird. Wir müssen uns schon zu 100 Prozent konzentrieren.
Allerdings ist der Fokus für Olympia ganz klar auf den Teamsprint gerichtet, sowohl bei den Männern als auch Frauen. Das ist die Disziplin, auf die wir uns konzentrieren werden. Darauf aufbauend werden wir sicher auch in den Einzeldisziplinen Chancen auf Medaillen haben.
Woran lag es, dass die Medaillenausbeute im Kurzzeitbereich bei der diesjährigen WM schwächer war als in den vergangenen Jahren?
Uibel: Erstmal haben die anderen Nationen im vorolympischen Jahr deutlich aufgeholt. Die Leistungsdichte Richtung Olympia wird immer dichter. Das ist immer so gewesen. Wir haben aber auch einige Probleme gehabt, vor allem gesundheitlicher Art (Robert Förstemann mit Bandscheibenvorfall und Stefan Bötticher mit muskulären Problemen, d. Red.) und es kamen noch einige andere Sachen hinzu, die dazu geführt haben, dass wir nicht das abrufen konnten, was wir uns im Vorfeld erhofft haben.
Bei den Männern gibt es gleich sechs Kandidaten für die drei Startplätze bei Olympia. Wie ist da der Stand?
Uibel: Wir haben uns mit Blick auf Olympia für klare Aufgabenverteilungen entschieden. So werden sich Robert Förstemann und Rene Enders ausschließlich auf das Anfahren konzentrieren. Die beiden werden jetzt so oft wie möglich gegeneinander fahren und dann werden wir sehen, wer der bessere ist und die Anfahrposition einnehmen wird. Maximillian Levy wird mit Joachim Eilers und anderen um Position 3 oder vielleicht auch um Position 2 konkurrieren.
Ab dem Herbst haben alle die Möglichkeit, bei den Europameisterschaften, Weltcups und der WM sich für Olympia zu empfehlen.
Sie können demnach ausschließen, dass Förstemann und Enders, wie bei der WM und Olympia 2012, zusammen im Teamsprint fahren?
Uibel: Bis zur WM und bei der WM selbst wird das sicherlich so sein. Das hängt aber auch davon ab, ob wieder welche ausfallen. Aber Enders auf Position 1 und Förstemann auf 2 ist sicherlich nicht unser Idealmodell.
Bei der WM im vergangenen Jahr waren Kristina Vogel und Miriam Welte sehr dominant und haben die Titel unter sich aufgeteilt. In diesem Jahr waren sie bei Weitem nicht so erfolgreich. Woran lag das?
Uibel: Man muss natürlich sagen, dass Kristina Vogel 2014 in ihrem Bereich alles gewonnen hat, was es zu gewinnen gibt. Das ist nur schwer zu wiederholen.
Sie kann erstmal sehr stolz sein, dass sie ihren Titel im Sprint verteidigt hat.
Der vierte Platz im Teamsprint war sicherlich sehr unbefriedigend, nachdem wir hier dreimal in Folge Weltmeister waren. Das war genauso wie das Ergebnis im Keirin ein Rückschlag. Das lag aber auch am sehr großen Druck, den sie hatte und sich selbst gemacht hat. Das ist etwas, was sie in Zukunft lernen muss, um richtig mit der Favoritenrolle umzugehen. Sie ist jetzt die Gejagte und hatte in diesem Jahr ein wenig Probleme damit.
Bei der WM ist Kristina Vogel einen Tag nach ihrem Titel im Sprin, im Keirin als Titelverteidigerin früh ausgeschieden. Danach hat sie gesagt, dass nach dem WM-Titel im Sprint die Luft raus war. Was werden sie tun, um das bei Olympia zu vermeiden, damit eine Medaillenchance nicht leichtfertig vergeben wird?
Uibel: Bei Olympia ist jeder Rennfahrer voll fokussiert und weiß, dass es nur alle vier Jahre diese Chance gibt. Da weiß jeder, dass man sich zusammenreißen muss und sowas nicht passieren darf. Ich denke, dass ihr das nicht nochmal passieren wird.
