Interview

Gerdemann: Ich habe mich weiterentwickelt

21.11.2006  |  - Zu Beginn des Jahres war Linus Gerdemann noch ein Talent, das bei T-Mobile behutsam aufgebaut werden sollte. Nach der Entlassung von Jan Ullrich übernahm der 24-jährige Kölner schneller, als zu erwarten war, eine Führungsrolle im Team. Obwohl in seiner ersten Saison in Magenta kein Sieg heraus sprang, ist Gerdemann mit dem Jahr zufrieden: „Ich habe in meiner Entwicklung zu einem guten Rundfahrer große Fortschritte gemacht“, bilanziert er im Gespräch mit Radsport aktiv.

Man sagt, das zweite Profijahr sei schwieriger als das erste. War das bei Ihnen auch so?

Gerdemann: Nicht unbedingt. Die Erwartungshaltung war eben größer als im letzten Jahr. Aber alles in allem bin ich zufrieden. Ich wollte mich in meiner ersten Saison bei T-Mobile weiterentwickeln, und das ist mir gelungen.

Weiterentwickeln in welche Richtung?

Gerdemann: Ich möchte ein guter Rundfahrer werden, und da habe ich in diesem Jahr große Fortschritte gemacht. Bei der Tour de Suisse bin ich Siebter geworden, obwohl ich in erster Linie Helferdienste für Jan Ullrich geleistet habe. Wenn ich auf eigene Rechnung hätte fahren können, hätte ich zwischenzeitlich sogar in das Gelbe Trikot schlüpfen können. Außerdem bin ich bei der schweren Katalonien-Rundfahrt Sechster geworden und habe dort auch im Hochgebirge gute Leistungen gezeigt. Das macht mich sehr optimistisch für die Zukunft.

Ärgert es Sie sehr, dass es zu keinem Sieg gelangt hat?

Gerdemann: Definitiv nicht. Es ist ja auch nicht so, dass ich gar keine Chancen auf einen Sieg gehabt hätte. Ich bin ein paar Mal in dieser Saison nur knapp daran vorbei geschrammt. Bei der Deutschland-Tour etwa haben mir nur zwei Hundertstel-Sekunden zum Prologsieg gefehlt. Dazu kamen einige zweite und dritte Plätze. Mit ein bisschen mehr Glück hätte ich auch das eine oder andere Mal ganz oben auf dem Treppchen stehen können. Aber das bereitet mir keine Sorgen.

Hat sich die Suspendierung und spätere Entlassung von Jan Ullrich nicht doch negativer auf das Team ausgewirkt als allgemein zugegeben?

Gerdemann: Ich möchte das nicht nur auf das Team beschränken. Der Dopingskandal war und ist eine Belastung für den Radsport ganz allgemein. Wir alle machen eine schwere Zeit durch und ich kann nur hoffen, dass sich der Radsport von diesen Schlägen erholt.

Alle 29 Fahrer haben nach Auskunft der T-Mobile-Teamleitung Verträge mit DNA-Klauseln unterschrieben. Wie stehen Sie zu einem solchen Test?

Gerdemann: Ich befürworte das absolut und unterstütze auch die Null-Toleranz-Politik meines Teams. Zudem wird ein DNA-Test ja nur im Verdachtsfall verlangt. Ich finde es völlig legitim von den Teams, so etwas von ihren Fahrern zu verlangen.

Sie fürchten nicht um Ihre Intimsphäre und um den Datenschutz?

Gerdemann: Ich habe da keine Befürchtungen und kann nur an die Vernunft meiner Kollegen appellieren. Wenn in Kriminalfällen die Bevölkerung eines Ortes gebeten wird, einen DNA-Test machen zu lassen, erklären sich auch einige tausend Leute dazu bereit. Warum sollten wir Radprofis da schlimmere Befürchtungen haben als der Rest der Bevölkerung?

Wie bereiten Sie sich auf die neue Saison vor?

Gerdemann: Ich lasse es jetzt im November ein bisschen ruhiger angehen, arbeite mehr an meiner Kraft. Im Januar 2006 war ich schon richtig gut drauf. Aber der Januar ist für einen Fahrer wie mich ein eher undankbarer Monat. Ich will diesmal schauen, dass ich etwas später in Form komme. Aber im Großen und Ganzen bereite ich mich wie im letzten Jahr vor. Ende November geht’s für eine Woche in ein Trainingslager auf Lanzarote – das ist neu. Im Dezember steht eventuell ein Skilanglauftraining auf dem Programm. Anfang Januar haben wir wieder unser Teamtrainingslager auf Mallorca.

Wie sieht Ihr Rennkalender 2007 aus?

