Titelverteidiger in Florenz eine Klasse für sich

Martin rast mit Höchstgeschwindigkeit zum dritten WM-Titel

Von WM-Korrespondent Felix Mattis aus Florenz

Foto zu dem Text "Martin rast mit Höchstgeschwindigkeit zum dritten WM-Titel"
Tony Martin bejubelt seinen dritten WM-Zeitfahrsieg in Folge. | Foto: ROTH

25.09.2013  |  (rsn) - Beim Überqueren der Ziellinie streckte Tony Martin der Kamera drei ausgestreckte Finger entgegen: Der Hattrick war gelungen. Martin wurde zum dritten Mal in Folge Weltmeister im Einzelzeitfahren und stellte nach seinem Sieg sofort klar, wie viel ihm das bedeutet: „Der erste Titel ist immer der schönste, aber natürlich kommt ihm der hier nah“, sagte der 28-Jährige. „Wenn ich das heute versaut hätte, dann wäre ich sehr, sehr sauer auf mich gewesen. Diese Serie ist schon etwas ganz Besonderes.“

Besonders war auch, dass Martin, wie bereits vor zwei Jahren in Kopenhagen, erneut mit großem Vorsprung und wieder vor Bradley Wiggins (Großbritannien) sowie Fabian Cancellara (Schweiz) gewann, die diesmal am Ende 46 beziehungsweise 48 Sekunden Rückstand hatten. „Mit diesem Vorsprung zu gewinnen, ist wirklich speziell“, gab auch der neue und alte Weltmeister zu. „Das Schöne an so großen Abständen ist, wie damals auch in Kopenhagen schon, dass man auf den letzten Metern feiern kann. Es war sehr emotional.“

Verantwortlich für den großen Vorsprung war vor allem Martins hohe Geschwindigkeit von 52,9 Stundenkilometern. Damit war der Weltmeister nur 0,4 km/h langsamer als mit seiner Mannschaft am Sonntag, als er auf derselben Strecke Gold im Teamzeitfahren gewann. „Der Wind stand etwas anders“, erklärte er und schmunzelte: „Aber 52,9 km/h sind für eine Stunde nicht sooo schlecht - das stimmt.“

Dass eine derartige Tempojagd auf dem weitgehend flachen Kurs möglich war, lag aber eben auch an dessen Beschaffenheit. „Der Belag war neu und es gab wenige Kurven, in denen man wirklich abbremsen musste“, sagte Martin und ergänzte dann: „Außerdem muss ich mich auch bei meinen Mechanikern und allen anderen bedanken, denn das war das beste Material, mit dem ich je unterwegs war.“

Nach dem Start allerdings hatte Martin zunächst hinter Cancellara, der sehr schnell startete, zurückgelegen. Doch von seinem via GPS gemessenen, bis zu sechs Sekunden großen Rückstand vor dem Anstieg zur ersten offiziellen Zwischenzeit, hatte der Deutsche gar nichts mitbekommen. „Ich hatte nur die Zwischenzeit dort oben und die war ja zeitgleich. Aber selbst ein kleiner Rückstand hätte mich da nicht nervös gemacht. Das war planmäßig“, so Martin.

Am mit gerade einmal 132 Metern höchsten Punkt der Strecke, bei der Zwischenzeit nach 7,3 Kilometern lag der Deutsche tatsächlich nur noch 0,36 Sekunden hinter Cancellara. Den Streckenabschnitt, der ihm nicht ganz so gut lag wie der Konkurrenz, hatte er somit schadlos überstanden: „Ich bin verhalten angegangen, weil ich nicht gleich überpacen wollte. Ich wusste ja, dass meine Stärken mit den langen flachen Geraden erst noch kamen. Dass ich da zeitgleich war, wo das Rennen für mich mental erst richtig losgegangen ist, war deshalb eine optimale Ausgangsposition.“

Und aus dieser Position heraus zog der Titelverteidiger schließlich auf und davon. „Es war heute die Kunst, sich an die höchste Reisegeschwindigkeit heranzutasten, die man über die Distanz fahren kann“, erklärte er. „Ich habe einen sehr guten Rhythmus gefunden und habe schon unterwegs gespürt, dass das mein Tag werden kann.“ Mit 13 Sekunden Vorsprung passierte Martin den zweiten Messpunkt bei Kilometer 24,5 und mit 29 Sekunden die dritte Zeitmessung bei Kilometer 42,8 kurz vor dem winkligen Altstadt-Sektor in Florenz.

