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08.08.2007 | (Ra) – Bei der am Freitag beginnenden Deutschland Tour wird das scheinbar unendliche Thema Doping wieder mindestens genauso sehr im Mittelpunkt stehen wie die sportlichen Ereignisse. Im Interview mit Radsport aktiv spricht D-Tour-Chef Kai Rapp über verschärfte Dopingkontrollen, erklärt die kurzfristige Ausladung des österreichischen Elk Haus-Teams und warum er damit rechnet, dass es auch bei der D-Tour Dopingfälle geben könnte.
Herr Rapp, wie viele Steine sind Ihnen vom Herzen gefallen, nachdem sich die ARD dazu durchgerungen hat, die Deutschland Tour live zu übertragen?
Rapp: Wir haben eigentlich immer an die Vertragstreue der ARD geglaubt, zumal wir uns als sehr kooperativen Partner sehen.
Wäre eine Nichtübertragung das Ende der Deutschland Tour gewesen?
Rapp: Nein, nicht zwangsläufig.
Die ARD hat angekündigt, wieder das Thema Doping zum Schwerpunkt der Berichterstattung zu machen. Was halten Sie von dieser Entscheidung?
Rapp: Ich sehe das Sendekonzept nicht als Kompromiss, sondern angesichts der zutage gekommenen Probleme als die derzeit einzig mögliche Übertragungsform an. Allerdings nicht nur im Radsport, sondern im gesamten Leistungssport. Mit der ARD übt erstmals ein wichtiges Glied der „Wertschöpfungskette“ Druck aus. Aus unserer Sicht mir einer gewissen Berechtigung, denn die ARD ist einfach unzufrieden mit dem Produkt, das sie Ihren Kunden (Werbekunden und Zuschauern) nicht mehr anbieten möchte, weil es in der bestehenden Form schwer verkäuflich ist.
Das Team Astana hat der D-Tour den Gefallen getan, sich im August eine Rennpause zu nehmen. Bekommen Sie bei einem Team wie Discovery Channel, das mit Alberto Contador, Allan Davis und Sergio Paulinho immerhin drei Fahrer unter Vertrag hat, die auf der Fuentes-Liste stehen, nicht Bauchschmerzen?
Rapp: Es wird immer von der Fuentes-Liste und den auf ihr befindlichen Fahrern gesprochen, um das Übel zu personifizieren. Darum geht es zwar auch, aber aus meiner Sicht ist es viel wichtiger, die richtigen Rückschlüsse aus der Affäre zu ziehen. Discovery hat leider den einzigen Rückschluss gezogen, dass man einige Fahrer zu günstigeren Konditionen einkaufen konnte. Für die Deutschland Tour hat das Team allerdings unserer Bitte entsprochen, die Vorgaben des Ethik-Codes einzuhalten und keine mutmaßlichen Fuentes-Kunden zu nominieren. Das fanden wir fair.
Auch das österreichische Elk-Haus-Team sollte dabei sein. Nun ist das Team ausgeladen worden. Wäre es nicht glaubwürdiger gewesen, die Wildcard an eine andere Mannschaft zu vergeben?
Rapp: Im Nachhinein muss ich konstatieren, dass wir uns viel Stress hätten ersparen können. Die Vergabe einer Wildcard ist grundsätzlich mit Risiken und viel Arbeit behaftet. Das liegt einfach daran, dass für diese Teams die Kriterien der Pro-Teams gelten, die den Wildcard-Teams mitunter gar nicht bekannt sind, weil sie nicht der IPCT, der Vereinigung der ProTour Teams angehören. Bei den Meetings der IPCT werden viele Dinge übergreifend geregelt, so dass sich die ProTour-Veranstalter auf ihre eigenen Aufgaben beschränken können. Die Unterzeichnung des Ethik-Codes, der internen Regelung der Pro Teams, sowie deren Modifikation, die DNA-Abgabe usw. wird zentral durch die IPCT geprüft und uns Veranstaltern mitgeteilt. Das ist durch einige Telefonate erledigt. Ganz anders verhält es sich bei den Wildcard-Teams, die der Riege der Professional Continental-Teams entstammen. An dieser Stelle zeigt sich die Qualität des Managements oder auch einfach nur die Höhe des zur Verfügung stehenden Budgets für Sekretariatsaufgaben. Wenn das Professional Continental-Team nicht eigeninitiativ tätig wird, muss der ProTour-Veranstalter alles erklären und vorbereiten, denn die Konsequenzen der Nichteinhaltung der Kriterien seitens der Wildcard-Teams liegen schließlich bei ihm.
Unser Vorwurf an das Team Elk-Simplon war und ist, dass weder die offizielle Teilnahmevereinbarung fristgemäß zugesendet wurde, noch eine einzige Ehrenerklärung vorlag. Da fühlen sich die übrigen Teilnehmer der ProTour-Serie ganz schnell nicht mehr ernst genommen und genauso schnell ergibt sich die Situation, dass von höchster Stelle auf die Statuten gepocht wird. Das hat den Hintergrund, dass eine Gleichstellung aller an der Deutschland Tour teilnehmenden Teams gewährleistet sein muss und zwar auf ProTour-Niveau. Bei der Deutschland Tour kommt hinzu, dass die Einhaltung dieser Statuten für die ARD die Grundvoraussetzung für die Live-Übertragung ist. Am vergangenen Montag gab es eine Intendanten-Schaltkonferenz, zu der wir den aktuellen Status bzgl. unserer Anti-Doping-Maßnahmen vorgelegt haben. Da fiel auf, dass von dem Team Elk Simplon rein gar nichts vorlag. Das war auch der Punkt, an dem mir gesagt wurde, dass es definitiv nicht die Aufgabe der Deutschland Tour sein kann, die Pflichten eines Teams zu erfüllen. Letztendlich haben sich die Beiräte der Deutschland Tour vor dem Hintergrund des großen Risikos der Nichtübertragung für die Einhaltung der Statuten und damit für den Entzug der Wildcard ausgesprochen. Darüber zu mutmaßen, ob anders abgestimmt worden wäre, wenn das Team Elk-Simplon einen tadellosen Ruf gehabt hätte, sind Spekulationen, die später erst von österreichischen Zeitungen ins Spiel gebracht worden sind.
