Vorschau auf Sanremo Women

Trotz gleicher Strecke: Wartet auf die Frauen ein anderes Rennen?

Von Jens Claussen und Felix Mattis

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Beim Giro 2023 war das Peloton der Women´s WorldTour zuletzt an der ligurischen Küste unterwegs. | Foto: Cor Vos

20.03.2025  |  (rsn) - Mit der Reaktivierung des Rennens “Primavera Rosa" konnte RCS Sport dem Rennkalender der Frauen nicht nur ein weiteres Monument hinzufügen, sondern dieses auch auf Anhieb in die WorldTour hieven. Das Pendant des Männerrennens Mailand-Sanremo wurde schon zwischen 1999 und 2005 ausgetragen und tritt nun  als “Sanremo Women” auf.

Wie bei den Männern könnte es nach 156 Rennkilometern auf einen Showdown einer kleineren Gruppe hinauslaufen, die sich am Poggio, dem letzten Anstieg des Tages, absetzt. Allerdings muss sich erst zeigen, wie sich die Kombination der Anstiege Cipressa und Poggio auswirkt – das Feld der Frauen könnte im Flachstück nach der Cipressa schon deutlich kleiner sein als das der Männer. Das wiederum würde die gesamte Dynamik des Rennens ändern.

Schaut man auf die Startliste, wird deutlich, dass die Teams jedenfalls nicht mit einem klassischen Sprinterinnenrennen rennen. SD Worx – Protime bringt neben Sprint-Ass Lorena Wiebes zwar nicht Rückkehrerin Anna van der Breggen, dafür aber Weltmeisterin Lotte Kopecky und die zuletzt bei der Trofeo Alfredo Binda zweitplatzierte Blank Vas mit, FDJ – Suez hat seine Kletter-Asse Demi Vollering und Juliette Labous angekündigt, aber auch Ally Wollaston dabei, und Canyon – SRAM – zondacrypto wird von der Tour-Siegerin Katarzyna Niewiadoma angeführt, bringt aber ebenfalls Chloe Dygert und Chiara Consonni mit an den Start in Genua.

Elisa Longo Borghini ist die Speerspitze bei UAE – ADQ, so wie Liane Lippert bei Movistar, wo aber auch die Trofeo-Binda-Dritte Cat Ferguson mit von der Partie sein wird. Lidl – Trek, wo die frisch gebackene Trofeo-Binda-Dreifachsiegerin Elisa Balsamo die Führungsrolle bekommen wird, wird beispielsweise mit Niamh Fisher-Black für Angriffe am Berg gewappnet sein. Dasselbe gilt für Visma – Lease a Bike, wo Marianne Vos Neuzugang Pauline Ferrand-Prévot an ihrer Seite haben wird. Auch EF Education - EasyPost ist mit Olympiasiegerin Kristen Faulkner, Klettererin Kim Cadzow, Abfahrts-Ass Cédrine Kerbaol und der sprintstarken Noemi Rüegg vielseitig aufgestellt. Alle Top-Teams setzen also sowohl auf ihre jeweisle schnellste Frau als auch auf mindestens eine Bergfahrerin.

"Es ist gut, dass wir Lotte Kopecky und mich dort haben, so dass wir verschiedene Karten ausspielen können: Wenn attackiert wird, kann Lotte mitfahren und wenn es auf einen Sprint hinausläuft, bin ich da", sagte Wiebes gegenüber RSN nach ihrem Sieg bei Le Samyn des Dames Anfang März.

Nachdem Vollering und Ferrand-Prévot bei Strade Bianche schon auf dem Podium standen und Balsamo sowie Vas und Ferguson am Sonntag in Cittiglio die Top 3 ausmachten, steht hinter drei weiteren Sieg-Aspirantinnen hingegen noch ein Fragezeichen: Hat sich Longo Borghini, immerhin schon Siegerin der UAE Tour (2.WWT) Anfang Februar, mit ihrem starken Auftritt bei der Trofeo Binda (1.WWT) endgültig vom ersten Saison-Rückschlag erholt? Auf den toskanischen Schotterstraßen kam die an einem Magen-Darm-Virus kränkelnde Italienerin lediglich auf Platz 55 und damit als Drittletzte ins Ziel.

Und inwieweit ist Niewiadoma von ihren Sturzverletzungen genesen? Die Polin war bei Strade Bianche in einen der vielen Stürzen verwickelt und zog sich dabei Gesichtsverletzungen sowie großflächige Schürfwunden zu, die sie die Teilnahme an der Trofeo Binda sowie wichtige Tage in der Vorbereitung gekostet haben.