Gerdemann: Da steht noch nichts definitiv fest. Das Team und ich haben da schon einiges angedacht, aber noch ist da nichts entschieden.

Aber die Tour de France ist ein Fixpunkt?

Gerdemann: Ja. Ich möchte gerne mein Tour-Debüt geben. Ich bin konkurrenzfähig, das habe ich in diesem Jahr bei der Tour de Suisse bewiesen. Ich traue mir auch prinzipiell zu, bei einer großen Rundfahrt Verantwortung zu übernehmen. Ob das schon im nächsten Jahr so klappen wird, muss man abwarten. Unser Kapitän wird Michael Rogers sein. Wenn er gut drauf ist, werden wir natürlich alle für ihn fahren.

Kann T-Mobile nach der Entlassung von Ullrich und dem Weggang von Klöden bei der Tour 2007 in der Gesamtwertung überhaupt eine Rolle spielen?

Gerdemann: Es stimmt, wir haben sehr gute Fahrer verloren. Trotzdem werden wir im nächsten Jahr als homogenes Team auftreten, da bin ich mir sicher. Wir werden in der Breite nicht mehr so stark besetzt sein wie in den letzten Jahren. Aber viele andere Teams wären froh, Rundfahrer wie Rogers, Sinkewitz und Gerdemann zu haben.

Mit Linus Gerdemann sprach Matthias Seng.

Mehr Informationen zu diesem Thema

28.08.2009Rapp: 2010 wohl keine Deutschland Tour

(rsn) - Nachdem ARD und ZDF in diesem Jahr doch von der Tour de France berichtet hatten, war auch die für 2009 abgesagte Deutschland Tour wieder in den Mittelpunkt von Spekulationen gerückt. Im Inte

20.08.2009"Für ganz vorne fehlte noch ein bisschen was"

(rsn) – Nach schwachem Saisonstart hat Gerald Ciolek (Milram) in den vergangenen Monaten beständig gute Leistungen gezeigt, auch wenn es bisher erst zu einem Sieg reichte. Im Interview mit Radsport

20.04.2009"Ich bin froh, dass im Radsport soviel kontrolliert wird"

(sid) - Linus Gerdemann gehört zu den deutschen Hoffnungsträgern bei der diesjährigen Tour de France. Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) spricht der Milram-Kapitän über seine F

19.03.2009"Wir sind als böse Ketzer dargestellt worden"

(sid) - Der wochenlangen Schlammschlacht folgt der Showdown im Nobelhotel: BDR-Präsident Rudolf Scharping stellt sich am Samstag auf der Bundesversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer zur Wiederwah

17.03.2009Claußmeyer: "Wir leben von unserer Stärke als Team"

(rsn) - Aus dem Continental-Team Sparkasse wurde zur neuen Saison das Team Nutrixxion Sparkasse. In Gespräch mit Radsport News erklärte Teamchef Mark Claußmeyer die Zusammensetzung des Teams, die S

04.03.2009„Letztendlich geht es immer um den Erfolg“

(rsn) – Mit neuem Hauptsponsor und einigen namhaften Neuzugängen wie Sebastian Sielder und René Haselbacher ist das österreichische Team Vorarlberg-Corratec in die neue Saison gegangen. Im Interv

26.02.2009„Kein Sieg im letzten Jahr – das hat mich gewurmt“

(rsn) – Paul Martens steht in seiner zweiten Saison beim niederländischen Rabobank-Team. Im letzten Jahr gelang dem 25-Jährigen trotz guter Leistungen kein Sieg. Das soll in dieser Saison anders w

24.02.2009„Ich habe mich als Co-Kapitän sehr wohl gefühlt“

(rsn) – Als Vierter der Andalusien-Rundfahrt zeigte Martin Velits (Milram) schon früh in der Saison sein großes Potenzial. Im Interview mit Radsport News sprach der 24-jährige Slowake über seine

13.02.2009"Schlimmer kann es nicht mehr kommen"

(rsn) - Der Australier William Walker, 2005 Vize-Weltmeister in der U23-Klasse, zählt zu den großen Talenten des Radsports. Das konnte der 23-Jährige in den letzten beiden Jahren im Rabobank-Trikot

11.02.2009"Ich will mich 2009 für höhere Weihen empfehlen"

(rsn) - Christian Müller (26) galt in seiner U23-Zeit als eines der größten deutschen Zeitfahrtalente. Nach einer guten Neo-Profi-Saison 2005 bei CSC lief in den folgenden drei Jahren nur wenig zus

07.02.2009"Wir sind eines der jüngsten Continental-Teams"

(rsn) - Das Bochumer Continental-Team Vlassenroot startet 2009 unter dem Namen Seven Stones. Im Gespräch mit Radsport News erklärt der Sportliche Leiter Lars Diemer, was hinter der Namensänderung s