Ein Urteil darüber, dass die Ausladung erst drei Tage vor der Deutschland Tour ausgesprochen wurde, sollte man vor dem Hintergrund fällen, dass mit uns erst sechs Tage vor dem Start Kontakt aufgenommen wurde....
Die Dopingkontrollen sollen im Vergleich zur Tour "engmaschiger und effektiver" werden. Wie hat man sich das vorzustellen?
Rapp: Zunächst muss sich ein Großteil der Fahrer einem Blut-Screening zum Anfang der Deutschland-Tour unterziehen. Es gibt ergänzende Zielkontrollen inkl. des Tests auf EPO bei den Fahrern, deren Blut-Screening auffällige Ergebnisse erbracht haben. Dazu erweitern wir die Zielkontrollen nach jeder Etappe und testen in ausgewählten Zielkontrollen auch auf EPO. Und schließlich erfolgen unangekündigte Blutkontrollen vor einer Etappe. Die genau Anzahl der Test werden wir am Freitag bei der Deutschland Tour-Pressekonferenz bekannt geben.
Was passiert, wenn es bei der D-Tour einen zweiten Fall Winokurow geben sollte?
Rapp: Aus unserer Sicht passiert nichts anderes, als dass ein Fahrer weniger in Hannover ankommt und anschließend vier Jahre nicht mehr professionell Radsport betreiben kann. Man müsste es bei den oben aufgeführten Kontrollen fast schon als Misserfolg bezeichnen, wenn keiner der Unbelehrbaren, die es zweifelsfrei immer noch gibt, über die Kontrollen stolpern sollte. Dieses Jahr soll und muss aussortiert werden. Was die Medien aus einem solchen Fall machen, ist eine andere Sache.
Die Etappen der diesjährigen Auflage sind relativ kurz. Ist das auch eine Reaktion auf die Kritik an zu langen und zu schweren Etappen, die angeblich Doping provozieren würden?
Rapp: Sicherlich müssen sich die Veranstalter bei dem Thema auch selbst hinterfragen und Konzessionen eingehen.
Wo liegt für Sie in rein sportlicher Hinsicht der Reiz an der diesjährigen D-Tour?
Rapp: Das sind in jedem Fall das Mannschaftszeitfahren und der Anstieg zum Rettenbachferner. Aber auch die Schwarzwald-Etappe und des Einzelzeitfahren in Fürth werden den Fahrern alles abverlangen.
Wer sind Ihre Favoriten auf den Gesamtsieg?
Rapp: Gerdemann hat gute Chancen, wenn er sich nach der Tour der France ausreichend regenerieren konnte. Hincapie, Andy Schleck, Bobby Julich und Bernhard Kohl werden sicherlich ein Wörtchen mitreden. Klar ist, dass Jens Voigt sein Gelbes Trikot vom letzten Jahr nicht freiwillig ausziehen wird. Bei den Sprints und Zeitfahren wird es dieses Jahr besonders heiß hergehen, denn es sind sehr viele gute Spezialisten am Start.
Im letzten Jahr haben Sie Jens Voigt als ihren „Wunschsieger“ bezeichnet. Wer nimmt diese Rolle in diesem Jahr ein?
Rapp: Jens Voigt wäre auch dieses Jahr wieder ein Wunschsieger. Das Wort „Wunschsieger“ beinhaltet auch den Plural. Das gibt mir die Möglichkeit, mir auch andere Fahrer im Gelben Trikot vorstellen zu dürfen.
Die Neue Zürcher Zeitung behauptet, gestützt auf Untersuchungen des Lausanner Antidoping-Labors, dass bei der Tour de France 75 % aller Fahrer ungedopt gewesen seien. Sähen Sie einen solchen Wert auch bei der D-Tour bereits als einen Erfolg im Antidopingkampf an?
Rapp: Wenn das tatsächlich ein ernstzunehmender Wert ist, dann ist das für eine Tour de France schon als ein sehr großer Erfolg zu werten. Die Voraussetzungen für die Fahrer bei der Deutschland Tour sind komplett anders und daher auch gar nicht vergleichbar. Vor dem Hintergrund, dass den Fahrern bewusst ist, hier in Deutschland in der Höhle des Löwen zu sein, müsste dieser Prozentsatz weitaus höher liegen.
Gab es in den letzten skandalträchtigen Monaten einen Moment, in dem Sie am liebsten alles hingeworfen hätten?
Rapp: Es gab tatsächlich einen Moment, bei dem ich an dem Sinn dieser ganzen Selbstaufopferung gezweifelt habe. Das war die Situation im letzten Jahr, als die UCI die Deutschland Tour auf den Geburtstag meines jüngsten Sohnes gelegt hat. Der Gedanke, an diesem Tag auf dem Rettenbachferner zu stehen, macht mich fertig.
Mit Kai Rapp sprach Matthias Seng
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