Bei Visma Realismus und Hoffnung in gleichem Maße

Vingegaard: “Die Tour ist alles andere als vorbei“

Von Felix Mattis

Foto zu dem Text "Vingegaard: “Die Tour ist alles andere als vorbei“"
Jonas Vingegaard im Ziel des Bergzeitfahrens von Peyragudes. | Foto: Cor Vos

19.07.2025  |  (rsn) – Die Platzziffern waren dieselben, wie am Vortag in Hautacam. Doch das Auftreten und die Stimmung von Jonas Vingegaard (Visma – Lease a Bike) unterschieden sich nach der zweiten Niederlage gegen Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) innerhalb von 24 Stunden deutlich. Nachdem der Däne im Ziel der ersten Pyrenäen-Bergankunft nicht mit Reportern sprechen wollte und zutiefst enttäuscht war, gewann er am Altiport in Peyragudes sein Lächeln und seine Lockerheit zurück.

Obwohl der Däne im 10,9 Kilometer langen Bergzeitfahren am Col de Peyresourde noch einmal 36 Sekunden auf Pogacar eingebüßt hatte und sich sein Rückstand in der Gesamtwertung auf beachtliche 4:07 Minuten vergrößerte – weit mehr als zum selben Zeitpunkt bei der Tour 2024, die der Slowene dann aber mit mächtigen 6:17 Minuten Vorsprung gewann – schöpfte er aus der 13. Etappe am Freitag neue Hoffnung.

"Heute war ich wieder auf meinem alten Niveau", freute sich Vingegaard am Eurosport-Mikrofon. "Ich glaube immer noch an mich und werde es weiter versuchen. So zurückzukommen wie heute, ist sehr schön. Damit sind wir superhappy!"

Kuss: "Es kommen noch viele Schlüsselmomente"

Niemand bei Visma – Lease a Bike leugnet nach 13 Tagen Tour de France, wie die faktische Situation aussieht. Der große Rückstand auf Pogacar und dessen bisherige Überlegenheit in den langen Anstiegen sind zu offensichtlich.

Doch Berghelfer Sepp Kuss erklärte: "Man muss positiv bleiben, sonst hätten wir nach der Dauphiné hier gar nicht starten müssen. Man muss daran glauben. Jeder im Rennen glaubt an seine Chancen, es ist alles relativ. Wir haben eine gute Zeit zusammen am Esstisch, der Vibe ist gut, und wir wissen aus Erfahrung, dass noch viele Schlüsselmomente und Etappen kommen. Der Rückstand ist definitiv groß, und man könnte sagen, es ist vorbei. Aber das ist Radsport, alles kann passieren."

Das Team Visma – Lease a Bike fährt als Mannschaft bislang eine starke Tour und versucht alles, um Pogacar und seine UAE-Mannen unter Druck zu setzen. Nicht umsonst führen die Schwarzgelben die Mannschaftswertung nach 13 Tagen mit 18:21 Minuten Vorsprung auf UAE an.

Taktische Varianz im eigenen Team verloren

"Die Idee gestern war, Pogacar schon am Soulor zu isolieren. Und wenn wir alle einen superguten Tag gehabt hätten, hätten wir dort sicher einigen Schaden anrichten können", blickte Kuss auf den Donnerstag in Richtung Hautacam zurück. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Visma am Col du Soulor auf einem guten Weg war, das Ziel der Pogacar-Isolation zu erreichen. Das von Kuss und Simon Yates angeschlagene Tempo tat vielen sehr weh, und wenn man das weiter durchgezogen hätte, vielleicht wären auch Adam Yates und Jhonatan Narvaez tatsächlich noch zurückgefallen. Doch bevor es dazu kommen konnte, litt der eigene Co-Kapitän Matteo Jorgenson und man brach die Aktion ab.

Die Tatsache, dass der US-Amerikaner in Hautacam viele Minuten verlor, ist ein großes Problem für seine Mannschaft. Denn auch wenn auch er im Zeitfahren wiedererstarkt auftrat, so gilt nun: Selbst wenn man es in den kommenden Tagen schaffen sollte, Pogacar zu isolieren, müsste Vingegaard den Slowenen schließlich im Duell Mann gegen Mann schlagen. Bis zum Donnerstagnachmittag hatte man noch die Möglichkeit, ihn in einer solchen Situation abwechselnd zu attackieren, weil er dann auch Jorgenson hätte nachfahren müssen. Dieser Joker ist verspielt.

Größte Hoffnung: Ein schwacher Tag von Pogacar

Nun muss Visma für die 'Mission Impossible', Pogacar zu schlagen, vor allem wohl auf einen schwarzen Tag des Slowenen hoffen. Andernfalls, das ist allen klar, dürfte der Tour-Sieg an den Weltmeister gehen. "Wir wollten heute sehen, wie sie gegeneinander bei einem 20-Minuten-Effort aussehen und jetzt werden wir unsere Pläne machen", sagte Jorgenson nach dem Einzelzeitfahren, in dem er von seinem Kapitän "sehr beeindruckt" war, auch wenn man vom 20-Minuten-Duell die Rückmeldung bekommen hatte, dass auch das an Pogacar ging.

