Robert Müllers Ghana-Tagebuch

Pannen, Chaos und am Ende ein Trikotregen

Von Robert Müller Arthur Lenné

Foto zu dem Text "Pannen, Chaos und am Ende ein Trikotregen"
Ein Podium voller Erfolge: Basti Dietl feiert seinen Etappensieg und eine beeindruckende Trikot-Sammlung. | Foto: Robert Müller

19.11.2025  |  (rsn) - Robert Müller ist wieder auf Achse. Wer seine Berichte aus den unterschiedlichsten Ecken der Radsport-Welt – von Südamerika bis Asien – kennt, weiß: Wenn "Radbert" unterwegs ist, wird es nie langweilig. Diesmal hat es ihn nach Westafrika zur Tour du Ghana verschlagen. In seinem Tagebuch lässt Müller die RSN-Leserinnen und -Leser an seiner Reise teilhaben.

Hier ist sein Bericht vom zweiten und dritten Tag, beide von Warten, Chaos und einem überraschenden Sieg geprägt.


Tag 3: Warten, Pannen und ein endloser Transfer

Am dritten Tag der Rundfahrt, nach dem sehr kurzen Prolog und einem Ruhetag, sollte es endlich mit der 1. Etappe losgehen. Am Ruhetag sind wir eine 100 Kilometer-Runde in den Norden gefahren, wo weniger Verkehr herrscht als rund um Accra. Auf dem Rückweg haben wir leider eine sehr schlammige Schotterstraße erwischt und uns sowie die Räder komplett eingesaut.

Vor der 1. Etappe sollte es einen Transfer von 50 Kilometer zum Start geben und unsere Sachen sollten um 8 Uhr am Hotel abgeholt werden. Wir wussten, dass das natürlich nicht pünktlich passieren würde und so begann nach dem spärlichen Frühstück die Warterei. Gegen 12 Uhr erschien endlich ein Kleinbus und wir konnten unser Gepäck verladen.

Doch wir kamen nur drei Kilometer weit, denn am nahen Stadion war der Sammelpunkt für den ganzen Rundfahrttross. Die Teamautos mit einheimischen Fahrern standen bereit, aber die großen Busse und der LKW für die Räder waren noch nicht da, also hieß es wieder warten. Die Etappe war mittlerweile von ursprünglich geplanten 114 auf 60 Kilometer gekürzt worden, wobei wir bis 20 Kilometer vor dem Ziel zusammen bleiben und erst dann attackieren sollten.

Auf Nachfrage, wo das Problem genau liege, wurde behauptet, dass der LKW für die Räder schon einmal da gewesen war, aber wieder weggeschickt worden wäre. Als allmählich klar wurde, dass uns die Zeit davon läuft, wurde die Etappe erst auf 20 Kilometer gekürzt und schließlich komplett abgesagt. Also gab es schon den zweiten ungeplanten Ruhetag nacheinander und wir konnten nicht einmal auf die Räder gehen. Die ersten Fahrer begannen aus Frust daraufhin Bier zu trinken.

Gegen 15:30 Uhr erschien endlich ein LKW von DHL, aber es stellte sich heraus, dass nicht genug Platz in den Bussen war. Also mussten wir uns auf die Teamfahrzeuge aufteilen und ich fuhr bei Team Ghana mit. Endlich fuhren wir los, doch hielten schon nach drei Minuten wieder an der ersten Tankstelle, weil vorher natürlich keine Zeit gewesen war, um alle Fahrzeuge aufzutanken.

Der Transfer dauerte schlussendlich quälend lange fünfeinhalb Stunden, weil wir immer wieder anhielten, im Stau standen und an einem der Busse ein abgefahrener Reifen platzte und gewechselt werden musste. Am Ziel im Ort Ho angekommen, wurde alles im Ortszentrum vom LKW geladen und wir mussten selbst den Weg zum Hotel finden.

Dort kamen wir erst 23 Uhr ziemlich fertig an, obwohl wir den ganzen Tag nichts gemacht hatten. Ob und wann es am nächsten Tag endlich die 1. Etappe geben würde, wusste natürlich noch niemand. Die Devise war wie immer, abwarten und Milo (Kakao) trinken. Auf jeden Fall haben wir somit in den ersten drei Tagen schon die volle Afrika-Erfahrung gemacht.