Saisonstart für Kopecky

Vor allem aber auf den Auftritt von Weltmeisterin Kopecky, die Sanremo als ihr erstes Saisonziel deklariert hat, darf man gespannt sein. Die Belgierin wählte in diesem Jahr mit Fokus auf die Ardennenklassiker und die Tour de France bewusst  einen anderen Saisoneinstieg und verzichtete damit auf das Openingseekend sowie die Strade Bianche. Wenn in Genua am Samstagmorgen um 10:35 Uhr der Startschuss fällt, ist das der erste, den Kopecky in dieser Saison hört.

Zu erwarten ist ein recht moderater Rennbeginn, wenn es zunächst über 100 Kilometer auf der Via Aurelia ohne nennenswerte Erhebungen die ligurische Küste entlang geht. Hier werden wohl Fahrerinnen der fünf teilnehmenden Kontinental-Teams, allesamt aus Italien, darauf brennen, eine Spitzengruppe zu formieren, um sich ihren Landsleuten präsentieren zu können.

Hochspannung an der Cipressa und danach

Gut möglich, dass solch eine Gruppe vor dem Peloton dann auch den Fuß der Cipressa erreicht, den ersten Scharfrichter des Tages (die Strecke im Detail hier) . Spätestens dort aber wird das Rennen wohl eröffnet werden. Einige Teams werden den finalen Poggio nicht abwarten wollen, sondern schon vorher an der 5,6 Kilometer langen Cipressa (4,1% im Schnitt, maximal 9%) ihr Glück versuchen und eine Vorselektion oder Vorentscheidung suchen.

Immerhin ist es der längere der beiden finalen Anstiege und das Peloton dürfte auf dem Flachstück nach der Cipressa schon recht klein sein. Das gibt Außenseiterinnen eine Chance, bereits dort im Anstieg oder auch anschließend auf der Via Aurelia zu attackieren, wenn sich die Top-Teams sortieren müssen - Fahrerinnen vom Kaliber einer Pfeiffer Georgi (Picnic - PostNL), Kristen Faulkner (EF Education – Oatly), Yara Kastelijn (Fenix - Deceuninck) oder Évita Muzic (FDJ - Suez) ist ein Vorstoß zuzutrauen. Die Zusammensetzung einer möglichen Spitzengruppe wird hier besonders wichtig sein, um zu bestimmen, was dahinter passiert.

Festival der Attacken am Poggio?

Sollte von den großen Teams keine aussichtsreiche Fahrerin dabei sein, dürften voraussichtlich alle Favoritinnen gemeinsam von der Via Aurelia rechts in die kleine Abzweigung zum Poggio einbiegen. Auf dem 3,9 Kilometer langen Anstieg entscheidet dann die pure Power, gepaart mit einer entsprechenden Portion Explosivität. Dabei werden alle Augen auf Vollering und Kopecky gerichtet sein, deren Attacken am Poggio vorprogrammiert scheinen.

Die Frage ist, ob sie oder auch andere explosive Bergfahrerinnen und Puncheurinnen wie Puck Pieterse (Fenix - Deceuninck), Ferrand-Prévot, Niewiadoma oder Vas sich am Poggio absetzen können und mit wie viel Vorsprung sie sich in die sehr technische Abfahrt hinab Richtung Ziel in Sanremo stürzen. Denn nach der Abfahrt folgen noch knapp zwei flache Kilometer bis zum Zielstrich auf der Via Roma.

Einen wichtigen Faktor dürfte auch das Wetter spielen, denn die Vorhersagen der Meteorologen sagen neben mittelstarkem Rückenwind an der ligurischen Küste auch etwas Regen voraus, der die Poggio-Abfahrt noch schwerer machen und technisch versierte sowie risikobereitere Abfahrerinnen wie Longo Borghini oder Niewiadoma bevorteilen würde.

Lippert die größte deutsche Hoffnungen auf Worrack-Nachfolge

Auch Lippert gehört zum engeren Favoritinnen-Kreis. Die Friedrichshafenerin hat schon des Öfteren bewiesen, dass sie aus dem Sprint einer kleineren Gruppe als Siegerin hervorgehen kann und ihr Anstiege wie der Poggio liegen. Die Deutsche Meisterin Franziska Koch (Picnic - PostNL) sowie Romy Kasper (Human Powered Health) hingegen werden wohl eher Helferinnenaufgaben übernehmen müssen und bei Clara Koppenburg (Cofidis) muss sich zeigen, wie gut positioniert sie in die  Cipressa und den Poggio hinein kommt.

Eine Deutsche war es übrigens auch, die die letzte Ausgabe der Primavera Rosa gewann: Trixi Worrack (Equipe Nürnberger Versicherung) triumphierte im Jahr 2005 vor der Britin Nicole Cooke (Safi – Pasta Zara) und der Australierin Oenone Wood (Nürnberger Versicherung).

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