"Jonas kann sich noch steigern", sagte Sportdirektor Grischa Niermann zu Wielerflits und versprühte mit diesem ersten Satz Optimismus. Dann aber kam auch zu ihm der Realismus zurück: "Er ist Zweiter hinter dem besten Fahrer aller Zeiten. Das war's erstmal. Wir glauben weiter daran und träumen, wir geben nicht auf. Aber die Wahrheit ist: Vier Minuten aufzuholen, das ist schwer."

Kreativität im Zusammenspiel mit der Konkurrenz?

Schwierig ist, dass man bei Visma nicht weiß, wo die Probleme von Jorgenson und Vingegaard in Richtung Hautacam herkamen. Zumindest sagt man das nach außen. "Ich glaube nicht, dass die Hitze gestern der Grund war. Momentan habe ich keine Antwort darauf. Ich weiß nicht, was es war. Ich hatte jetzt schon zwei schlechte Tage und normalerweise passiert mir das nicht", meinte Vingegaard nach dem Einzelzeitfahren in Peyragudes.

"Wir müssen es einfach weiter probieren, und weiter daran glauben, dass wir etwas ausrichten können im Rennen. Das ganze Team ist unglaublich stark und wir müssen es in den kommenden Tagen zeigen", so der Däne weiter. "Die Tour ist alles andere als vorbei."

Vielleicht liegt die Chance für Vingegaard in einer Aussage seines Sportdirektors von vor einigen Tagen. Da meinte Niermann nämlich, dass es egal sei, ob man Zweiter, Dritter oder Vierter werde - es gehe für seinen Kapitän nur um den Sieg. Angst vor einer krachenden Niederlage sollte man also nicht haben. Und vielleicht eröffnet dieser Gedanke im Zusammenspiel mit anderen Kontrahenten tatsächlich auch noch ganz neue, kreative taktische Perspektiven.

Mehr Informationen zu diesem Thema

12.11.2025Arensman: “Letztendlich ist Radsport nur eine Nebensache“

(rsn) – Bei der vergangenen Tour de France feierte Thymen Arensman (Ineos Grenadiers) die bisher größten Erfolge seiner Karriere. Aber nicht die auf der 14. Und 19. Etappe eindrucksvoll herausgef

04.11.2025Wellens erzählt von Pogacars Knieproblemen bei der Tour

(rsn) – Tim Wellens hat in einem Interview mit der französischen Sporttageszeitung L´Equipe konkreter über die Schwierigkeiten von Teamkollege Tadej Pogacar in der Schlusswoche der Tour de France

11.08.2025Gianetti: “Pogacar zu sein ist schön, aber nicht einfach“

(rsn) – Mauro Gianetti, der Teamchef von UAE – Emirates – XRG hat sich zum kommenden Rennkalender und zum Vuelta-Verzicht von Tadej Pogacar geäußert. Am Ende der Tour de Pologne sagte er gege

03.08.2025Liste der ausgeschiedenen Fahrerinnen / 9. Etappe

(rsn) - 154 Profis aus 22 Teams sind am 26. Juli im westfranzzösischen Vannes zur 4. Tour de Frances Femmes (2.WWT) angetreten, darunter sieben Deutsche, sechs Schweizerinnen und drei Österreicheri

31.07.2025Pogacar “langweilte“ sich in der zweiten Hälfte der Tour

(rsn) – Neben dem Gelben und dem Gepunkteten Trikot sicherte sich Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) bei der Tour de France 2025 vier Etappensiege. Den letzten davon feierte der Slowene ab

30.07.2025Häuslicher Unfall: Vauquelin bricht sich den Knöchel

(rsn) – Spätestens mit seinem siebten Platz bei der 112. Tour de France hat Kevin Vauquelin (Arkéa – B&B Hotels) auch international seinen Bekanntheitsgrad deutlich erhöht. Die Freude über das

29.07.2025Zwei Tage nach der Tour: Aldag verlässt Red Bull - Bora - hansgrohe

(rsn) – Rolf Aldag und Red Bull – Bora – hansgrohe gehen ab sofort getrennte Wege. Das kündigte der deutsche WorldTour-Rennstall überraschend zwei Tage nach Ende der Tour de France an, bei der

28.07.2025Lipowitz: “Manchmal ist der Sportchef nicht glücklich mit mir“

(rsn) - Nur Florian Lipowitz (Red Bull – Bora – hansgrohe) konnte in den Bergen der Tour de France ansatzweise mit Tour-de-France-Sieger Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) und dem Zweitplat

28.07.2025Im Überblick: Alle Gelbe Karten bei der 112. Tour de France

(rsn) – Drei Tage hat es gedauert, bis die UCI-Jury bei der Tour de France 2025 zum ersten Mal hart durchgegriffen und Gelbe Karten verteilt hat: Im Sturzchaos von Dünkirchen bestraften die Kommiss