Doch als Sieger fühlte er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Zu groß schätzte er die Gefahr der engen 90-Grad-Kurven in den schattigen Gassen ein. Erst als er aus der Innenstadt heraus in Richtung Nelson Mandela Forum fuhr, fiel etwas Last von Martins Schultern ab. „Da wusste ich: Wenn ich keinen Platten mehr bekomme, habe ich den dritten Titel in Folge.“

Die Tatsache, dass der nun dreifache Weltmeister derart überlegen gewann, machte die Niederlage auch für Wiggins erträglicher. „Natürlich bin ich etwas enttäuscht, denn ich wollte gewinnen. Aber letztlich hätte ich nicht viel mehr geben können, als ich es getan habe. Ich habe keine Fehler gemacht und bin zufrieden mit meiner Leistung“, sagte der Tour-de-France-Sieger von 2012. „Wenn man 46 Sekunden zurückliegt, dann gibt es nicht viel, was man anders hätte machen können - ich habe Silber und wurde von einem besseren Fahrer geschlagen.“

Und selbst Cancellara, der am Sonntag noch das Straßenrennen als großes Ziel vor sich hat, nahm es zumindest nach außen hin gelassen, dass er Silber erst auf den letzten Metern an den bei allen Zwischenzeiten noch hinter ihm platzierten Wiggins abgeben musste. „Es war ein hartes Rennen auf einem Kurs, der mir zum Ende hin einfach auch nicht so gut gelegen hat“, sagte der vierfache Zeitfahr-Weltmeister. „Meiner Meinung nach habe ich eine Medaille gewonnen, nicht verloren.“

Die beiden anderen deutschen Starter, die sich vor dem Rennen Hoffnungen auf eine Top-Ten-Platzierung gemacht hatten, reisten nach dem Rennen weniger glücklich als ihr Landsmann Martin zurück ins Teamhotel. Der Weltmeister von 2008, Bert Grabsch wurde mit 3:41 Minuten Rückstand Zwanzigster, Patrick Gretsch landete, nachdem er bei Kilometer 40 gestürzt war, 5:14 Minuten hinter Martin auf Platz 38.

Weiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößernWeiteres Foto - mit Klick vergrößern

Mehr Informationen zu diesem Thema

02.10.2013WM: Auch dänisches Team Opfer von Fahrraddieben

(rsn) - Bei der Straßen-WM in Florenz haben Fahrraddiebe erneut zugeschlagen. Wie das dänische Team meldete, wurden ihm nach Ende der Titelkämpfe insgesamt 30 Rahmen und 50 Paar Laufräder gestohle

01.10.2013Polnisches Team kehrt ernüchtert von der WM zurück

(rsn) – Aus der Traum für die polnische Nationalmannschaft von einer Medaille bei den Straßenweltmeisterschaften in Florenz. Auf den Weg in die Toskana begaben sich die Polen mit insgesamt 29 Fahr

30.09.2013Bei den Attacken der Kletterer musste Gilbert passen

(rsn) – Obwohl er seit seinem WM-Triumph von Valkenburg fast ein Jahr ohne Sieg geblieben war, hätte Philippe Gilbert das Regenbogentrikot – auf dem ja bekanntlich ein Fluch lasten soll – nur z

30.09.2013Froome, Wiggins und Co. die große Enttäuschung im Straßenrennen

(rsn) - Als sich das Fahrerfeld bei der 80. Straßen-WM in Lucca in Bewegung setzte, um die 272 Kilometer in Richtung Ziellinie am Nelson Mandela Forum in Angriff zu nehmen, regnete es sprichwörtli

30.09.2013Denifl: Büroklammer verhinderte mögliche Top-Platzierung bei WM

(rsn) - Der Auftritt der Österreicher am Sonntag im WM-Straßenrennen war von vielen Stürzen überschattet. So kamen mit Riccardo Zoidl, der sich eine Adduktorenverletzung zuzog, Bernhard Eisel, Ste

30.09.2013Rodriguez und Valverde spielten ihr Spiel (fast) perfekt

(rsn) - Vor dem Straßenrennen der Weltmeisterschaften schaute alles auf Lokal-Matador Vincenzo Nibali. Der Italiener war der meistgenannte Favorit und musste mit riesigem Druck umgehen. Für Alejandr

30.09.2013Moster: „Eine Weltmeisterschaft mit Licht und Schatten“

(rsn) – „Licht und Schatten“ – so lautet die Bilanz des Bundes Deutscher Radfahrer nach dem letzten von zwölf Wettbewerben der Straßen-WM von Florenz. Der Freiburger Simon Geschke belegte i

29.09.2013Geschkes Ergebnis der Lohn für starke Teamleistung

(rsn) - Auch wenn der WM-Titel letztlich unter den Bergfahrern ausgemacht wurde und mit Dominik Nerz der stärkste Kletterer des Teams früh ausgeschieden war, konnte die deutsche Nationalmannschaft