Im Jahr vorher hat sie ja bewiesen, dass sie nach dem Sprint Titel die Anspannung hoch halten kann, und hat dann auch im Keirin gewonnen.
Im Olympia-Programm stehen drei Disziplinen, in denen Vogel schon Weltmeisterin werden konnte. Ist das ein großer Traum bei Olympia, mit ihr dreimal Gold zu gewinnen?
Uibel: Klar ist das ein großer Traum. Es ist ja oftmals so, dass Olympiasieger in ihrer Heimat für die Sportart einen Aufschwung bewirken können. Natürlich hoffe ich darauf.
Wären Sie bei Olympia 2016 mit der gleichen Bilanz wie 2012 zufrieden (je einmal Gold, Silber und Bronze)?
Uibel: Damit wäre ich mit Sicherheit zufrieden. Aber es ist auch mehr möglich, zumal wir in Rio im Sprint und Keirin einen Fahrer mehr an den Start bringen können, wodurch sich unsere Chancen nochmal erhöhen.
Wie sieht es mit dem Nachwuchs in den Kurzzeitdisziplinen aus?
Uibel: Da sind wir sehr zufrieden. Bei den deutschen Meisterschaften gab es sehr gute Ergebnisse. Vor allem bei den Mädchen scheint es so, dass
die Lücke, die wir seit Jahren hinter Welte und Vogel haben, geschlossen werden kann. Wir haben versucht, die beiden so behutsam aufzubauen, dass sie über eine lange Zeit erfolgreich bleiben können, damit wir den Frauenradsport auch hochhalten. Ich denke, dass die beiden seit Jahren beweisen, dass sie zur Weltspitze gehören und, dass der Frauenradsport förderungswürdig ist und, dass es sich für die jungen Mädchen auch lohnt, sich für den Radsport zu entscheiden.
Jetzt kommen zwei weitere Fahrerinnen aus dem Juniorenbereich und dann wächst hoffentlich auch bei den Frauen nach Olympia der Konkurrenzkampf, so wie wir es jetzt bei den Männern haben. Bei den Männern haben wir jetzt schon eine sehr gute Breite und bei den Junioren sehe ich auch sehr gute Erfolgsmöglichkeiten.
Die Briten, die bei den letzten Olympischen Spielen sehr dominant waren, haben im Bahnradsport ein zentralisiertes System installiert, bei dem alle Fäden in Manchester zusammenlaufen. Ist das etwas, was Sie auch anstreben?
Uibel: Das System der Briten hat seine Vorteile, aber auch Nachteile.
Unser entscheidender Vorteil, den wir mit unserem Stützpunktsystem gegenüber den Briten haben, ist, dass sich bei uns der Nachwuchs deutlich besser entwickelt und wir einen Nachwuchs haben, den die Briten nicht haben, weil sich bei uns nicht alles auf den Elite-Bereich konzentriert. Wir haben in verschiedenen Bundesländern unsere Stützpunkte und auch ein stark ausgeprägtes zentrales Lehrgangssystem, wo wir die besten Bahnradsportler zusammenholen. Unser System kann aber sicher auch noch verbessert werden. Ich denke schon, dass wir unsere Elite stärker konzentrieren sollten, damit sie nicht nur bei den Lehrgängen zusammen sind, sondern über das ganze Jahr.
Die Straßenradsportler haben in Deutschland für einen Aufschwung gesorgt. Ist davon auch etwas im Bahnradsport zu spüren?
Uibel: Es ist so, dass der Radsport in der Öffentlichkeit nur über den Straßenradsport definiert wird und der Bahnradsport immer im Schatten steht.
Wenn es im Straßenradsport eine Entwicklung gibt, ob positiv oder negativ, sind wir automatisch mit betroffen. Wir freuen uns, dass die jungen Fahrer wie Kittel oder Degenkolb wieder für diese erfreuliche Entwicklung gesorgt haben und sich die Medien in Deutschland wieder offener zeigen. Davon profitieren wir natürlich auch.
Ein Olympiasieg wäre ein sehr guter Aspekt, der den Leuten zeigt, dass es sich auch lohnt, auf uns zu schauen.
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