28.07.2025Angst, natürlicher Schwund und finanzielle Ungleichheit

(rsn) – Die Tinte in den Radsport-Geschichtsbüchern ist gerade erst getrocknet: Tadej Pogacar (UAE – Emirates – XRG) hat bei der Tour de France 2025 im direkten Duell mit seinem großen Widersa

28.07.2025Vingegaards “merkwürdige Tour“ endet auf Platz zwei

(rsn) – Das große Ziel hat Visma – Lease a Bike bei dieser Tour de France verfehlt. Jonas Vingegaard musste in Paris mit der zweiten Stufe auf dem Podium vorliebnehmen, der ewige Rivale Tadej Po

28.07.2025Montmartre wirklich einmalig? Prudhomme zieht Tourmalet-Vergleiche

(rsn) – Es sollte etwas Besonderes werden. Immerhin gab es ja auch einen runden Geburtstag zu feiern. Vor 50 Jahren endete die Tour de France erstmals in Paris auf den Champs-Élysées, Ex-Telekom-T

Weitere Radsportnachrichten

17.11.2025Lipowitz will nicht zum Giro und hätte eigene Leistung bei der Tour “niemals erwartet“

(rsn) – Mit Blick auf ihre Meriten bei der Tour de France befinden sich Florian Lipowitz und Remco Evenepoel in ähnlichen Sphären. Doch was ihren Charakter angeht, könnte das Duo, das im Sommer n

17.11.2025Huens verstärkt Groupama, Verre findet neues Zuhause

(rsn) - In unserem ständig aktualisierten Transferticker informieren wir Sie regelmäßig über Personalien aus der Welt des Radsports. Ob es sich um Teamwechsel, Vertragsverlängerungen oder Rücktr

17.11.2025Tour du Ghana: Müllers Team gewinnt Prolog – und hat morgen frei

Robert Müller ist wieder auf Achse. Wer seine Berichte aus den unterschiedlichsten Ecken der Radsport-Welt – von Südamerika bis Asien – kennt, weiß: Wenn "Radbert" unterwegs ist, wird es selten

17.11.2025ASO spricht sich gegen Ticket-Einnahmen aus

(rsn) – In der Debatte um die zukünftige Finanzierung des Radsports hat die Großmacht ASO, die neben der Tour de France weitere entscheidende Rennen im WorldTour-Kalender und den ebenen darunter o

17.11.2025Road Captain will auch “persönliche Freiheit“

(rsn) – Von den noch aktiven Profis ist Kim Heiduk der letzte Deutsche, der aus einem einheimischen KT-Team, nämlich Lotto – Kern Haus, den Wechsel ins Lager der Berufsradfahrer geschafft hat. Ei

17.11.2025Ferrand-Prévot plant zwei Saisonhöhepunkte

(rsn) – Mit dem Tour-de-France-Sieg in der Tasche und einer Knöchel-OP, die noch ein paar Wochen Pause mit sich bringen wird, geht Pauline Ferrand-Prévot in den Winter und ins neue Jahr. Und damit

17.11.2025Eigene Chancen genutzt, doch für den Sieg hat es nicht gereicht

(rsn) – Vor seinem letzten U23-Jahr entschied sich der junge Österreicher Sebastian Putz für einen Wechsel. Er schloss sich dem Team Red Bull - Bora – hansgrohe Rookies an, um sich dort für zuk

17.11.2025Prag buhlt um den Grand Depart

(rsn) – Die Liste an potenziellen Grand Departs im Ausland in den kommenden Jahren wird immer länger. Auch Tschechien hat sich jetzt mit Prag in Stellung gebracht und Tour-Chef Christian Prudhomme

17.11.2025Die Radsport-News-Jahresrangliste der Männer 2025

(rsn) – Es ist inzwischen RSN-Tradition. Und auch wenn sich mit Christoph Adamietz der Vater der Idee vor einem Jahr aus unserem Autoren-Team verabschiedet hat, so soll diese Tradition fortgesetzt w

16.11.2025Kein Highlight, aber einige Male nah dran am Sieg

(rsn) – Die erste Saison, in der sich Alexandre Balmer (Solution Tech – Vini Fantini) komplett auf die Straße fokussierte, begann für den 25-Jährigen denkbar unglücklich. Bei der Trofeo Laigue

16.11.2025Oertzen fährt bei Garneks Überraschungssieg nächstes Podium ein

(rsn) – Einen Tag nach seinem zweiten Platz in Owocowy Przelaj (C2) hat Max Heiner Oertzen (Radsport Nagel) in Wladyslawowo-Cetniewo (C2) den nächsten Podiumplatz eingefahren. Beim Überraschungser

16.11.2025Nys nach packendem Finale in Hamme mit besserem Ende für sich

(rsn) – Dramatischer hätte der dritte Lauf zur X20 Badkamers Trofee in Hamme nicht laufen können. Nachdem sich Thibau Nys (Baloise - Glowi Lions) und Cameron Mason (Seven) nahezu über den gesamt

RADRENNEN HEUTE

    Radrennen Männer

  • Tour de Gyeongnam (2.2, KOR)