29.09.2013Huzarski: 240 Kilometer im Dauerregen auf der Flucht

(rsn) - Im Grunde gibt es nur zwei Sorten von Rennfahrern. Die einen hassen es, im Regen zu fahren, den anderen sind die während des Rennens herrschenden Wetterbedingungen egal. Konstant rufen sie ih

29.09.2013Cancellara: „Das Resultat ist eigentlich fast sekundär"

(rsn) – Im WM-Straßenrennen von Florenz wurde es für Fabian Cancellara nichts mit der erhofften Medaille. Nach 272,5 schweren Kilometern von Lucca nach Florenz belegte der Schweizer, der im Zeitfa

29.09.2013Rui Costa zeigt beim Pokerspiel von Florenz die besten Nerven

Florenz (rsn/dpa) - Rui Costa war der große Profiteur des Pokerspiels der Favoriten in Florenz. Der 26 Jährige holte überraschend als erster Portugiese den WM-Titel auf der Straße und stürzt

29.09.2013Rui Costa wird als erster Portugiese Straßen-Weltmeister

(rsn) – Rui Costa hat für den ersten Sieg eines Portugiesen in einem WM-Straßenrennen gesorgt. Der 27-Jährige verwies am Sonntag in einem packenden Sprintduell nach 272 Kilometern von Lucca nach

Weitere Radsportnachrichten

24.11.2025Ex-Profis Bettini und Pozzato sprechen sich für Ticket-System aus

(rsn) – Die mögliche Einführung von bezahlpflichtigen Zonen für Zuschauer am Streckenrand von Radrennen, vor allem an Schlüsselstellen im Streckenverlauf, hat in den letzten Tagen neue Für- und

24.11.2025Tony Martins Erfolgsstory begann in Mamas Radklamotten

(rsn) - Von der "Idiotenrunde" zur Tour de France und zu vier Goldmedaillen im WM-Zeitfahren - diese Geschichte beschreibt Tony Martin in seiner Dokumentation "Panzerwagen, Reise zum Weltmeister". D

24.11.2025Belgischer Radsportler des Jahres: Evenepoel zieht mit Museeuw gleich

(rsn) - Merhawi Kudus (Burgos - Burpellet - BH) ist afrikanischer Meister im Straßenrennen. Der 31 Jahre alte Eritreer sicherte sich den kontinentalen Titel zum ersten Mal in seiner Karriere. Bei den

24.11.2025Knie, Krankheit, Katastrophe? Ein kompliziertes Jahr mit Lichtblicken

(rsn) – Vor einem Jahr war Georg Steinhauser (EF Education – EasyPost) einer der großen Hoffnungsträger des deutschen Radsports. Sein Etappensieg als Ausreißer am Passo Brocon beim Giro d’It

24.11.2025Guernalec nächstes Opfer eines schweren Trainingsunfalls

(rsn) – Erneut wurde ein Radprofi während des Trainings Opfer eines schweren Unfalls. Thibault Guernalec wurde von einem Auto angefahren. Der 28 Jahre alte Franzose trug Frakturen an den Lendenwirb

24.11.2025Anstoß Remco: Evenepoel eröffnet Liga-Spiel in Belgien

(rsn) - Die fußballerischen Wurzeln von Remco Evenepoel sind wohlbekannt, der Belgier spielte in seiner Jugend für den RSC Anderlecht und die belgische Junioren-Nationalmannschaft, auch ein Profiver

24.11.2025Schritt nach Belgien und erster Sieg ermöglichten Profivertrag

(rsn) – Nach zwei Jahren im vertraut-familiären Umfeld des rad-net-Teams, das von seinem Vater Ulrich Müller geleitet wurde, hat sich Tobias Müller in der Saison 2025 bei Wanty – Nippo – ReUz

24.11.2025Giro-Zweiter Chaves beendet lange Karriere, Cavallar wechselt zu “Dreamteam“

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

23.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

23.11.2025Sensationell Straßenmeister und die Nummer 1 auf der Bahn

(rsn) - 2025 war ein Jahr, das dem Tim Wafler in Erinnerung bleiben wird. Überraschend gewann der Österreicher auf flachen Kurs die Nationalen Straßenmeisterschaften, wobei er als Kontinentalfahrer

23.11.2025Nys macht’s in Tabor im Stil von van der Poel

(rsn) – Er schien beim Weltcup-Auftakt in Tabor über einen Gang mehr zu verfügen als die Konkurrenz: Als Thibau Nys (Baloise – Glowi Lions) Ernst machte, konnte keiner seiner Gegner folgen. Der

23.11.2025Brand egalisiert mit Sieg in Tabor den Vos-Rekord

(rsn) - Lucinda Brand (Baloise – Glowi Lions) hat den Weltcup-Auftakt in Tabor gewonnen. Die Niederländerin bestimmte gemeinsam mit Sara Casasola (Crelan – Corendon) und deren Teamkollegin Inge v

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)