05.02.2009"In Topform zu den Ardennenklassikern"

(rsn) - Robert Gesink ist das größte niederländische (Kletter-)Talent seit vielen Jahren. 2008 machte der 22-jährige Rabobank- Profi in mehreren großen Rennen mit Spitzenplatzierungen bereits von

Weitere Radsportnachrichten

14.05.2024O´Connor zieht aus Oropa-Übermut Motivation für Attacken am Berg

(rsn) – Ben O´Connor (Decathlon – AG2R) ist nach der ersten Woche des Giro d´Italia einer der aussichtsreichsten Anwärter auf einen Podestplatz in Rom. Obwohl der Australier bei der ersten Berg

14.05.2024Uijtdebroeks: “Pogacar ist eine Stufe über uns“

(rsn) – Nach dem ersten Ruhetag steht beim 107. Giro d’Italia gleich die nächste schwere Etappe ins Haus. Das zehnte Teilstück beginnt in Pompeii und endet nach nur 142 Kilometern mit der Bergan

14.05.2024Liste der ausgeschiedenen Fahrer / 10. Etappe

(rsn) - 176 Profis aus 22 Teams sind am 4. Mai zum 107. Giro d’Italia (2.UWT) angetreten, darunter auch zwölf Deutsche, vier Österreicher, zwei Schweizer und ein Luxemburger. Hier listen wir a

14.05.2024Pogacar rechnet in zweiter Giro-Hälfte mit Attacken seiner Gegner

(rsn) – Angesichts des deutlichen Vorsprungs von 2:40 Minuten auf den zweitplatzierten Daniel Martinez (Bora – hansgrohe) und in überlegener Manier herausgefahrenen drei Etappensiegen zweifelt ka

14.05.2024Kooij, Kanter, Vernon und Mayrhofer nicht mehr beim Giro dabei

(rsn) – Die Fraktion der Sprinter beim Giro d’Italia ist nach dem ersten Ruhetag um gleich drei Namen geschrumpft. Olav Kooij (Visma – Lease a Bike), Max Kanter (Astana Qazaqstan) und Ethan Vern

14.05.2024Radsport live im TV und im Ticker: Die Rennen des Tages

(rsn) – Welche Radrennen finden heute statt? Wo und wann kann man sie live im Fernsehen oder Stream verfolgen? Und wo geht´s zum Live-Ticker? In unserer Tagesvorschau informieren wir jeden Morgen

13.05.2024Bergankunft Nr. 3: Kurze Etappe, langer Schlussanstieg

(rsn / ProCycling) – Schon in der ersten Woche des 107. Giro d´Italia hat es Ausreißversuche gegeben, die von Erfolg gekrönt waren. Doch erst die 10. Etappe durch den südlichen Apennin weist ein

13.05.2024Martinez und Bora wollen nicht nur Platz 2 verteidigen

(rsn) – Sollte der Status Quo beim Giro d´Italia auch nach der Schlussetappe in Rom noch Bestand haben, so wäre man bei Bora – hansgrohe sicher zufrieden. Ein zweiter Gesamtplatz mit Kapitän Da

13.05.2024Schachmann: Etappenjäger in wichtiger Doppelfunktion

(rsn) – Maximilian Schachmann (Bora – hansgrohe) hat sich von seinem Sturz 58 Kilometer vor dem Ziel der 9. Etappe beim Giro d´Italia bereits recht gut erholt. Das bestätigte der 30-Jährige am

13.05.2024Mit Rouvy Grand-Tour-Recon im Wohnzimmer?

(rsn) - Analoge und digitale Welten verschränken sich immer mehr, auch beim Radsport. Auf besondere Weise dreht Rouvy mittlerweile die Schraube weiter. Auf der 2017 von den Brüdern Petr und Jiri Sam

13.05.2024Erholter Démare kehrt in Dünkirchen ins Feld zurück

(rsn) – Nachdem er aufgrund von Erschöpfungserscheinungen seine Klassikerkampagne bereits nach Gent-Wevelgem am 27. März hatte beenden müssen, kehrt Arnaud Démare (Arkéa - B&B Hotels) in seiner

13.05.2024Thomas kritisiert Neapels Straßen: “War ein absolutes Gemetzel“

(rsn) – Ein astreiner Massensprint und breite Straßen auf den letzten Kilometern: Auf den ersten Blick war das Finale der 9. Etappe beim Giro d´Italia in Neapel nichts Besonderes. Doch im Peloton

RADRENNEN HEUTE

    WorldTour

  • Giro d´Italia (2.UWT, ITA)
  • Radrennen Männer

  • Tour d´Algérie (2.2, DZA)