Warten auf den Startschuss: Die Tour du Ghana forderte den Fahrern schon vor dem Rennen einiges ab. | Foto: Robert Müller

 

Tag 4: Endlich ein Rennen – und ein Sieg im Trikot-Chaos

Hallo aus Ho in der schönen Volta-Region am mittlerweile vierten Tag der Tour du Ghana. Nach dem Prolog und zwei Ruhetagen wegen abgesagter Etappen sollte nun endlich die 1. Etappe über die Bühne gehen. Nach dem diesmal reichhaltigen Frühstück gab es noch immer keine genauen Informationen über das Rennen. Mittgeteilt wurde uns nur, dass es um 10 Uhr im Ortszentrum losgehen sollte und wir radelten zum Start.

Natürlich stellte sich dort wie erwartet heraus, dass sich der Start um unbestimmte Zeit verzögern würde. Zunächst wurde bekannt gegeben, dass der Prolog nicht für die Gesamtwertung zählt und die Rundfahrt bei Null beginnt. Die Etappe sollte 40 Kilometer in eine Richtung führen und dann über dieselbe  Strecke wieder zurück. Die Sprint- und Bergwertungen sollten unterwegs durch Fahnen gekennzeichnet sein.

Mit nur zwei Stunden Verspätung fuhren wir um 12 Uhr mittags endlich los. Direkt nach dem Start ging es in den ersten Anstieg hinein und es wurde sofort Vollgas attackiert. Das mit rund. 60 Fahrern überschaubare Feld teilte sich daraufhin in zwei Hälften und wir hatten vier Mann vorne dabei. Ich selbst tat mir sehr schwer und war zunächst froh, dass ich überhaupt im zweiten Teil des Feldes mitfahren konnte.

Vor der Wende gab es dann einen langen und steilen Anstieg und alles zerfiel in kleine Gruppen. Ein Fahrer neben mir konnte nicht aufs kleine Blatt schalten und wuchtete sich mit der Scheibe nach oben. Bei einem Anderen krachten die Gänge und die Kette rutschte über die vermutlich abgefahrenen Ritzel. Es gibt hier einige Fahrer mit sehr altem und schlechten Material.

In der kurvigen und holprigen Abfahrt erwischte der Fahrer vor mir eine Rechtskurve nicht und machte einen ungewollten Ausflug in die Botanik. Außerdem kam uns fließender Verkehr entgegen, denn die Strecke war nur rudimentär abgesperrt. Wer mir auch entgegen kam, war mein Teamkollege Basti Dietl, der nach der Wende am Fuße des Berges schon auf dem Rückweg war und alleine in Führung lag.

Er meinte danach, dass er gar nicht attackiert hätte, aber einfach niemand am Anstieg sein Hinterrad halten konnte. Kontinuierlich baute er seinen Vorsprung aus, doch als er wieder in den Zielort kam, wurde er vom Führungsfahrzeug falsch geleitet. Bis er den Fehler bemerkte und umdrehte, waren schon einige Konkurrenten an ihm vorbei und ins Ziel gefahren.

Die Kommissäre sprachen ihm jedoch sogleich den Sieg vor einem Holländer und einem Burkinabé zu und auch einen realistischen Vorsprung von knapp zweieinhalb Minuten. Ich kam irgendwo mittendrin an mit einem Rückstand, den ich mangels Ergebnisliste noch nicht kenne, der mir aber auch egal ist. Bei der Siegerehrung vor einem Sponsorenbanner, das die ganze Zeit von zwei Leuten in die Höhe gehalten wurde, wurden Basti neben drei T-Shirts nicht weniger als sechs verschiedene Wertungstrikots überreicht: Tageswertung, Gesamtwertung, Punktewertung, Bergwertung, Zwischensprintwertung und bester Ausreißer.

Somit war die 1. Etappe für uns ein voller Erfolg und die Stimmung ist dementsprechend hervorragend. Wie es morgen weiter geht, wissen wir noch nicht, allerdings sind wir zuversichtlich, dass es zu einem Rennen kommen wird.

Bis bald
Gez. Sportfreund Radbert

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